"Dresden – Los Angeles" Hollywoods legendäres Fotogeschäft: Nachlass kehrt nach Dresden zurück
Hauptinhalt
20. Juni 2024, 13:08 Uhr
Nach rund 85 Jahren kehren wertvolle Dokumente, Fotografien, persönliche Erinnerungsstücke und originale Filme des Unternehmers Benno B. Thorsch nach Dresden zurück. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung war er 1938 gezwungen, seine Firma Kamera-Werkstätten Guthe & Thorsch aufzugeben und Deutschland zu verlassen. In Los Angeles bauten er und sein Sohn Bernward sich eine neue Existenz auf. Ihren Nachlass hat die Familie jetzt als Schenkung den Dresdner Technischen Sammlungen überlassen.
- Der Unternehmer Benno B. Thorsch hat 1919 die Dresdner Kamera-Werkstätten mitgegründet.
- Von den Nationalsozialisten zur Auswanderung gezwungen, übernahm Thorsch 1938 ein Geschäft in Detroit; später eröffnete er mit seinem Sohn das Studio City Camera Exchange nahe Hollywood.
- Sein nun zurückgekehrter Nachlass schließt eine Lücke in der Dresdner Geschichte der Fotografie.
Einst war Dresden der Dreh- und Angelpunkt der deutschen Fotoindustrie. Hier wurde 1936 die welterste Kleinbild-Spiegelreflexkamera von der Firma Ihagee auf den Markt gebracht und die Marke "Praktica" ist sicher vielen ein Begriff. Entwickelt wurde ihr Vorläufer, die "Praktiflex", in den Kamera-Werkstätten Guthe & Thorsch in Dresden von Benno B. Thorsch.
Eine Erfolgsstory, die ein jähes Ende fand, denn der Kameraexperte, der aus einer jüdischen Familie stammte, war 1938 gezwungen, seine florierende Firma aufzugeben und Deutschland zusammen mit seinen beiden Kindern zu verlassen.
Von Dresden in die USA
Benno B. Thorsch hatte eine Annonce des deutschstämmigen Charles Noble aus Detroit in einer Zeitung gefunden, der zurück nach Deutschland und deshalb seine Firma tauschen wollte. In den USA angekommen, folgte das böse Erwachen: Was Benno Thorsch in Dresden aufgegeben hatte, war eine mittelständische Firma mit 90 Angestellten – nicht zu vergleichen mit der so genannten Kopieranstalt in Detroit, in der 15 Menschen arbeiteten.
Nur wenige Habseligkeiten konnte die Familie damals mitnehmen, mit der Schenkung jetzt an die Technischen Sammlungen kehren sie nach Dresden zurück: Dokumente, Fotografien, aber auch zahlreiche Zeugnisse des Wiederbeginns und des Erfolgs in den USA.
Steven Spielberg war Stammgast bei den Thorschs
Es ist die erstaunliche Geschichte eines erfolgreichen Neustarts in der Neuen Welt. Sie ist vor allem mit dem Sohn, Bernward Thorsch, verknüpft. Noch in Deutschland hatte er seine Fotomechanikerlehre abgeschlossen und gründete 1944 in Los Angeles das Spezialgeschäft Studio City Camera Exchange.
Das Geschäft lag ganz in der Nähe der großen Filmstudios von Hollywood. Die Stars wohnten um die Ecke und kamen deshalb oft in den Laden. Einer von ihnen war Steven Spielberg. Der, so erinnert sich Jennifer Thorsch, die Tochter von Bernward, habe hier als Teenager seine erste Kamera gekauft und sei danach noch viele Jahre Kunde bei ihrem Vater gewesen. Bis 2006 führte Bernward Thorsch das Geschäft, bevor er es nach 62 Jahren schloss.
Nachlass vervollständigt Dresdner Fotografiegeschichte
Es ist vor allem Bernward Thorsch zu verdanken, dass der Familiennachlass jetzt nach Dresden zurückgekehrt ist. Er kehrte 2010 anlässlich seines 90. Geburtstags erstmals wieder in seine Geburtsstadt zurück und besuchte unter anderem die Technischen Sammlungen. Es kam zu einem Treffen mit dem Museumsleiter Roland Schwarz und dem Kustos Andreas Krase, der kurz darauf zu der Familie nach Santa Barbara flog, um sich ihr Archiv anzusehen.
Damals nahm der Fotografie-Spezialist lediglich einen Bruchteil der Dokumente und Erinnerungsstücke mit und kuratierte daraus eine Ausstellung zur Firmengeschichte der Kamera-Werkstätten Guthe & Thorsch. Bernward Thorsch, der 2015 verstorben ist, konnte ihre Eröffnung damals persönlich miterleben.
Wir wussten von der Existenz und Bedeutung der Kamera-Werkstätten Guthe & Thorsch gerade auch für die Geschichte der Dresdner Fotoindustrie nach 1945. Doch fehlten entscheidende Informationen, bedingt durch die Emigration des Unternehmers und seiner Familie, die erst zu einem Zeitpunkt zugänglich wurden, als niemand mehr damit rechnete.
Mit der Schenkung jetzt wird die Lücke in der Geschichte der Dresdner Fotoindustrie endgültig geschlossen. Gleichzeitig bereichert sie die Sammlung mit originalem Filmmaterial. Die Thorschs hatten nach der Schließung des Ladens unzählige 16mm-Filmrollen gefunden und ließen sie digitalisieren. Es waren Aufnahmen von Benno B. Thorsch, auf denen er beispielsweise Szenen aus dem Familienleben in den 1930er-Jahren, aber auch Aufmärsche nationalsozialistischer Verbände in Dresden dokumentiert hatte.
Derzeit sind all diese wertvollen Exponate in der Ausstellung "Dresden – Los Angeles" in den Technischen Sammlungen zu sehen. Sie erzählt vom Schicksal der Unternehmerfamilie Thorsch – von Vertreibung, Emigration und Neuanfang und auch von einer Heimkehr nach Dresden.
Weiterführende Informationen zu Ausstellung
"Dresden – Los Angeles. Von den Kamera Werkstätten zum Studio City Camera Exchange"
20. Juni bis 11. August 2024
Technische Sammlungen Dresden
Junghansstraße 1-3 | 01277 Dresden
Öffnungszeiten:
Di. bis Fr. 9 bis 17 Uhr
Sa., So., Feiertag 10 bis 18 Uhr
Eintritt:
Erwachsene 5 Euro
Ermäßigte 4 Euro
Kinder unter 7 Jahren frei
Jeden Freitag (außer feiertags) ab 12 Uhr freier Eintritt in alle Dresdner Städtischen Museen und Galerien
Redaktionelle Bearbeitung: tmk
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 22. Juni 2024 | 08:45 Uhr