Energiewende Ort in Mittelsachsen will Bürger kostenlos mit Wärmepumpen und Solaranlagen ausstatten
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10. Juli 2024, 10:43 Uhr
Aus Solaranlagen auf Dächern und Äckern in Neukirchen in Mittelsachsen soll ein "Dorf-Solarkraftwerk" entstehen, wenn es nach Bürgermeister und Landrat geht. Die Bürger erhalten Solaranlagen und Wärmepumpen kostenlos – die Finanzierung ist dem Landrat zufolge kein Problem. Doch die Bürger sehen das Projekt skeptisch.
- In Neukirchen, einem Ortsteil von Reinsberg in Mittelsachsen, wollen die Stadtwerke Dächer und Äcker kostenlos mit Solaranlagen und Wärmepumpen ausstatten.
- Dem Landrat zufolge rechne sich das – die Finanzierung ist kein Problem.
- Bürgermeister und Landrat wollen die Bürger vom Projekt überzeugen, doch diese befürchten einen Verlust von landwirtschaftlicher Fläche.
Eine Wärmepumpe hinter dem Haus und eine Solaranlage aufs Dach – kostenlos. Für die Bürger des Reinsberger Ortsteiles Neukirchen in Mittelsachsen soll das Wirklichkeit werden, dank der Landwerke Mittelsachsen. Deren Geschäftsführer Felix Rodenjohann sagt: "Das klingt zu schön, um wahr zu sein."
Die Installation von Wärmepumpen und Solaranlagen in 100 Häusern sei viel günstiger, wenn diese der Reihe nach und in kurzen Zeit passiere, als wenn diese 100 Häuser in den nächsten 20 Jahren einzeln angegangen würden, erklärt Rodenjohann. Diesen Kostenvorteil gebe man an die Menschen in der Kommune weiter.
"Dorf-Solarkraftwerk" ist leicht finanziert
Die Idee hinter dem Vorhaben: Die Neukirchener Hausdächer und Ackerflächen sollen ein großes Dorf-Solarkraftwerk werden – und möglichst viele Heizungen durch Wärmepumpen ersetzt werden. Die Installation der Geräte soll die Bürger nichts kosten. Der durch die Solaranlagen erzeugte Strom aber schon – jedoch deutlich weniger, als die Kilowattstunde bisher kostet. Machen alle mit, entsteht ein erschwingliches Leasingsystem, um die Energiewende zu zahlen.
Finanzierbar soll das Ganze auch noch sein, sagt Landrat Dirk Neubauer, Mitinitiator des Projekts, im Dorfgemeinschaftshaus Neukirchen. "Das Geld ist das einzige, was bei der Sache kein Problem ist. Da sich diese Sachen wirtschaftlich rechnen, finden Sie immer jemanden, der investiert. Geld war schnell geklärt." Fördermittel von Bund und Ländern etwa gebe es zuhauf, auch private Investoren stünden Schlange, sagt Neubauer. Lokale Handwerksbetriebe und der ortsansässige Photovoltaik-Hersteller Meyer Burger seien auch mit im Boot.
Sorge bei Bürgern um Landwirtschaftsflächen
Die Bürger von Neukirchen sind skeptisch: Nur etwa 50 der 800 Eingeladenen haben ins Dorfgemeinschaftshaus gefunden. Zwei Frauen, die lieber anonym bleiben möchten, hören aufmerksam zu und schreiben mit. Sie fürchten, dass durch das Projekt landwirtschaftliche Flächen verloren gehen könnten. "Wieso weiß man bereits, wo diese Module hingesetzt werden?", fragt die eine. Das stehe bereits eindeutig fest, dabei handele es sich aber nicht um Stillegungsflächen. "Keine Stilllegungsflächen, sondern das sind richtig aktive Felder", ergänzt die andere Frau.
Bürgermeister Markus Buschkühl, der sich ebenfalls im Dorfgemeinschaftshaus den Fragen der Bürger stellt, will den beiden diese Sorge nehmen. Er sagt: "Diese Diskussion hatten wir schon und die haben wir auch sehr wohl auf dem Tisch, dass wir eben im besten Fall nicht die allerbesten Flächen mit Photovoltaikanlagen zubauen." Stattdessen wolle man "mit wachem Auge" darauf achten, was man dort mache.
Landrat: Projekt ist gemeinsam und freiwillig
Etwas mehr Interesse an der Veranstaltung hätte sich Bürgermeister Buschkühl gewünscht. Denn damit die Mehrheit mitmacht, müsse die Idee offen besprochen werden. Auch Landrat Neubauer betont mehrfach: "Der grundsätzlichste Gedanke dieses Projektes ist: wir, gemeinsam und freiwillig." Das sei für ihn ein ganz wichtiger Punkt. "Ihr müsst das selber entscheiden", ergänzt er.
Die beiden Frauen aus dem Publikum sind sich noch unsicher, wie ihre Entscheidung ausfallen wird. "Es sind einige Hintergründe offengestellt worden, aber ja, es wird sich zeigen." Die andere ergänzt: "Ja, aber man kann sich zumindest zu Hause nochmal Gedanken darüber machen." Es seien Denkanstöße gegeben worden.
Ende Juli wollen die Landwerke Mittelsachsen die Energiedaten aller willigen Bewohner und Flächeneigentümer in Neukirchen abfragen. Wenn sie genügend Menschen von der Idee überzeugen, soll danach schon die Planung beginnen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 10. Juli 2024 | 06:26 Uhr