Nähworkshop
In der Nähwerkstatt im Japanischen Palais können sich Interessierte selbst ein passendes Kleidungsstück für die Stadtwette zwischen Dresden und Greifswald nähen. Bildrechte: MDR/Adam Beyer

Nähworkshop Näht! Die Wette gilt: In 90 Minuten das perfekte Accessoire für die Stadtwette Dresden-Greifswald

17. August 2024, 08:00 Uhr

Dresden und Greifswald haben zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich eine besondere Wette geplant: Welche Stadt bringt mehr Menschen zusammen, die sich wie zu Zeiten des Malers anziehen? Damit die passenden Accessoires und Kleider auch vorhanden sind, bieten die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden mehrere Nähworkshops an. Reporterin Anett Linke ist für MDR SACHSEN in die Nähstube gegangen.

Im Atelier des Japanischen Palais wartet Kursleiterin Katrin Havekost bereits auf mich und ein Dutzend Teilnehmerinnen der Nähwerkstatt der "Fair Fashion Factory". Wir wollen ein Kleidungsstück oder Accessoire herstellen, das gleich mehre Zwecke erfüllen soll: Es soll in die Zeit der Romantik passen und Dresden helfen, die Stadtwette gegen Greifswald zu gewinnen. Ich habe nur ein undeutliches Bild im Kopf, wie so etwas aussehen könnte. Vielleicht etwas mit Rüschen? Oder eine schöne Kopfbedeckung?

Eine Frau hält roten Stoff in der Hand. 1 min
Bildrechte: MDR/Adam Beyer
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Fr 16.08.2024 15:37Uhr 01:06 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/video-caspar-david-friedrich-stadtwette-naehen-workshop-100.html

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Schneiderin Katrin Havekost hat zur Ansicht drei Schneiderpuppen mit Beispielen aufgebaut: Ballonmützen, eine Pellerine (also eine Art Umhang), mehrlagige Rüschenkragen. Ein Puppenkopf trägt das, was sofort zum Objekt meiner Begierde wird: eine Schute. Diese typische Kopfbedeckung für Damen ist laut Havekost relativ einfach herzustellen. Das trifft ihrer Meinung nach auch auf die anderen Stücke zu. Die Schnitte seien einfach und für jedermann machbar.

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Die gerüschten Kragen sind typisch für die Zeit der Romantik. Bildrechte: MDR/Adam Beyer

Was ist die "Fair Fashion Factory"? (zum Ausklappen)

  • Um alte Kleidung und abgelegte Stoffe mit gezielten Handgriffen wieder zum Leben zu erwecken, gibt es die "Fair Fashion Factory"-Nähwerkstatt im Japanischen Palais.
  • Mit der Meisterschneiderin Katrin Havekost gibt es dort eine professionelle Nähbegleiterin, die ihr handwerkliches Wissen weitergibt. - So kann Selbstmitgebrachtes umgenäht, repariert und upgestylt werden.

Tipps für Romantik-Klamotten aus dem Kleiderschrank

"Wer nichts nähen möchte, könnte auch einfach einen langen Rock tragen, wie sie gerade in sind", sagt Havekost. "Vielleicht nicht ganz so bunt, sondern eher einfarbig." Kombiniert mit einer reingesteckten Tunikabluse würde das schon gut zur Stadtwette passen. "Bei Männern zählt zum Beispiel ein Backenbart oder Zylinder."

Alle Frauen des Kurses hören interessiert zu. Zuerst müssen sich nun alle für ein Modell entscheiden. Mein Wunschobjekt, die Schute, ist auch bei den anderen der große Renner. Zuerst müssen wir das Schnittmuster auf Papier pausen und dann ausschneiden. Während ich darauf warte, dass ich dran bin, plaudere ich mit der Dresdnerin Regina Schwittay.

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Regina Schwittay liebt es historische Kleidung zu nähen und hofft, dass Dresden die Stadtwette gewinnen wird. Bildrechte: MDR/Adam Beyer

Selbstgenähtes vom Bikini bis zum Brautkleid

"Ich bin als Kind notgedrungen zum Nähen gekommen, weil wir uns nicht viel kaufen konnten", erzählt sie. "Ich habe mir vom Bikini bis zum Brautkleid alles selbst genäht." Außerdem war sie lange Zeit in einer Gruppe, die barocke Tänze aufführt. Dafür hat sie sich Kleider selbst genäht.

Heute kopiert sie sich das Schnittmuster für eine Pellerine und eine Schute. Den Rest hat sie durch ihre selbst genähte Barockkleidung schon parat. "Ich habe geschaut, was passen könnte und da in meinem Rock altrosa ist, werde ich mir eine passende Schute nähen." Beim Rock wolle sie den bauschigen Unterrock weglassen und ihn an der Taille hochkrempeln. "Dann hat er die richtige Länge und passt einigermaßen in die Zeit."

Schwittay wünscht sich sehr, dass ihre Heimatstadt Dresden die Stadtwette gewinnt. "Ich fände es ganz toll, wenn Caspar David Friedrich seine Fußabdrücke in Dresden nicht nur mit seinen Bildern hinterlassen hat, sondern dass die Stadt das aufnimmt und die Leute mitgehen", sagt sie begeistert. "Das ist gelebte und geliebte Heimatverbundenheit."

Auffallen um jeden Preis

Nachdem ich mein Schnittmuster fertig habe, muss ich den Stoff auswählen. Einen weißen Baumwollstoff mit eingearbeiteter Blumenstickerei, den ich zuerst im Auge hatte, gebe ich schnell auf. Denn: Alle anderen wollen auch genau diesen Stoff nutzen. Weiß ist vielleicht historisch korrekt, aber wer sagt denn, dass das unbedingt so sein muss? Schneidermeisterin Havekost bestärkt mich darin, Mut zur Farbe zu haben und die Schute modern zu interpretieren.

Gemeinsam suchen wir einen knallroten Stoff aus. Weil der sehr weich und rutschig ist, muss ich nun zuerst einen verstärkenden Fließstoff aufbügeln. Na toll, schon bereue ich meine Stoffauswahl. Bügeln ist eine Tätigkeit, die ich normalerweise strikt vermeide. Doch was sein muss, muss sein.

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Katrin Havekost steht den Kursteilnehmerinnen mit Rat und Tat zur Seite. Bildrechte: MDR/Adam Beyer

Nähen am Limit: Die Uhr tickt

Als nächstes stecke ich meine Schnittmuster auf dem verstärkten Stoff fest und schneide dann das Kopf- und das Haubenteil aus. Doch dann bemerke ich meinen Fehler: Ich brauche ja beide Teile zweimal, habe aber nicht genug Stoff verstärkt. Ganz toll. Ob ich es wirklich schaffe, eine Schute fertigzustellen in der kurzen Zeit? Ich stehe also ein weiteres Mal am Bügelbrett. Ein Blick auf die Uhr lässt mir den Schweiß ausbrechen: Ich muss noch gefühlte hundert Handgriffe erledigen, habe aber nur noch 25 Minuten Zeit.

Die Spitze, die ich zur Zierde annähen will, hat mir Havekost zum Glück schon bei der Schau-Vorführung in Falten gelegt und genäht. Als endlich alle Teile zugeschnitten sind, schwinge ich mich an eine der Nähmaschinen im Raum. Ich habe noch rund zehn Minuten Zeit.

Die erste Naht kann ich problemlos nähen. Allerdings stand ich bei der Einweisung an die Industrienähmaschine am Bügelbrett und habe den entscheidenden Kniff nicht mitbekommen, wie ich das Pedal dazu bringe, die Nadel wieder in die korrekte Ausgangsposition zu befördern. Und dann rutscht noch der Faden aus der Nadel und ich muss mit zitternder Hand wieder neu einfädeln. Die Uhr tickt.

Ein Frauenkopf mit einer riten Haube mit weißen Rüschen und einer gelben Schleife um den Hals
So sieht die fertige Schute aus, nachdem Katrin Havekost die letzten Arbeitsschritte erledigt hat. Bildrechte: Katrin Havekost

Fertigstellung mit Hindernissen

Ich nähe eine weitere Naht. Aber nein! Ich nähe zwar, doch der Faden wird nicht befestigt. "Da ist wohl der Unterfaden alle", lacht Katrin Havekost. Ich lache nicht, denn mein Nähprojekt endet, bevor es richtig begonnen hat: Inzwischen sind die 90 Minuten um und das Museum schließt. Keine Chance also eine Zeitverlängerung zu bekommen. Auch die anderen Teilnehmerinnen sind nicht fertig geworden und werden zum nächsten Termin eingeladen. Manche wollen ihr Projekt auch Zuhause beenden.

Etwas erschöpft und auch enttäuscht verlasse ich das Museum. Zu gern hätte ich eine fertige Schute mit nach Hause genommen. Aber 90 Minuten, um von Erklärung über Schnittmustererstellung und Stoffauswahl bis zum fertigen Produkt zu gelangen, waren dann doch zu kurz.

Loslassen für den guten Zweck

Doch Katrin Havekost möchte mich so nicht gehen lassen und verspricht mir, meine Schute am nächsten Morgen fertigzunähen. Für jeden könne sie das nicht machen, aber weil ich nicht in Dresden wohne, macht sie eine Ausnahme. Das wiederum hört eine Mitarbeiterin des Museums und blickt begeistert auf meinen Haubenrohling. "Das Rot ist genau meine Lieblingsfarbe", sagt die Frau begeistert. Ja, meine auch, denke ich. Doch dann gebe ich mir einen Ruck. Soll sie die Haube kriegen. Aber sie muss mir versprechen, damit zur Stadtwette zu gehen.

Das Rot ist genau meine Lieblingsfarbe.

Museumsmitarbeiterin Dresden

Ohne Accesssoire fahre ich Richtung Chemnitz und denke: Was soll's: Ich kenne jetzt alle Schritte, weiß wo die Tücken lauern und kann mir in Ruhe Zuhause an der eigenen Nähmaschine eine Haube nähen. Wozu ich außerhalb der Stadtwette so ein Teil noch gebrauchen könnte, weiß ich nicht genau, aber für Notfälle hätte ich dann eine im Schrank.

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