Gegen Fachkräftemangel Gänsehaut, Teamgeist und Nervenkitzel: brandheiße Jobs bei der Feuerwehr

27. Juni 2023, 05:00 Uhr

Leben retten, mit lautem Tatütata zum nächsten Einsatz, ein lichterloh brennendes Haus löschen, vollgelaufene Keller nach Starkregen auspumpen oder im Drehleiterkorb eine Katze vom Baum holen: bei Feuerwehr denken viele zuerst an mehr oder weniger spektakuläre Szenen. Doch wie sieht der Alltag auf der Wache zwischen den Einsätzen aus? Die Dresdner Berufsfeuerwehr hat für MDR SACHSEN die Türen der "Alten Feuerwache" in der Strehlener Straße geöffnet und erzählt, worauf es im Job ankommt.

Traumberuf Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau? Mit einer bundesweiten Social-Media-Kampagne sucht auch die Dresdner Berufsfeuerwehr in dieser Woche gezielt Nachwuchs, berichtet Feuerwehrsprecher Michae Klahre MDR SACHSEN. Zwar habe in Dresden entgegen dem bundesweiten Trend die Zahl der Bewerbungen in den vergangenen Jahren nicht abgenommen, dafür aber die Qualität der Fähig- und Fertigkeiten derer, die sich bewerben, so Klahre. Mit der Kampagne soll aufgeklärt werden, was ein Job bei der Feuerwehr bedeutet.

Zwischen den Einsätzen: kochen, kickern, lernen

Für MDR SACHSEN hat die Feuerwehr die Türen der "Alten Wache" geöffnet. Ein herzlicher Empfang. In der unteren Etage tappeln kleine aufgeregte Füße im sogenannten Brandschutzerziehungszentrum herum. Eine Vorschulgruppe lernt hier gerade von einem Feuerwehrmann mit Interesse für Pädagogik, was im Brandfall zu tun ist. Die Kinder üben an einem kleinem Holzfenster, laut um Hilfe zu rufen und erfahren auch, wie die Feuerwehr arbeitet. Eine Etage weiter oben hackt Thomas Kraft gerade Petersilie. Der 52 Jahre alte Gruppenführer hat heute Innendienst und ist damit für das Mittagessen zuständig. Extra Küchenpersonal gibt es nicht.

Es gibt Hähnchengeschnetzeltes mit Reis. "Für mich ist Kochen eine Leidenschaft", sagt der Feuerwehrmann und erzählt lachend von den Missgeschicken seiner Kollegen, bei denen das nicht der Fall ist: "Am besten sind die, die eh nicht gern kochen und dann noch Experimente machen". Doch auch wenn mal was schief geht, werde "aus Solidarität trotzdem gegessen" - immer pünktlich um halb zwölf, falls kein Einsatz ist. Am Nachmittag stehen Teamsportarten wie Fußball- oder Hockeyspielen auf dem Dienstplan oder Training im Kraftraum. Auch Kurzweiterbildungen zur Gerätekunde oder zu den Abläufen stehen täglich an, damit im Ernstfall alle auf dem aktuellen Stand sind.

Fitness ist Grundvoraussetzung

Wer Kindheit und Jugend eher als Couchpotato im Gamingsessel oder auf dem Fernsehsofa verbringt und Sport nur von den wenigen Stunden aus der Schule kennt, hat kaum Chancen auf die Beamtenlaufbahn bei der Feuerwehr: "Insbesondere die fehlende körperliche Fitness ist ein Problem. Viele schaffen den Sporttest im Aufnahmeverfahren nicht." Videos, Infomaterialien und aktuelle Stellenausschreibungen der Feuerwehr sollen daher über Zugangsvoraussetzungen sowie das Auswahlverfahren aufklären.

Bei der Feuerwehr ist es total abwechslungsreich, kein Tag gleicht dem anderen. Und das familiäre Umfeld mit dem Team gefällt mir richtig gut.

Maike Hübler Feuerwehrfrau in Ausbildung

Maike Hübler hat den Sporttest bestanden und im Auswahlverfahren überzeugt. Seit zwei Jahren absolviert sie eine Ausbildung bei der Feuerwehr. Die 28-Jährige ist eigentlich bei der Feuerwehr in Erfurt eingesetzt, macht derzeit aber in Dresden ein dreimonatiges Praktikum. Vorher hat sie Gefahrenabwehr studiert. Ihre Motivation: "Ich wollte etwas gesellschaftlich Relevantes machen, etwas mit Mehrwert. In einem Konzern angestellt zu sein, konnte ich mir nicht vorstellen." Schon ihr Vater war bei der Feuerwehr. Seine Begeisterung war ansteckend: "Bei der Feuerwehr ist es total abwechslungsreich, kein Tag gleicht dem anderen." Ihre Augen leuchten. Die anderen Kollegen und die Kollegin neben ihr nicken zustimmend.

Nichts für Eigenbrötler oder Einzelgängerinnen

"Feuerwehrleute sind auf alle Fälle aus einem anderen Holz geschnitzt. Hier herrscht auch mal ein rauerer Ton, mit dem man besser klarkommen muss, als in anderen Berufen," erzählt Oberbrandmeisterin Liane Fritzsche, die neben Maike Hübler bei sommerlichen Temperaturen auf der Bank mit den anderen Feuerwehrkollegen sitzt. Gleichzeitig gehe es auf der Wache sehr familiär und kameradschaftlich zu. Auch findet sie, dass sich die Arbeitszeiten recht gut mit der Familie kombinieren lassen: "24 Stunden Dienst, 48 Stunden Freizeit - da bleibt wirklich viel Zeit für einen selbst und das, was einem wichtig ist." Liane Fritzsche ist Mutter eines zweieinhalbjährigen Sohnes. Auch viele ihrer männlichen Kollegen haben Kinder.

Gegenwärtig sind knapp 900 Menschen bei der Berufsfeuerwehr Dresden beschäftigt, davon etwa 100 Auszubildende. "Wir bilden jedes Jahr 24 Brandmeisteranwärter und 15 Notfallsanitäter aus. Dazu kommen Brandoberinspektoranwärter sowie Aufstiegsbeamte von der Laufbahngruppe 1 in die Laufbahngruppe 2, die sich jedoch im einstelligen Bereich bewegen."

Für viele ist der Job bei der Feuerwehr Berufung, auch für Feuerwehrsprecher Michael Klahre: "Einerseits ist da die Gewissheit, anderen Menschen helfen zu können und einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Andererseits ist da auch jede Menge Nervenkitzel dabei: Man kommt morgens zum Dienst, kennt seine Aufgabe, aber man weiß überhaupt nicht, was einen in den kommenden 24 Stunden erwartet." Was vielen auch nicht bewusst sei: 80 Prozent der Einsätze bei der Feuerwehr seien Rettungsdiensteinsätze, Feuerlöscharbeiten machten den kleinsten Teil aus. Die Ausbildung als Notfallsanitäter oder Notfallsanitäterin gehöre daher auch zum Repertoire der Feuerwehr.

Da ist auch jede Menge Nervenkitzel dabei: Man kommt morgens zum Dienst, kennt seine Aufgabe zwar, aber man weiß überhaupt nicht, was einen in den kommenden 24 Stunden erwartet.

Michael Klahre Sprecher der Berufsfeuerwehr Dresden

Es könne sein, dass so ein Dienst vollkommen ruhig abläuft, erzählt Michael Klahre. "Aber es kann auch sein, dass man von einer Sekunde auf die andere zu einer Einsatzlage alarmiert wird, wo einem unfassbares menschliches Leid gegenübersteht und man in Sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen muss, die vielleicht über Leben und Tod entscheiden."

Auf die Plätze, fertig, los!

Wer zur Feuerwehr will, muss sportlich und fit sein - egal ob Mann oder Frau. Während im Schulsport bereits ab der Grundschule unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe für Jungen und Mädchen gelten, gibt es bei der Feuerwehr keine Erleichterungen für Frauen, anders übrigens als bei der Polizei, erzählt Oberbrandmeisterin Liane Fritzsche. Die 35-Jährige findet das vollkommen okay: "Im Einsatz müssen alle die gleiche Leistung bringen."

Zu den Disziplinen im Aufnahme-Sporttest gehören unter anderem 200 Meter schwimmen, Streckentauchen und ein 3.000 Meter-Lauf. Außerdem werden Kraft, Ausdauer und Kondition mit Liegestützen, Wechselsprüngen und Drehleitersteigen getestet.

Voraussetzungen für einen Job bei der Feuerwehr - Maximal 32 Jahre alt am Tag der Einstellung
- Körpergröße mindestens 1,65 m
- Führerschein Klasse B
- Deutsches Schwimmabzeichen "Bronze"
- Deutsches Sportabzeichen
- Kein Übergewicht
- Ausreichendes Sehvermögen

- Als "Brandmeister" sind mindestens ein Hauptschulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein Realschulabschluss notwendig.
- Als Brandoberinspektor ist ein abgeschlossenes Studium Pflicht.

"Keine Feuerwehr ohne Frauen"

Der Frauenanteil bei der Dresdner Feuerwehr liegt bei etwa zehn Prozent, schätzt Michael Klahre. "Das ist nicht schlecht, aber es könnte natürlich noch mehr sein. Denn eine Feuerwehr ohne Frauen ist heute nicht mehr vorstellbar." Doch für viele seien die Sporttests im Auswahlverfahren die größte Hürde, Abstriche könnten hier jedoch nicht gemacht werden, das wäre fahrlässig: "Wenn man sich die Ausrüstung anschaut, die benötigt wird, wenn man in einen Einsatz reingeht, dann muss man schon gut trainiert sein."

Auch die Vorstellungskraft könnte Frauen abhalten, sich zu bewerben, überlegt Maike Hübler. Wenn sie von ihrer Ausbildung und ihren Berufszielen erzählt, nimmt sie oft eine Mischung aus Respekt und Verwunderung wahr: "Ich höre gerade von Frauen: 'Wow, du bist bei der Feuerwehr!? Da wäre ich von selber nicht drauf gekommen.' Das liegt wahrscheinlich daran, dass es im gesellschaftlichen Bild ein männerdominierter Beruf ist und viele sich da erstmal gar nicht so die Gedanken machen, diesen Weg einzuschlagen."

Von null auf 100 in einer Minute

Außerdem müssen Feuerwehrleute innerhalb weniger Sekunden vom Ruhemodus auf hundertprozentige Einsatzbereitschaft umschalten können. Wenn die Sirene schrillt, lässt der Küchendienst das Messer fallen und alle, die eben noch auf der Terrasse geplaudert haben, im Kraftraum trainierten oder sich mit lockeren Sprüchen übertrumpften, eilen routiniert zur Rutschstange. Sie sausen im Sekundenbruchteil zu den Uniformen in der Fahrzeughalle. In 60 Sekunden sind alle einsatzbereit. Eine Brandmeldeanlage in einem Hotel hat Alarm geschlagen.

Die Gefahr fährt immer mit

"Bei der Feuerwehr ist Teamgeist sehr wichtig. Viele Situationen erfordern blindes Verstehen und Vertrauen zu den Kameradinnen und Kameraden. Dieses Vertrauen, wenn man in eine brennende Wohnung geht und den anderen sein Leben anvertraut, damit man da gemeinsam auch lebend wieder rauskommt. Das schweißt so stark zusammen, wie kaum in einem anderen Berufsfeld." Besonders im Lichte der Ereignisse im nordrhein-westfälischem St. Augustin, wo vor einigen Tagen zwei Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr bei einem Einsatz ums Leben gekommen sind, sei das auch den Kameraden und Kameradinnen in Dresden wieder schmerzlich vor Augen geführt worden, wie gefährlich dieser Beruf sei. "Vertrauen, eine sehr gute Ausbildung und das Arbeiten im Team sind von ganz wichtiger Bedeutung", so Klahre.

Beim Einsatz an diesem Tag - wegen der Hotelbrandanlage - sind alle Ausgerückten nach kurzer Zeit wieder auf der Wache zurück: "Wir waren als zweiter Löschzug angefordert und wurden dann doch nicht gebraucht", so Maike Hübler. Diesmal nicht. Doch wenn die Sirene beim nächsten Mal schrillt, könnte es anders sein.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten aus dem Regionalstudio Dresden | 26. Juni 2023 | 07:30 Uhr

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