Diakonie-Projekt Warum sich Menschen mit Einschränkungen in Großenhain um Honigbienen kümmern
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16. Juli 2023, 05:00 Uhr
Nach den Honigbienen zu schauen, das gehört für Antonia Tilger aus der Wohnstätte der Diakonie in Großenhain fast täglich zu ihrem Rhythmus. Die junge Frau findet nach längerem Klinikaufhalt wegen einer psychischen Erkrankung wieder in den Alltag und ein selbstbestimmtes Leben zurück. Das Imker-Projekt der Diakonie hilft ihr dabei und bereitet ihr so viel Freude, dass selbst eine Bienenallergie die 23-Jährige nicht bremsen kann.
Der Garten hinter der Möbelwerkstatt und der Tafel-Ausgabe der Diakonie in Großenhain ist eine kleine Ruheoase. Eine junge Frau ist an diesem Morgen dennoch beschäftigt. Sie schlüpft in Schutzkleidung, setzt einen Hut mit Netz auf und kann es kaum erwarten, endlich nach den Bienen zu sehen. Die Hilfsorganisation der evangelischen Kirche betreibt seit 2019 das Bienenprojekt unweit des Cottbusser Bahnhofs in Großenhain. Die sogenannte Projektimkerei dient der Arbeitsförderung für Menschen mit Behinderung sowie für Suchtkranke und Langzeitarbeitslose, sagt Tony Preibisch, Projektleiter beim Diakonischen Werk Meißen.
Drei Ernten bringen eine halbe Tonne Honig
Die junge Frau, die nun schon ganz vorsichtig einen Bienenstock öffnet, ist Antonia Tilger. Sie lebt zurzeit in einer Wohnstätte der Diakonie und kehrt nach einem langen Klinikaufenthalt wegen einer psychischen Erkrankung nun Tag für Tag zurück in ein selbstständiges Leben. Die Arbeit mit den Bienen hilft ihr dabei. Als die 23-Jährige mit geübten Handgriffen eine Wabe aus dem Bienenvolk zieht, sprudelt es förmlich aus ihr heraus. Sie erzählt alles, was sie über die Bienen weiß. Sie zeigt die Wabenzellen, in denen die Bienen Honig sammeln. Sie sucht nach der Königin des Volkes und hat ein Auge darauf, wie der Zustand der Arbeiterinnen im Bienenvolk ist. In einer anderen Wabe ist zu sehen, wo die Bienen ihren Nachwuchs großziehen. Auch das hat die junge Frau genau im Blick.
Drei Mal im Jahr werde Honig geerntet, berichtet Antonia Tilger – grob gesagt nach der Rapsblüte, nach der Robinien-Blüte und nach der Lindenblüte noch die Sommertracht. Die Blüte der Silberlinde ist übrigens im Juli und steht noch aus. Natürlich sammeln die Bienen auch Pollen und Nektar von anderen Pflanzen. Tony Preibisch sagt, der Standort für die Bienen in Großenhain sei optimal – nahe am Stadtpark, unweit der ausgedehnten Rapsfelder der Großenhainer Pflege und umgeben von Kleingärten.
Schulen interessieren sich für Imker-Projekt
Der Diakonie-Mitarbeiter kennt sich mit dem Imkern aus, er hat schon als kleiner Junge erste Bienenvölker betreut. Seine Frau Jessica betreibt eine Imkerei nach dem Bio-Zertifikat von Demeter.
Die Imkerei der Diakonie ist davon aber völlig unabhängig. Tony Preibisch erklärt, dass durchschnittlich eine halbe Tonne Honig pro Jahr geerntet und verkauft werde. Die Erlöse fließen wieder in das Imker-Projekt oder kommen als Spende anderen Einrichtungen der Diakonie zu Gute. Inzwischen haben sich die "Diakonie-Bienen" in der Region herumgesprochen. Interessierte aus der Nachbarschaft sowie Grund- und Förderschulklassen haben schon angeklopft, um sich die Grundlagen der Imkerei und die Funktionsweise eines Bienenstaates erklären zu lassen.
Klimawandel lässt Baumblüte stocken
Tony Preibisch nutzt solche Gelegenheit auch immer, um die Kinder an die Natur heranzuführen. Er zeigt ihnen, dass Bienen im Normalfall nicht aggressiv sind, wenn man sich ihnen ruhig und mit Bedacht nähert. Auch auf die bedrohten Wildbienen weist er hin und auf die Notwendigkeit von Wildblumen, die im Alltag oftmals unbeachtet bleiben oder gar als vermeintliches Unkraut ausgerissen werden.
Den Klimawandel bekommen die Imkernden inzwischen auch zu spüren, wenn beispielsweise in Dürre-Sommern die Baumblüte stockt und die Bienen nicht genug Nektar sammeln können. Tony Preibisch ärgert sich zudem über Landwirte, die Pflanzenschutzmittel direkt während der Rapsblüte sprühen oder generell nicht korrekt anwenden – all das schade Honigbienen und Wildinsekten. Auch Antonia Tilger ist häufig dabei, wenn Schulkinder oder Hobbyimker aus der Nachbarschaft zu Gast sind. Sie zeigt gerne, wie es in einem Bienenvolk zugeht.
Nicht alle Menschen für Umgang mit Bienen geeignet
Tony Preibisch sagt, dass Antonia Tilger inzwischen zuverlässig selbstständig viele Arbeiten übernehmen könne. Ganz allein kann er die junge Frau allerdings nicht lassen, denn sie hat ein ernsthaftes Problem: Sie reagiert allergisch auf Bienenstiche und benötigt schnell Hilfe, falls es trotz aller Vorsicht und Routine im Umgang mit den Bienen doch passiert. Ein Notfallset hat sie deshalb immer dabei. Von ihrer Allergie lässt sich Antonia Tilger aber die Freude an den Bienen nicht verderben.
Sie habe Bienen schon immer gemocht, war im Kindergarten in der "Bienchen-Gruppe" und werde auch von ihrer Familie noch heute "Bienchen" genannt, erzählt sie freimütig. Im Bienenprojekt der Diakonie geht es im Kern darum, dass alle Teilnehmenden eine gewisse Verantwortung für ein Bienenvolk übernehmen und den Jahreszeiten folgend anstehende Aufgaben übernehmen – entsprechend ihren individuellen Möglichkeiten und der tagesaktuellen Verfassung.
Tony Preibisch erklärt, dass die Arbeit mit den Honigbienen nicht für alle geeignet sei. Manche Menschen mit psychischen Behinderungen könnten sich nur eine gewisse Zeit auf bestimmte Arbeiten konzentrieren, andere können mit dem Gewimmel in einem Bienenvolk nur schwer umgehen. Deshalb ist die Arbeit an den Bienen immer freiwillig.
Arbeit an Bienen kurz vor Mittag fertig
Es ist inzwischen Vormittag geworden und Antonia Tilger erledigt noch zwei Aufgaben: Sie will in Absprache mit Tony Preibisch in einem Bienenvolk nach der Brut sehen und dabei auch noch einen Holzrahmen – hergestellt in der Möbelwerkstatt der Diakonie – mit vorgestanzten Waben einsetzen. Das nimmt den Bienen die Arbeit des Wabenbaus ab. Dann kann die junge Frau in gebührendem Abstand zu den Bienenvölkern ihren dichten Schutzanzug ablegen. Es war ein erfolgreicher Tag - und vor allem wieder einer ohne Bienenstich.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 11. Juli 2023 | 09:30 Uhr
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