"Nebenan" in Hellerau Unter Druck: Festival in Dresden zeigt unabhängige Kunst aus der Slowakei
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05. Februar 2025, 08:59 Uhr
In Dresden zeigt das Festival "Nebenan" ab Mittwoch zeitgenössische Kunst aus der Slowakei. Im Festspielhaus Hellerau sind Videokunst und Performance, Tanz und Zirkus zu erleben. Mit dem Programm präsentiert sich im Europäischen Zentrum der Künste bis 8. Februar 2025 eine freie Szene, die im Land zunehmend politisch und finanziell unter Druck gerät.
- Zeitgenössische Kunst aus der Slowakei zeigt das Festival "Nebenan" vom 5. bis 8. Februar im Festspielhaus Hellerau.
- Vom Videoessay über Performance bis Zirkus reicht die Bandbreite des Programms einer freien Szene, die im Land zunehmend unter Druck gerät.
- Bleiben oder gehen, fragen sich viele Kulturschaffende, wie Theatermacherin Lucia Kašiarová berichtet.
Unablässig cruised oder besser schlittert einer weißer Subaru über eine verschneite Brachfläche, immer im Kreis, mit Vollgas. Auf einer großen Leinwand kann man dieser wilden Fahrt folgen, ebenso dem gleichförmigen Sound des Motors, der dann aber ganz allmählich in rhythmisierte Geräusche übergeht.
Mikro-Welten: Video-Essay über Panzer-Testgelände
Es handelt sich um klangliche Fundstücke vom ehemaligen Testgelände für Panzer in der Mittelslowakei, wie die Künstlerin Katarína Marková im Gespräch mit MDR KULTUR erklärt. Sie ist ganz in der Nähe aufgewachsen, ohne von der Panzerfabrik zu wissen, auch in der Schule sei nie darüber gesprochen worden. "Erst mit Mitte 20 habe ich erfahren, dass das eine der größten Panzerfabriken im ehemaligen Ostblock war", erzählt sie.
Heute lebt Katarína Marková in Deutschland. Wenn sie in ihre Heimat zurückkehrt, nutzt sie das inzwischen öffentlich zugängliche Gelände für ihre künstlerischen Forschungen. Mit Kamera und Audiorecorder hat sie letztes Jahr gemeinsam mit ihrer Kollegin vom Künstlerinnenkollektiv MFK Bochum, Marlene Ruther, dort nach Spuren gesucht. Weniger von Panzern, als nach denen von Pilzsammlern, Hirschen und LKW, die Schutt entsorgen: "Ich beobachte, wie diese Mikrowelten da nebeneinander existieren", erklärt sie.
Festival zeigt Vielfalt unabhängiger Kunst in der Slowakei
Ihr performativer Videoessay bringt den Ort und die Atmosphäre nach Dresden ins Festspielhaus Hellerau als Beitrag zum Festival "Nebenan", "Zblízka" auf Slowakisch. Kuratorin Saskia Ottis versucht, im Programm die große Vielfalt der Kultur- und Kunstszene, die sie in Bratislava, aber auch in Žilina, Banská Bystica und Košice angetroffen hat, zu zeigen.
Eine Szene, die international kaum sichtbar und deren Zukunft angesichts der politischen Umstände im Land ungewiss ist. "Trotzdem gab es erstmal Zustimmung, so einen Schwerpunkt hier in Dresden, in Hellerau zu veranstalten", berichtet die Kuratorin.
Freie und queere Szene unter Druck
Als die Vorbereitungen im Frühsommer 2024 starteten, war der Staatsumbau in der Slowakei durch die linkspopulistisch-rechtsnationale Regierung unter Robert Fico bereits in vollem Gange. Einschließlich der Auflösung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Verantwortlich dafür ist Martina Šimkovičová, die Kulturministerin setzte auch unliebsame Direktorinnen und Direktoren staatlicher Kulturinstitutionen ab und strich Fördermittel für die freie Szene. Doch die Kulturschaffenden schweigen nicht. Seit Monaten protestieren sie gegen Šimkovičovás Politik, gegen deren Hetze, die sich unter anderem gegen die queere Community richtet.
"Dass man da internationalen Support braucht, ist total klar", betont Kuratorin Saskia Ottis. "Auch um queere Personen zu schützen und sie in ihren Statements noch zu verstärken."
Tanz, Performance, Zirkus mit aktuellem Fokus
Auf der Bühne wiederum bekommt das Publikum die ganze Bandbreite slowakischer Performance-Kunst zu sehen: eine Art Dinnershow mit dem Titel "Bruchovravy", Blähungen, bei der live on stage gekocht und dabei über das slowakische Parlament spekuliert wird. Faszinieren wird mit Sicherheit der Zirkuskünstler Roman Škadra, der 200 Kilogramm Kugelhanteln jongliert und zu Skulpturen auftürmt.
Den Anfang aber macht ein Tanztheater aus Banská Bystrica, das Divadlo Štúdio tanca mit dem Stück "Po víťazstve", "Nach dem Sieg". "In unserer Choreografie arbeiten wir mit verschiedenen Sprachen, die man nicht verstehen muss, aber es ist klar, dass sich die Figuren untereinander nicht verstehen, sogar miteinander streiten" erläutert dazu Leiterin Lucia Kašiarová.
Das Bühnenbild bestehe nur aus einer weißen Treppe, die deutlich mache, wer im Machtgefüge höher stehe. Am Ende bleibe die Frage offen, auf welcher Stufe man beim nächsten Mal stehe, so Kašiarová. Ausgehend vom 80. Jahrestag des slowakischen Nationalaufstandes 1944 richtet die Inszenierung den Fokus auf die heutige Gesellschaft und deren auf Gewinner ausgerichtete Kultur.
Bleiben oder gehen?
Kašiarová berichtet, dass ihr Theater nach wie vor von der Region gefördert werde und damit unabhängig sei vom Kulturministerium. Zunehmend bleibe aber Publikum aus. Kašiarová betrachtet das als Resultat von Hass-Posts gegen zeitgenössischen Kunst, die die Szene zunehmend verunsichere:
"Viele Künstlerinnen und Künstler harren noch aus, sie überlegen, wann der Moment gekommen ist zu sagen: 'Es reicht', und das Land zu verlassen, sagt Kašiarová. Auch für sie scheint es eine Frage der Zeit, bis sie das Divadlo Štúdio tanca verlassen und nach Prag zurückgehen wird. Denn der Druck auf die Künstlerinnen und Künstler, so steht zu befürchten, wird weiter zunehmen.
Quelle: MDR KULTUR (Grit Krause), Redaktionelle Bearbeitung: lg, ks
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. Februar 2025 | 07:10 Uhr