Stellenabbau Ladenhüter E-Auto als Jobkiller im Zwickauer VW-Werk?
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14. September 2023, 15:47 Uhr
Mehr als 250 befristet Beschäftigte des VW-Werkes in Zwickau verlieren ihre Jobs. Weitere müssen mit einem ähnlichen Schicksal rechnen. Das Unternehmen produziert ausschließlich Elektroautos. Doch diese entpuppen sich zunehmend als Ladenhüter. Was bedeutet das für die Zukunft des Zwickauer Werkes?
VW in Zwickau baut Stellen ab. 269 befristete Verträge, die demnächst auslaufen, werden nicht verlängert. Das teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Die Marktsituation habe dies nötig gemacht. Das Werk produziert ausschließlich Elektroautos der Marken Volkswagen, Audi und Cupra. Die Nachfrage nach E-Autos ist rückläufig.
Insgesamt arbeiten von den rund 11.000 Mitarbeitern der Belegschaft aktuell mehr als 2.000 Beschäftigte mit Zeitverträgen im Zwickauer Betrieb. Laut dpa-Angaben wird befürchtet, dass hier weitere Verträge zu späteren Zeiten nicht verlängert werden.
Mit der über eine Milliarde Euro teuren Umwandlung zu einer reinen Fabrik für Elektroautos wurde das Zwickauer Werk für die Zukunft der klimafreundlichen Mobilität gerüstet. Wie kann es sein, dass nun im größten sächsischen Autowerk hunderte Arbeitsplätze gestrichen werden?
Inflation und Einstellung staatlicher Förderung senkt Nachfrage nach E-Autos
Es ist ohne Frage wichtig, beim Autofahren Umwelt und Klima zu schonen. Aber Elektroautos müssen auch bezahlbar sein. Das Problem aus Verbrauchersicht: Die Anschaffung eines E-Autos ist einfach zu teuer. Der deutsche Automobilmarkt leidet aufgrund der hohen Inflation und der zu erwartenden Rezession unter einer Nachfrageschwäche – unabhängig von der Antriebsart. Hinzu kommt, dass die staatliche Umweltprämie für E-Autos schrittweise gestrichen wird. "Damit ist das E-Auto 10.000 bis 15.000 Euro teurer als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Ein Auto, das so viel teurer ist als ein vergleichbarer Verbrenner, werden die Kunden nicht kaufen", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer.
Ein Auto, das 10.000 bis 15.000 Euro teurer ist als ein vergleichbarer Verbrenner, werden die Kunden nicht kaufen.
Förderung für gewerbliche Kunden fällt weg
Die konjunkturelle Unsicherheit, die bisher vor allem bei privaten Käufern zu einer Kaufzurückhaltung führte, kommt mittlerweile im gewerblichen Bereich an. "Was die Nachfrage von Elektrofahrzeugen angeht, wird sich die Rücknahme der Förderung im gewerblichen Bereich noch deutlicher bei den Absatzzahlen bemerkbar machen, als die sinkenden Prämien für E-Autos im Privatkundenbereich", erklärt Stefan Reindl. Das liege daran, so der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft, dass die Nachfrage von Gewerbetreibenden, inklusive Flotten und Fuhrparks, üblicherweise rund zwei Drittel der Gesamtnachfrage bei Pkw in Deutschland ausmacht.
Kaufhindernis: Hohe Strompreise und schwache Ladeinfrastruktur
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) kritisiert die Entscheidung, vorm Hintergrund der hohen Inflation die Kaufprämien für E-Autos zu streichen oder zu kürzen. Er drängt darauf, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Aufschwung der E-Mobilität ermöglichen. Der Verband bewertet auch die Schwächen in der Ladeinfrastruktur und die hohen Strompreise als Kaufhindernis. "Fakt ist: Bei normalen Energiepreisen sind die laufenden Kosten beim E-Auto bei vergleichbarem Modell geringer als beim Verbrenner. Es müssen also Maßnahmen ergriffen werden, um die Strompreise dauerhaft wirkungsvoll zu reduzieren", so ein Sprecher des VDA.
Produktion in Zwickau: Fokus auf E-Autos zu einseitig?
Für VW und auch für die Landespolitik war die komplette Umstellung der Zwickauer Produktion weg vom Verbrenner hin zu Elektrofahrzeugen ein Prestigeprojekt. Ist es dieser einseitige Fokus, der sich jetzt in Zeiten sinkender Nachfrage rächt?
Der Fachmann für Automobilwirtschaft Stefan Reindl hält die damalige Entscheidung, sich konsequent auf mit Akku betriebene Fahrzeuge auszurichten, für mutig und richtig. Er sieht das ursächliche Problem vor allem darin, dass man sich im Zwickauer Werk auf die ID-Modell-Reihen von Volkswagen fokussiert hat, die bei der Kundschaft nicht wie erwartet Anklang finden. "Sowohl das Design als auch die Technik, vor allem auch die IT-Infrastruktur und Software, sind bislang wenig überzeugend, wenngleich Volkswagen etwa beim ID.3 inzwischen mit einem Facelift nachgelegt hat", sagt Reindl.
Wie weiter mit den Beschäftigten in Zwickau?
Welche Hoffnungen bestehen für die vom Stellenabbau Betroffenen, kurzfristig einen neuen Job zu finden? Angesichts akuter Personalengpässe vieler Unternehmen sollten die Aussichten dafür besser denn je stehen. Stefan Reindl erwartet als Branchenkenner vor allem Schwierigkeiten bei der Jobsuche in der Region: "Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden wohl in und rund um Zwickau kurzfristig keine neue Anstellung finden. Dennoch sind die Chancen noch recht gut, außerhalb eine adäquate Beschäftigung aufzunehmen."
Dagegen sieht Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer neue Beschäftigungsmöglichkeiten vor allem in anderen Branchen: "Wir sind in der Konjunktur dort, wo man spart und weniger macht. Dadurch, dass wir heute in Deutschland in vielen Bereichen Beschäftigte suchen, wäre es interessant für die Mitarbeiter, sich in anderen Bereichen umzuschauen."
Experte: Rückbau auf Verbrenner-Produktion nicht sinnvoll
Angesichts der Flaute beim Absatz von E-Autos bei VW stellt sich die Frage, ob Zwickau wieder Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren herstellen sollte. Wie sinnvoll wäre ein solcher Rückbau mit dem Zweck, wieder mehr Mitarbeiter beschäftigen zu können? Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft hält dies nicht für zielführend. "Sicherlich wäre es möglich, das Werk in Zwickau wieder 'zurückzubauen', um dort wieder Verbrenner zu produzieren. In einer Langfristperspektive wäre dies aber unsinnig, denn die Zukunft im Pkw-Bereich ist batterieelektrisch", sagt er.
Langfristig dürfte sich nichts an der positiven Einschätzung des Standortes ändern.
Auch Oliver Falck, Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik und neue Technologien, sieht die Weichen klar in Richtung Elektromobilität gestellt: "Viele VW-Produktionsstätten haben in den letzten Jahren dafür gekämpft, etwas von der Elektroauto-Produktion im Konzern abzubekommen und mit einem gewissen Neid nach Zwickau gesehen. Langfristig dürfte sich also nichts an der positiven Einschätzung des Standortes ändern."
Volkswagen, so Reindl, sei gefordert, die Kosten nachhaltig zu senken, damit wettbewerbsfähige Preise für die Fahrzeuge ermöglicht werden. Gleichzeitig müssten aber auch von der Politik Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit der Betrieb von Produktionsunternehmen nachhaltig profitabel sein kann.
MDR (cbr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 13. September 2023 | 17:45 Uhr