Lebensläufe 60 Jahre nach dem Abitur: Klassentreffen in Augustusburg
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25. Mai 2024, 10:00 Uhr
"Alte Liebe rostet nicht" sagt das Sprichwort. Da muss etwas dran sein, wenn sich Schülerinnen und Schüler, die vor 60 Jahren ihr Abitur abgelegt haben, heute noch immer regelmäßig treffen. Dabei geht ihr Blick nicht nur zurück, sondern auch nach vorn. Denn nach dem Klassentreffen ist vor dem Klassentreffen.
Am Donnerstag haben sich Schülerinnen und Schüler der ehemaligen Erich-Weinert-EOS Flöha zu einem Klassentreffen in Augustusburg getroffen. Solche Klassentreffen sind an sich alltägliche Ereignisse.
Doch im Fall der fünf Damen und acht Herren liegt das Abitur schlappe 60 Jahre zurück. Sie haben also 1964 zum letzten Mal gemeinsam die Schulbank in der erweiterten Oberschule gedrückt und sind allesamt Jahrgang 1946.
Es gibt noch mehr Besonderheiten bei diesem Treffen: Man ist sich nicht fremd geworden, denn die Klassentreffen finden seit 1964 regelmäßig statt. Und das Treffen 2024 hat den gleichen Ablauf wie das erste Treffen der Klasse: Damals stand auch schon ein Besuch auf der Augustusburg auf dem Programm, der nun wiederholt wird.
Eva-Maria Gawron: Ein Leben für die Kunst
Nicht alle aus der ehemaligen Abiturklasse konnten zum 60. Treffen nach Augustusburg kommen, sagt Eva-Maria Gawron, die auch ihr Abitur 1964 in Flöha abgelegt hat. "Viele unserer Mitschüler leben heute in anderen Bundesländern und können nicht kommen, weil sie im Urlaub oder durch Krankheit verhindert sind." Die schönen Erinnerungen überwiegen, auch wenn es schwere Zeiten gegeben habe für sie.
"Auch beruflich haben alle die verschiedensten Wege eingeschlagen." Es seien Ärzte, Professoren und Lehrer unter ihnen. "Ich selbst bin Diplom-Restauratorin geworden." Sie habe immer ein Faible für die Kunst gehabt und in Schneeberg studiert. "Dort habe ich mich für die Laufbahn als Textil-Restauratorin entschieden."
Gewohnt habe sie in Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz. "Aber meine Arbeit hat mich durch die gesamte Republik geführt." So habe sie bei der Restaurierung des berühmten Karls-Teppichs, der zum Halberstädter Domschatz gehört, mitgewirkt. Auch bei der Restaurierung der Seidentapeten im Schloss Sanssouci sei sie dabei gewesen. "Auch heute noch bekomme ich Anrufe und erledige kleine Aufträge", lacht die 78-Jährige.
Manfred Wolf: Selbstständig heißt selbst und vor allem ständig
Auch Manfred Wolf - ebenfalls Jahrgang 1946 - ist noch beruflich aktiv, auch wenn er seit drei Jahren kürzertritt. "Das habe ich mir in meiner Jugend natürlich noch nicht träumen lassen", sagt er. Nach dem Abitur wollte er ein technisches Studium aufnehmen und ging an die Technische Hochschule. "Dort habe ich erst einmal Maschinenbau studiert."
Gearbeitet habe er nach dem Studium bei Robotron, zuerst in Karl-Marx-Stadt, später dann in Hoyerswerda. "Im November 1989 war ich in Hamburg. Dorthin hatte der Senat 1.000 Bürger der Stadt Dresden eingeladen."
Bei einem Empfang habe sich zufällig der damalige Bürgermeister der Hansestadt, Henning Voscherau, neben ihn gesetzt und ihn nach seinen Plänen gefragt. "Ich habe ihm von meinen Ideen für Robotron erzählt", sagt Wolf. "Er riet mir daraufhin, mich selbstständig zu machen, weil es Robotron in einem halben Jahr nicht mehr geben werde." Weil genau das eintrat, habe er den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. "Zunächst habe ich Computertechnik verkauft, später ganze Gebäudeausstattungen mit Partnern aus aller Welt."
Für die anderen Geschichten der Abiturienten des Jahrgangs 1964 ist an diesem Tag keine Zeit mehr. Sie wollen sich schließlich auch miteinander unterhalten. Aber beim nächsten Klassentreffen ist ja wieder Zeit für alte Geschichten und neue Pläne.
MDR (tfr/sth)