Schüler einer Grundschule beim Sportunterricht in der Halle. 6 min
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Sind Noten in Talentfächern wie Kunst, Musik und Sport gerecht? Moritz ist Abiturient und findet in solchen Talentfächer sollte es kein Noten geben. Redakteur Thomas Becker hat mit ihm darüber gesprochen.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Mo 25.03.2024 16:20Uhr 05:57 min

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Der Redakteur | 25.03.2024 Sind Schulnoten in Kunst, Musik und Sport gerecht?

25. März 2024, 22:30 Uhr

Moritz ist Abiturient aus Südthüringen und möchte Lehrer werden. Seine Stärken hat er in Deutsch und Mathe. Sport hingegen fällt ihm schwer, ja es versaut ihm sogar den Abi-Durchschnitt. Deshalb hat er sich mit einem Brief an die Thüringer Landtagsfraktionen gewendet und gefragt: Sind Noten in Talentfächern wie Kunst, Musik und Sport gerecht? Weil nicht alle antworteten, hat sich Moritz nun auch an Redakteur Thomas Becker gewendet. Er hat nochmal bei den Parteien nachgehakt.

Mit einem Brief an die Thüringer Landtagsfraktionen wollte Moritz eine Diskussion anstoßen. Drei Fraktionen haben ihm geantwortet: Die Grünen, die FDP und für die Linken der Ministerpräsident persönlich. Also folgte der nächste Schritt: Ein Brief an die Thüringer Medien, um diese auf das Thema aufmerksam zu machen.

Im Sport werden diejenigen belohnt, die von Natur aus sportlich sind, während andere, die sich vielleicht sogar noch mehr anstrengen müssen, um ihre Ziele zu erreichen, benachteiligt werden.

Moritz, Abiturient aus Südthüringen

Mit diesem Ansatz sind wir in den Austausch gegangen mit den Parteien im Thüringer Landtag und streifen dabei auch die grundsätzlichen bildungspolitischen Ziele, detailliert nachzulesen in den jeweiligen Wahlprogrammen.

SPD: Lehrer können heute schon Anstrengung belohnen

Talent brauche man auch in anderen Fächern wie Mathematik, sagt Thomas Hartung, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er ist gegen eine Abschaffung der Noten in Musik, Kunst oder Sport, aber auch gegen die "Tabellen-Kultur" im Sportunterricht. Man müsse auch die persönlichen Leistungsmöglichkeiten einfließen lassen und das Bemühen eines Schülers, sagt Hartung.

Der scheidende SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Hartung aus Weimar. 8 min
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Diese Möglichkeiten gebe es bereits, würden aber von den Lehrern noch zu wenig genutzt. Ein Argument gegen die Abschaffung der Noten in den Talentfächern sei die Vergleichbarkeit der Thüringer Abschlüsse mit den Abschlüssen anderer Bundesländer. Hier dürfe man nicht ausscheren.

CDU: Nicht nur Leistung benoten, sondern auch Verbesserung und Motivation

Für Christian Tischner, Sprecher der CDU-Fraktion für Bildung und Wissenschaft, ist die Rolle des Lehrers entscheidend. Er müsse das Bemühen erkennen und auch bewerten und nicht nur die reine Leistung. Man müsse aber auch bedenken, dass es Schüler gibt, die aus den Talentfächern die Motivation für die Schule insgesamt herausziehen.

Christian Tischner 8 min
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Grundsätzlich müssten wir dahinkommen, die Talente zu entdecken, die in den Kindern schlummern. Deshalb will die CDU ein Viertel der Zeiten im Stundenplan den Schulen zur freien Verfügung überlassen, damit zielgerichteter Unterricht angeboten werden kann, angepasst an die Neigungen der Schüler und ihres Förderbedarfs.

AfD: Auch in Sport oder Kunst geht es um Fleiß

Denny Jankowski ist der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, er befürwortet eine Benotung in sämtlichen Schulfächern. Reine Talentfächer gebe es nicht, denn jedes Fach würde auch eine Fleißkomponente beinhalten - auch Sport und Kunst. Benotungen dienten als Rückmeldungen über den Leistungsstand der Schüler und auch als Sanktionsinstrument für die Lehrer.

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Für Schüler, die sich besonders anstrengen, dienten Noten auch als Motivationsinstrument für besonderen Fleiß. Hinzu komme: Ein guter Sportlehrer würde auch schauen, wie weit ein Kind an seine Grenzen geht und da müssten auch die Fortschritte in die Bewertung einfließen.

Grüne: Schriftliche Einschätzung statt der Note in Sport, Kunst und Musik

Für die Grünen ist die Note in den Talentfächern keine objektive Leistungsbeurteilung. Eine Zwei im Sportunterricht sage nichts aus über die Person, nichts über seine Weite im Weitsprung oder die Fähigkeit, sich im Mannschaftsport ins Team einzubringen. Dies könne man schriftlich besser darstellen.

Madeleine Henfling 7 min
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Viele Freie Schulen arbeiteten hier bereits verstärkt mit einem schriftlichen Feedback. Grundsätzlich wollen die Grünen aber an den Noten festhalten, obwohl es wissenschaftliche Studien gebe, die die Objektivität der Noten in Zweifel ziehen. Wichtig sei, die individuellen Leistungen anzuerkennen, um die Kinder zu motivieren.

Die Linke: Noten alleine sagen nicht alles aus

"Wir müssen Kreativität und Entwicklung fördern", sagt Torsten Wolf, Sprecher für Bildungspolitik der Fraktion Die Linke. Die Note alleine sei zu wenig als Bewertungselement. Torsten Wolf verweist darauf, dass es auch später im Arbeitsleben schriftliche Beurteilungen gibt. Die Noten geben den Stand laut Lehrplan an und sollten in den Talentfächern nicht abgeschafft, aber ergänzt werden. Das könne ein Satz sein, der Bemühungen und Entwicklung würdigt. Grundsätzlich müssten das Denken und die eigenen kreativen Ansätze mehr gefördert werden. Noten auf reines Wissen zu geben, sei in Zeiten künstlicher Intelligenz nicht zukunftsfähig.

Torsten Wolf 9 min
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FDP: Talent gibt es auch in Mathematik

Die FDP will den Talentbegriff nicht auf einzelne Fächer begrenzen. Franziska Baum, die bildungspolitische Sprecherin FDP, sagt, dass ein Schüler, der in Mathe talentfrei sei, diese Schwäche vielleicht mit einer guten Sportnote ausgleichen könne. Auch sei es oft nicht das Talent alleine. Sportler trainierten und wer ein Instrument spiele, müsse fleißig üben. Das sei kein Talentvorteil, sondern Leistung und Arbeit.

FDP-Abgeordnete Franziska Baum 2 min
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Auch hat Franziska Baum nicht den Eindruck, dass in den "Talentfächern" ausschließlich die Leistung beurteilt werde, sondern auch das Bemühen. Solange es in den Schulen Noten gibt, müsse es die in allen Fächern geben.

Das sagen unsere User

Anni22 sah die positive Seite dieser Noten: "Warum sollen Kinder, die da gute Leistungen erzielen, nicht auch die Leistung belohnt bekommen?! Ich denke, man muss lernen mit negativen Bewertungen zu leben. Im realen Berufs-oder Privatleben kann man sich unangenehmen Situationen und Bewertungen auch nicht einfach entziehen." Ähnlich argumentierte Gucker "Ja, es ist gerecht. Weil es keine Ausnahmen gibt. Alle Kinder müssen sich mit dem Sportunterricht auseinandersetzen - dieses Fach gibt es aus gutem Grund, es hat seine Berechtigung. Manche Schüler haben bspw. Probleme mit Mathematik, und müssen auch damit fertig werden. Man muss auch lernen, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die schwierig sind, die Anstrengung erfordern."

Aus Sicht von Ralf G. ist individuelles Talent in allen Fächern gefragt, auch in Mathematik und Deutsch. Noten sollten allen am Entwicklungsprozess der Kinder Beteiligten zeigen, wo Stärken und Schwächen liegen. "Auch sollte die Freude am Wettbewerb nicht unterdrückt werden." Pattel argumentierte noch grundsätzlicher: "Die Leistungsgesellschaft braucht Benotung, die Sozialistische Gesellschaft nicht." Dagegen sah MAENNLEIN-VON-DIESER-WELT Unterschiede zwischen Fächergruppen: Bei Naturwissenschaften falle es leicht Punkte nach Kriterien von richtig oder falsch zu bewerten und somit Leistungsfähigkeit und Weiterentwicklung festzustellen. "In den Künsten (zu denen auch die Mathematik zählt?) ist das schon weitaus schwieriger, wenn nicht gänzlich unmöglich!"

DER Beobachter meinte: Nun ist nur noch die Frage der Vergleichbarkeit des Abiturs. Das bayrische und das sächsische werden ja gern als so herausragend angesehen, aber ich frage mich immer, wie relevant ein Detailwissen zu Goethe ist, wenn man andererseits offenbar nicht in der Lage (oder willens) ist, Kommunikationsstrategien der Gegenwart zu durchschauen... Ich halte generell fächerbezogene Noten (bis 2) oder Aufnahmeprüfungen für besser und so ist es außerhalb D´s durchaus normal. Dem entgegnete martin "Die Vergleichbarkeit der Abiturnoten wäre auch ohne die Wahlmöglichkeiten "nur sehr überschaubar"."

Tschingis1 kritierte NC als "willkürliche Vorgabe von Unis" nur anhand verfügbarer Plätze. "Und wenn ich Psychologie studieren möchte und eben kein 1,0 habe, sondern 1,2, dann verrät dieser Durchschnitt was für dieses Studium?" Atze71 sah dagegen im NC ein schon sinnvolles Kriterium: "Warum ein 1,0 Abi? Wer das bei allen Fächern schafft, zeigt, dass er auch bei Fächern die er nicht mag, durch Fleiß und eigenem Anspruch das durchzieht. Diese Studenten werden dann beim Studium ähnlich agieren." 

Eher praktische Probleme des Schlalltags sahen dabei P.M.A.A. "Wir erleben es seit 10 Jahren mit sehr sportlichen Kindern in den Schulen so: Um eine Sportart tatsächlich zu trainieren fehlt die Zeit im Unterricht. Entweder man ist gut, oder eben nicht. Das ist in Fächern wie Mathe, Deutsch, Sprachen usw. anders" oder Burnhulk: "Mit Schulnoten halte ich es ähnlich wie Churchill mit dem Kapitalismus: "Noten sind das schlechteste System, außer allen anderen." Soll heißen, dass ich ganz klar die Problematik mit den Noten anerkenne, aber auch keine praktikable andere Lösung sehe. Zumindest nicht solange wir einen Lehrernotstand wie aktuell haben."

MDR (ask)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 25. März 2024 | 16:20 Uhr

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