Gutachten erwartet Zwischen Totholz und Wanderweg: Wie weiter im Nationalpark Sächsische Schweiz?
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15. Januar 2023, 19:35 Uhr
Eine unabhängige Expertenkommission arbeitet seit August 2022 die Erkenntnisse aus den Waldbränden des letzten Sommers in der Sächsischen Schweiz auf. Ergebnisse werden Ende Februar erwartet. Vor allem mit Blick auf die sensible Nationalparkregion erhoffen sich Politiker, Umweltschützer, Anwohner und Feuerwehrleute wichtige Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen. Eine Bestandsaufnahme von Biwak-Moderator Thorsten Kutschke.
- Bei den Waldbränden im Sommer 2022, die die Feuerwehren wochenlang in Atem hielten, wurden 113 Hektar Wald zerstört, das sind zwei Prozent des Nationalparks Sächsische Schweiz. Es hätte auch schlimmer kommen können.
- Der Schaden der Brände wird auf elf Millionen Euro geschätzt. Landrat Geisler ist froh, dass den größten Teil der Freistaat übernimmt, Sorgen hat er dennoch.
- Vielen in der Region dauert die Aufarbeitung durch eine vom Land Sachsen eingesetzte Kommission zu lange. Doch Innenminister Schuster will keine Schnellschüsse, sondern fundierte Erkenntnisse.
Seit jüngster Kindheit wandere und klettere ich durch die Sächsische Schweiz. Sie ist mir "Heimat-Gebirge", so wie vielen Zehntausenden. Seit mehr als 20 Jahren ist mir das Gebirge auch zur beruflichen Heimat geworden: Als Reporter und Moderator der Bergsport-Sendung BIWAK habe ich mit meinem Team mehr als 500 Fernseh-Beiträge über das Reich der Sandsteine produziert: Wandertipps, Kletter-Abenteuer, Naturschutz-Beiträge.
Spuren des Waldbrands kaum noch zu sehen
Wenn ich heute durchs Heimatgebirge wandere, dann muss ich schon eine Weile suchen. Oder besser gesagt: Ich muss genau wissen, wo ich suche. Wenn ich die Stellen finden will, wo der Waldbrand im Juli gewütet hat. Schließlich ist die Sächsische Schweiz bei diesem Inferno sozusagen noch "mit einem blauen Auge davongekommen". Hanspeter Mayr, der im Nationalpark für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, zeigt mir zwischen verkohlten Fichtenstämmen in der Nähe vom Frienstein eine Karte, auf der die Brandflächen markiert sind. 113 Hektar hat es erwischt diesseits der Grenze, das sind knapp zwei Prozent der Gesamtfläche des Nationalparks.
Mayr weiß genauso gut wie ich, was hätte passieren können, wenn der Wind nicht rechtzeitig gedreht hätte: Möglicherweise hätte der glühend heiße Funkenflug auch das schwer zugängliche Zschand-Gebiet und sogar Ortschaften wie Saupsdorf oder Hinterhermsdorf erreicht. So wie nebenan im böhmischen Teil des Elbsandsteingebirges, wo das Feuer im Nationalpark mehr als 1.000 Hektar verbrannt hat. Und drei Wohnhäuser im Dorf Mezni Louka. "Wir sind den Feuerwehrleuten sehr dankbar und haben viel Glück im Unglück gehabt", sagt Hanspeter Mayr leise.
Borkenkäfer haben es bei feuchtwarmer Witterung schwer
Und zeigt mir nur Sekunden später eine winzige Birke, die sich durch den verkohlten Waldboden ans Tageslicht gekämpft hat. Keine zwei Zentimeter groß - Lichtblick und Hoffnungsträger gleichermaßen. "Die kommt auf jeden Fall gut durch so einen milden Winter", sagt Mayr. Streichelt den grünen Winzling mit der Fingerspitze fast wie ein Baby und fügt an: "Die Borkenkäfer dürften es schwerer haben bei dieser feuchtwarmen Witterung..."
Die Borkenkäfer... Seit diese Schädlinge vor zwei Jahrzehnten im Gebirge eingefallen, und vor allem seit sie in den Trockenjahren 2018 bis 2020 regelrecht übers Gebirge hergefallen sind, sich nimmersatt wie eine Todesschwadron durch die Fichten fräsen und ganze Hänge in Gespensterwälder verwandeln, in denen abgestorbene Bäume kreuz und quer umknicken, ist es vielerorts vorbei mit der idyllischen Ruhe im Nationalpark.
Monokultur an Fichten stetig reduziert
Hanspeter Mayr holt tief Luft und weit aus zu diesem Thema: "Unser Erbe aus der Forstwirtschaft vor Gründung des Nationalparks war ein Fichtenanteil im Wald von 66 Prozent. Meist anfällige Monokulturen. Bis 2018 haben wir diesen Anteil mit unseren - nicht immer unumstrittenen! - Waldpflegmaßnahmen auf 51 Prozent reduzieren können. Trotzdem war der reine Nadelwald gefundenes Fressen für den Borkenkäfer, der den Anteil noch gesunder Fichten bis jetzt schon auf 25 Prozent reduziert hat." Im Klartext: Die Hälfte des Bestandes kollabiert.
Rapider Anstieg des Totholzes
Immer öfter müssen Wanderwege gesperrt und freigesägt werden, todkranke Bäume vorsorglich gefällt in schwierigem Gelände, wenn sie Straßen, Häuser oder Rettungswege bedrohen. Weil die Käfer schneller fressen als die Waldarbeiter der Nationalparkverwaltung sägen können, steigt der Anteil des Totholzes im Wald rapide an. Häufig wiederkehrende extreme Trockenperioden in den letzten fünf Jahren tun ihr übriges: Der Wald stirbt.
Prozess-Schutz verhindert menschliches Eingreifen
Anders als in vielen Privat- oder Nutzwäldern lässt man ihn diesen langsamen Tod auch sterben in Nationalparks wie der Sächsischen Schweiz oder auch im Harz. Denn der gesetzlich vorgeschriebene "Prozess-Schutz" verbietet in diesen Schutzzonen das menschliche Eingreifen. Die Natur soll sich selbst überlassen bleiben, sie soll sich selbst regulieren dürfen – das ist im Nationalpark, speziell in den ausgewiesenen Kernzonen, Philosophie und gesetzliche Vorgabe zugleich. Dass dies funktionieren kann, beweist uns das winzige Birkenbaby. Aber um welchen Preis?
Landrat: Schaden durch Waldbrand beträgt circa elf Millionen Euro
Diese Frage treibt auch Sachsens dienstältesten Landrat um: Ich treffe Michael Geisler (CDU) auf dem Hockstein, oberhalb vom Polenztal. Er hat seit 1990 "den Hut auf" fürs Wohl und Wehe in seinem Landkreis, zu dem auch die Sächsische Schweiz gehört. Auf zehn bis elf Millionen Euro schätzt er die Gesamt-Kosten, die durch das Brandgeschehen im letzten Juli aufgelaufen sind. Den allergrößten Teil davon übernimmt der Freistaat, "da freuen wir uns natürlich drüber", sagt Geisler und blickt trotzdem mit sorgenvoller Miene über die ergrauten Baumwipfel, die sich auf der anderen Talseite bis hinauf an den Stadtrand von Hohnstein recken.
Strenger Naturschutz vs. Sicherheit der Anwohner
"Wissen Sie..." hebt der Landrat an und schaut einen Moment lang nachdenklich über den Talgrund, um schließlich fortzufahren: "Ich kann die Sorgen der Menschen in Hohnstein, Saupsdorf oder Hinterhermsdorf sehr gut verstehen. Dort, wo die Fichten-Monokultur bis direkt an den Ortsrand steht. Wenn jetzt in Tschechien sogar Häuser gebrannt haben, dann muss man das hier auch anders diskutieren als den strengen Naturschutz auf einem filigranen und abgelegenen Sandsteinriff oder in abgelegenen Tälern, wo es noch schützenswerte Relikte aus der Eiszeit gibt." Er wünscht sich da eine differenzierte Betrachtung und Diskussion.
Ob ihm und den Bürgern in seinem Landkreis das vielleicht alles zu lange dauert mit den Untersuchungen der Expertenkommission, die von der Staatsregierung eingesetzt wurde, möchte ich wissen: "Alle hier hätten gern so schnell wie möglich Signale", sagt Geisler, "aber ich denke nicht, dass hier irgend jemand auf Zeit spielt. Die Runde ist mit exzellenten Fachleuten aus allen Bereichen gut besetzt. Und die nehmen ihre Arbeit sehr ernst. Ein Schnellschuss hilft hier niemandem."
Innenminister Schuster will keine Schnellschüsse
In die gleiche Kerbe schlägt 30 Kilometer elbabwärts Sachsens "oberster Katastrophen-Schützer": Innenminister Armin Schuster. Der CDU-Politiker wirbt um Verständnis und Geduld: "Schnell und falsch kann jeder. Wir brauchen hier ein langfristiges und wirklich fundiertes Konzept. Und wenn diese Kommission mit ihren Untersuchungen die gleiche Wirkung entfaltet wie einst die Kirchbach-Kommission nach der Jahrhundertflut in Sachsen, dann hätten wir unheimlich viel gewonnen."
Schnell und falsch kann jeder. Wir brauchen hier ein langfristiges und wirklich fundiertes Konzept.
Er selbst sei guter Hoffnung für das neue Waldbrandschutzgesetz, welches in Kürze verabschiedet werden soll, sagt der Minister: "Es sind große Themen die wir da anpacken müssen und werden: Die Waldbewirtschaftung, die Waldbrand-Früherkennung, das Waldbrandmanagement mit besserer Technik, mit der Luftraum-Einbindung!" Wir erinnern uns bei diesem Gespräch im Dresdner Ministerium gemeinsam an die Löscharbeiten im letzten Jahr und daran, dass es mehrere Millionen Liter Wasser aus Hubschraubern und Löschflugzeugen waren, ohne die das Feuer im letzten Sommer wohl noch wesentlich länger gebrannt hätte.
Umweltministerium gibt Geld für Zisternen frei
Dass man im Nationalpark über die Einrichtung von Löschwasser-Zisternen nachdenkt, also über ständige Reservoirs in schwer zugänglichen Gebieten, ist keine neue Idee: Schon vor Jahren soll es dazu Gespräche zwischen der Stadt Hohnstein und der Nationalparkverwaltung gegeben haben, erfahren wir im Gespräch mit einem Nationalpark-Mitarbeiter, der seinen Namen aber lieber nicht veröffentlicht haben möchte. Gescheitert sei das unter anderem an den Kosten für solch eine Zisterne. Jetzt hat das Umweltministerium Fördergelder in Höhe von 500.000 Euro für sieben geplante Zisternen freigegeben, bestätigt uns Ministeriums-Sprecher Robert Schimke.
"Das ist nicht unproblematisch, weil es sich wie so oft ums Geld dreht", sagt Hanspeter Mayr auf unserer Wanderung durch die Brandflächen. "Inzwischen sollen die Kosten für solche Zisternen ja noch weiter gestiegen sein." Wenn unsere Recherchen stimmen und eine Zisterne mittlerweile rund 250.000 Euro kostet, dann würden bei sieben Zisternen im Nationalpark trotz Förderung immer noch gut 1,2 Millionen Euro bei den Kommunen hängenbleiben.
Ob eine Kleinstadt wie Hohnstein das bezahlen kann, fragen wir uns beim Gespräch mit Hanka Owsian auf dem Marktplatz unterhalb der imposanten Burg, die überm Polenztal thront und seit Jahren ein teures Zuschussgeschäft ist. Die passionierte Bergsteigerin ist die Sprecherin einer Bürgerinitiative, die sich für die Umwandlung des Nationalparks in einen Naturpark stark macht, angeführt vom Hohnsteiner Bürgermeister Daniel Brade (SPD).
Behörden gegen Umwandlung von Nationalpark in Naturpark
Es gab in den letzten 30 Jahren einige Ideen aus Hohnstein, mit denen man die Stadt und die Burg attraktiver machen wollte für Touristen und die damit verbundenen Einnahmen: Aber weder ein Klettergarten an den steilen Massivwänden noch eine frei schwebende Hängebrücke übers Polenztal hinüber zur Burg bekamen "grünes Licht" von den Naturschutzbehörden.
Dass die Kirchturm-Uhr fünf nach zwölf zeigt, während wir aufs Ende des Glockengeläuts warten, um unser Interview vor der Kamera zu beginnen, ist Zufall. Die letzte Regenfront ist gerade abgezogen, heute brennt hier garantiert nichts an, wir können ganz sachlich debattieren. Gut 7.000 Unterschriften habe man inzwischen eingesammelt, erzählt uns die energiegeladene Bergsteigerin. Und: Man habe die Frist verlängert, weil offenbar doch viele der angesprochenen Unterschriftskandidaten noch zögerlich seien und sich genauer informieren wollen.
Meine Frage: "Wer bezahlt und bewerkstelligt dann zum Beispiel die aufwändige Sanierung des Wanderweges durch die Schwedenlöcher in Rathen?" Hanka Owsians Antwort: "Das müsste ähnlich wie beim Nationalpark auch vom Land verwaltet und finanziert werden. Warum soll das nicht gehen?"
Bürgerinitiative und Nationalparkverwaltung reden erstmals miteinander
Wir sind uns einig darüber, dass es ein sehr langer Weg wäre durch die politischen Instanzen und auch ein nie dagewesenes Politikum, wenn die Bürgerinitiative tatsächlich Erfolg haben will: "Erst mal werden wir wahrgenommen mit unseren Fragen und Anregungen", sagt Hanka, "damit ist schon viel erreicht! Die Nationalparkverwaltung hat uns jetzt eingeladen zu einem Gespräch und Meinungsaustausch Ende Januar. Das hätten wir im Herbst noch nicht für möglich gehalten."
Ulf Zimmermann, der scheidende Leiter der Nationalparkverwaltung, bestätigt diese Pläne: "So ein Austausch hat ja in der Vergangenheit viel zu selten stattgefunden. Und es ist schon wichtig, miteinander zu reden in dieser Situation." An seinem vorletzten Arbeitstag will Zimmermann dieses Gespräch selbst moderieren, bevor er seine Zelte in Sachsen abbricht und einen Job in Mecklenburg-Vorpommern antritt.
Was ihm vor dem Abschied genauso wichtig ist wie seinen Mitarbeitern: Man wolle in der grünen Ranger-Uniform nicht immer und für alles den "Schwarzen Peter" zugeschoben bekommen: "Wir warten auch auf die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen der Kommission aus Dresden, damit wir uns an die Umsetzung machen können", sagt der (Noch-)Nationalparkchef.
140 Kilometer Rettungswege freigesägt
Am Wurzelweg oberhalb von Schmilka betrachten wir eine sogenannte "Verkehrs-Sicherungs-Maßnahme". 20 Meter links und rechts des Schotterweges, der nicht nur als Wanderweg, sondern auch als Rettungsweg kartiert ist, liegen die angeknockten Fichten flach abgesägt. Für solche Maßnahmen hat die Nationalparkverwaltung nicht nur die Genehmigung, sondern auch den ausdrücklichen Auftrag von übergeordneten Behörden. Mehrere Wanderwege und 140 Kilometer Rettungswege haben Zimmermanns Mitarbeiter in den letzten Monaten freigesägt.
Mehrere Monate Genehmigung für kleinere Arbeiten
Immer wieder muss vor allem auf Wanderwegen nachgearbeitet werden, der Borkenkäfer schläft nicht, Bäume fallen weiter um. Irgendwo Holz aus dem Wald räumen, das dürfen die Ranger und Waldarbeiter übrigens genauso wenig wie etwa unter einem Wanderweg eine Wasserleitung für "den Fall der Fälle" von der Kirnitzsch in den Zschand zu legen. Solche Maßnahmen bedürfen im Nationalpark einer ausdrücklichen Anweisung von den übergeordneten Naturschutzbehörden samt Prüfungs- und Genehmigungsverfahren: "Wenn solche Maßnahmen ergriffen werden sollen als Eingriff in den Prozess-Schutz", erklärt uns Ulf Zimmermann, "dann dauert der Weg durch die behördlichen Instanzen und Gremien samt Ausschreibung locker zwei bis drei Monate, ehe wir loslegen könnten."
Tote Fichten ragen in den Himmel
In fünf Monaten beginnt die nächste (potentielle) Waldbrandsaison. Und wenn ich mich umschaue hier draußen im Heimatgebirge auf meinen Streifzügen, dann sieht es hier - von den verkohlten Flächen mal abgesehen - nicht großartig anders aus als vor einem Jahr. Von den Aussichten am Kleinen Winterberg schweifen die Blicke in Richtung Zschand - und selbst um diese Jahreszeit erkenne ich deutlich die großen Flächen, auf denen nur noch tote Fichten in den Himmel ragen oder sich schon im wilden Mikado übereinanderstapeln. In den Thorwalder Wänden zum Beispiel, wo man sich als Wanderer gar nicht mehr hineingetrauen mag.
Jenseits der Grenze im Nationalpark Böhmische Schweiz, wo während der Waldbrände sogar Ortschaften betroffen waren und drei Häuser abgebrannt sind, haben Revierförster an einigen Siedlungen kurzerhand "Schutzgürtel" freigesägt bzw. vom Totholz beräumt. "Dort war der Druck nach der Katastrophe natürlich auch wesentlich größer", sagt Landrat Michael Geisler, "aber manchmal wünsche ich mir schon, dass man da öfter mal über den Tellerrand, also über die Grenze schaut. Viele Dinge, über die wir hier immer noch diskutieren, sind dort schon erledigt."
Wunsch nach besserem Handynetz im Gebirge
Geisler hat klare Vorstellungen von dem, was die Untersuchungskommission des Freitstaates auf den Weg bringen muss: Ein besseres Handy-Netz im Gebirge, damit es künftig keine Behinderungen mehr in der Kommunikation gibt, neben den Löschwasserzisternen auch eine bessere und spezifische Ausrüstung für die Feuerwehr, die für die topografischen Gegebenheiten in der Sächsischen Schweiz taugt: "Ein Waldbrand an den Riffhängen im Elbsandstein ist naturgemäß eine völlig andere Herausforderung als ein Häuserbrand!"
Da stößt er ins gleiche Horn wie der Innenminister des Freistaates, Armin Schuster (CDU), den wir bei unserem Besuch in einem anderen Sandstein-Labyrinth treffen: im Dresdner Regierungsviertel. "Es sind große Themen, die wir da anpacken wollen und müssen", weiß der Minister: "Waldbewirtschaftung, Waldbrand-Früherkennung, die Erkenntnisse aus dem Waldbrand und seiner Eigendynamik an sich." Zuständig für den Katastrophenschutz und somit für Ausrüstung und Logistik der Rettungskräfte und Feuerwehren, verspricht Schuster, dass man da "alles Notwendige" tun werde, um im nächsten Katastrophenfall noch besser aufgestellt zu sein.
Innenminister: Bevölkerungsschutz, Brandschutz und Naturschutz in Einklang bringen
Was den Wald und mögliche Interessenkonflikte mit naturschutzrechtlichen Belangen im Nationalpark betrifft, lässt sich der Minister keine konkrete Aussage entlocken, wohl wissend, dass dies in die Zuständigkeit des Umweltministeriums gleich auf dem Nachbarflur gehört. Eine generelle Meinung zu diesem Thema hat er trotzdem, und die tut er auch ganz offen kund in unserem Gespräch: "Wir haben Nationalparks in Deutschland, die sind weit weg von den Menschen. Dort ist die Situation sicher etwas einfacher. Hier brauchen wir einen besonderen Einklang zwischen Bevölkerungsschutz, Brandschutz und Naturschutz. Und da müssen wir vielleicht andere Wege gehen, als sich das die Ur-Väter von Nationalparks mal gedacht haben ..."
Umweltminister sorgt mit Aussagen zum Totholz für Irritationen
Aus dem benachbarten Umweltministerium ist derlei Kompromissbereitschaft bislang noch nicht öffentlich signalisiert worden. Staatssekretärin Gisela Reetz hatte im September auf einer Kabinetts-Pressekonferenz unmissverständlich und resolut verkündet: "Es wird im Nationalpark keinen Waldumbau geben!"
Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) sorgte vor Weihnachten für Aufsehen, als er in einem Beitrag der "Sächsischen Zeitung" zur Lage im Nationalpark darauf bestand, dass Totholz im Wald als Wasserspeicher eher Brände behindere als begünstige. "Das mag ja in gesunden Wäldern richtig sein, wo ab und zu mal ein Baum umfällt", kommentiert Landrat Geisler, "aber das Holz hier im Fichtenmikado, das kann er damit nicht ernsthaft gemeint haben. Solche Aussagen sind wenig hilfreich. Das hat für viel Kopfschütteln gesorgt."
Bergsteigerbund fordert Totholzberäumung in Ortsnähe
Hat es nicht nur in Geislers Landkreis, sondern auch weit weg auch von den Wäldern. Dort, wo im Winter unterm Dach jene trainieren, die im Sommer im Elbsandstein klettern gehen: Im Dresdner Vereins-Zentrum des Sächsischen Bergsteiger Bundes (SBB), wo ich den Ersten Vorsitzenden Uwe Daniel in der Kletterhalle treffe.
Sehr schnell nach den Bränden und sehr offensiv hat der SBB nach dem letzten Sommer einen "Wunschzettel" geschrieben, der nicht an den Weihnachtsmann geschickt wurde, sondern an die Untersuchungs-Kommission. "Totholzberäumung in Ortsnähe" steht darauf geschrieben, und dazu: "Standortgerechter Waldumbau. Freischneiden von Wegen ermöglichen. Gesperrte Wanderwege in der Kernzone wieder ausweisen!" - eher ein Forderungskatalog des Bergsteiger-Dachverbandes, der immerhin für mehr als 16.000 Mitglieder spricht.
Kletterfreunden geht Aufarbeitung des Brandes zu langsam
Uwe Daniel und seinen Kletterfreunden dauert die Aufarbeitung viel zu lange - und vor allem verstehen sie nicht, warum im Laufe der Kommissionsarbeit keine Zwischenergebnisse präsentiert werden können oder dürfen: "Wir fragen uns wirklich, warum wir fünf Monate lang auf Experten warten müssen, um herauszufinden, dass trockenes Holz brennt", bringt er die Ungeduld der Vereinsmitglieder auf den Punkt. Er legt Wert darauf, dass der SBB für die Nationalparkverwaltung immer ein verlässlicher Partner war, auch in Naturschutzfragen wie beim Schutz der Wanderfalken, bei Arbeitseinsätzen zur Erosions-Sanierung, beim Ringen um Kompromisse im Wege-Konzept.
Zeitdruck durch Brutsaison ab Februar
Folglich weiß man beim SBB auch ganz genau, dass am 1. Februar die Brutsaison im Nationalpark beginnt. Zum Schutz der Wanderfalken, Uhus und anderer Tiere darf dann beispielsweise nicht mehr gebooft, also im Freien unter den Felsen übernachtet, werden. Aber genauso wenig sind dann größere Arbeiten im Wald gestattet. Sollte denn eine derartige Empfehlung aus der Expertenkommission kommen, käme sie womöglich zu spät, um noch vor dem Sommer reagieren zu können.
Unverständnis über Konzept der zugefallenen Wege
Dass Landrat Geisler jetzt ungeachtet der drängenden Termine auch die (Wieder-)Öffnung eines durchgehend grenzüberschreitenden Wanderweges auf die Agenda bringt, der im Katastrophenfall auch die Arbeiten der Feuerwehr erheblich erleichtern könnte, findet Uwe Daniel gut und fügt an: "Das hat bei uns und bei der Bergwacht auch für viel Unverständnis gesorgt, dass Einsatzkräfte im Sommer zugefallene Wege freisägen mussten unter enormem Zeitdruck - und dass diese Wege hinterher wieder zugefällt werden, bloß weil sie als Wanderwege schon aus den Karten radiert worden sind - das ist nicht nachvollziehbar!“ (Anm.d.A.: "zugefällt" meint: Es wurden wieder Baumstämme als Barrieren auf und in die Wege gelegt)
"Völlig unnötig in der jetzigen Situation", nennt Uwe Daniel solche Aktionen. Weil sie genau das befördern, was beispielsweise auch Dr. Reinhard Wobst beklagt, begeisterter Bergsteiger und ehrenamtlicher Mitarbeiter in der "Sächsischen Schweiz Initiative" (SSI), die sich seit vielen Jahren in ihren Publikationen mit Naturschutzthemen rund um den Nationalpark genauso befasst wie mit den lästigen Tiefflügen der Bundeswehr überm Elbtal oder mit historischen Aspekten der Kulturlandschaft in der Sächsischen Schweiz.
Bereits 2021 Forderung nach Brandschutzkonzept
Als ich mit Reinhard Wobst die abgebrannten Bäume in den Richterschlüchten begutachte, müssen wir beide daran denken, welche Reaktionen eine Aussage von ihm hervorgerufen hatte, die wir im Sommer 2021 - also ein Jahr VOR den Waldbränden - im MDR-Bergsportmagazin BIWAK ausgestrahlt hatten: "Hier müssen Brandschutzkonzepte für den Wald her. Sonst kann ich den Leuten in Schmilka nur empfehlen, schon mal einen Notkoffer bereit zu stellen - falls evakuiert werden muss." Wir sollten doch den Teufel nicht an die Wand malen, haben uns damals viele gesagt.
Ein Nationalpark - verschiedene Interessen
Jetzt war der Teufel da. Und er hat ein Pulverfass gezündet, in dem es schon lange vor den Waldbränden im Juli 2022 rumort hat: "Es ist zwischen den verschiedenen Interessengruppen hier im Nationalpark in Bezug auf Wege, auf Sperrungen oder Waldumbau viel zu oft mit falschen Karten gespielt und getrickst worden", blickt Wobst auf die vergangenen 30 Jahre zurück. "Da ist viel Misstrauen gewachsen und viel Frust. Und das fliegt uns jetzt wieder um die Ohren in der Debatte um die Zukunftsgestaltung..."
Genug gewandert für heute hier im Heimatgebirge, der Text will ja noch fertig geschrieben werden. Ein vorerst letzter Blick in die Runde von der Kipphornaussicht hinunter aufs Elbtal und aufs heimatliche Reich der Tafelberge, über dessen Zukunft dieser Tage intensiv geredet und gerungen wird. Ich denke an das Treffen mit Innenminister Schuster zurück, der mir gesagt hat: "Diesen vermeintlichen Widerstreit zwischen Bevölkerungsschutz und Naturschutz, den sehe ich gar nicht. Das ist vereinbar, wenn beide Seiten nicht fundamental sind und ideologisch verfestigt in ihren Gräben sitzen."
Ich werde, so beschließe ich, die kleine Winzlings-Birke auf der verbrannten Erde am Frienstein immer mal wieder besuchen und schauen, wie sie durch den Winter kommt. Dass im Nationalpark Sächsische Schweiz die Bäume nicht über Nacht in den Himmel wachsen, das weiß ich. Das wissen viele. Vielleicht können die sich ja alle doch gemeinsam dazu durchringen, in den kommenden Wochen und Monaten mit einer Politik der kleinen Schritte gemeinsam genauso voranzukommen, wie die kleine Birke größer wird. Damit die eine Chance bekommt, nicht nur den Winter, sondern auch den nächsten Sommer zu überleben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 13. Januar 2023 | 19:00 Uhr
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