Angeklagte sitzt neben ihrem Anwalt im Gerichtssaal.
Während der Corona-Pandemie 2021 und 2022 soll die Angeklagte an fünf Sammelterminen im ganzen Bundesgebiet auf Bestellung Atteste ausgestellt haben, die vom Tragen der Schutzmaske, von der Impfpflicht oder Schnelltests befreiten. (Archivbild) Bildrechte: xcitepress/Finn Becker

Landgericht Dresden Tumulte im Gericht: Haftstrafe und Berufsverbot für Ärztin wegen falscher Corona-Atteste

17. Juni 2024, 14:45 Uhr

Eine Hausärztin aus Sachsen soll während der Corona-Pandemie mehr als 1.000 falsche Atteste ausgestellt und 47.000 Euro dafür kassiert haben. Sie selbst will sich angeblich nicht bereichert haben. Der Richter des Landgerichts Dresden hat am Montag das Urteil gesprochen. Fans der Ärztin ließen ihn nicht ausreden.

Im Prozess um gefälschte Corona-Atteste ist eine Ärztin aus Moritzburg zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Zudem erhielt die Frau drei Jahre Berufsverbot und muss rund 47.000 Euro zahlen - die Summe soll sie mit gefälschten Attesten eingenommen haben. Die Richter am Dresdner Landgericht sahen es als erwiesen an, dass die 67-Jährige falsche Gesundheitszeugnisse gewerbsmäßig ausgestellt hat. Zudem habe sie gegen das Waffengesetz verstoßen. Bei einer Razzia war ein nicht angemeldeter Elektroschocker gefunden worden. Nach dem Urteil kam die 67-Jährige vorerst auf freien Fuß.

Warum die Verurteilte nicht gleich ins Gefängnis geht

  • Die Medizinerin saß seit Februar 2023 in Untersuchungshaft. Unter strengen Auflagen wurde sie nach dem Urteil erst einmal entlassen, der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt.
  • Ein weiterer Verbleib in U-Haft sei unverhältnismäßig, sagte der zuständige Richter dazu.
  • Die Kammer sieht weiterhin Fluchtgefahr und daher auch einen Haftgrund. Es sei nicht auszuschließen, dass Bianca W. untertauche.
  • Nun muss sie sich jeden Dienstag bei der Polizei melden - andernfalls drohe wieder Haftbefehl.

Die Ärztin wird der Reichsbürgerszene zugeordnet. Laut Staatsanwaltschaft habe sie sich als Angehörige des "Indigenen Volkes der Germaniten" bezeichnet. Die Hausärztin Bianca W. habe während der Corona-Pandemie Patientinnen und Patienten pauschal bescheinigt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen keinen Mund-Nasenschutz tragen können oder nicht geimpft werden dürfen. Dafür habe sie Geld kassiert.

Verhandlungssaal muss geräumt werden

Proteste und Zwischenrufe von Sympathisanten aus dem sogenannten Querdenker-Milieu hatten den Prozess seit November 2023 begleitet. Die Tumulte an diesem Montag begannen, als der Richter das Strafmaß genannt hatte und die Namen der Patienten vorlas, die ein Corona-Attest bekommen sollten, es aber offenbar nicht abgeholt hatten. Die mehr als 100 Sympathisantinnen und Sympathisanten begannen lautstark die deutsche Nationalhymne zu singen. Nach weiteren Tumulten ließ der Vorsitzende Richter den Saal räumen.

Massentermine mit hunderten Menschen

Nach etwa eineinhalb Unterbrechung ging die Urteilsbegründung weiter - mit deutlich weniger Zuschauern in Saal. Das Gericht begründete die Haftstrafe so: Für die Gefälligkeitsatteste habe sich die Ärztin "ordentlich bezahlen lassen" - für eine faktische Nichtleistung pro Attest zwischen 25 und 50 Euro. Die Ärztin sei von Herbst 2021 an durch die Bundesrepublik gefahren, habe bei mehr als 40 Terminen mit zum Teil mehr als 250 Menschen falsche Atteste ausgestellt. In einigen Fällen seien Familien im Zehn-Minuten-Takt durchgeschleust worden. Die von der Angeklagten ohne eine vorherige Untersuchung ausgestellten Gesundheitszeugnisse seien gefälscht, so das Gericht.

Mehr als 47.000 Euro für Gefälligkeits-Atteste

Die Ärztin habe ihren Beruf missbraucht, gegen Regeln verstoßen und mit ihrem Verhalten dem Ansehen der Ärzteschaft nicht weitergeholfen. Zudem habe sie die Grundregeln der medizinischen Maßnahmen nicht beachtet. Jeder Arzt und jede Ärztin wisse, dass ohne Befund kein Attest ausgestellt werden könne. Ein ärztliches Gesundheitszeugnis habe einen hohen Wert, aber dies sei von der Angeklagten nicht beachtet worden.

Der Richter erinnerte in der Begründung des Urteils an die Unsicherheiten während der Corona-Pandemie. "Wir haben eine Pandemiezeit hinter uns gebracht, in der viele nicht wussten, wie es weitergeht", sagte er. Das Gesundheitssystem sei überlastet gewesen, viele Menschen seien schwer erkrankt und sogar gestorben.

Wir hatten eine Epidemie, die vergleichbar war mit der Cholera des 19. Jahrhunderts.

Jürgen Scheuring Vorsitzender Richter im Landgericht Dresden

Überzeugungstäterin - trotz Warnungen der Landesärztekammer

Die Angeklagte habe ihre Tätigkeit trotz Gesetzesverschärfung 2021 und deutlicher Warnungen durch die Landesärztekammer Sachsen fortgesetzt, hatte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer vorletzte Woche betont. Er verlangte auch ein Berufsverbot von vier Jahren und die Einziehung der fünfstelligen Taterträge. Aus Sicht der Anklage war "zweifelsfrei" erwiesen, dass sie aus Überzeugung gegen die staatlichen Schutzmaßnahmen in der Pandemie gehandelt habe, mit hoher krimineller Energie, so der Staatsanwalt.

Angeklagte ist sich "keiner Schuld bewusst"

Die Verteidigung hingegen hatte vorige Woche Freispruch für die Angeklagte verlangt. Sie habe "nach bestem Wissen und Gewissen" und zum Wohle ihrer Patienten gehandelt, sagte die 67-Jährige am vorletzten Gerichtstag. Ihrer Meinung nach seien Schutzmasken schädlich für den menschlichen Organismus. PCR-Tests und die Corona-Schutzimpfung nannte sie "Gift". Sie habe ihre Patienten nur schützen wollen und sei sich keiner Schuld bewusst. Außerdem habe sie sich nicht bereichert. Aus Sicht ihrer Verteidiger seien die Corona-Schutzmaßnahmen verfassungswidrig gewesen. Sie bemühte sogar Vergleiche zu Hexenprozessen herbei.

MDR (kk/kbe/ama)/epd

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 17. Juni 2024 | 10:00 Uhr

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