Drogenverkauf
Drogenkonsum von Jugendlichen ist immer wieder ein großes Thema. Zuletzt geriet die mittelsächsische Stadt Frankenberg in die Schlagzeilen, als kuurz hintereinander zwei junge Frauen mutmaßlich an Drogenkonsum starben. Bildrechte: imago images/Elmar Gubisch

Kriminalität Nach Drogentoten in Frankenberg: Sonderstadtrat sucht nach Lösungen

23. August 2024, 20:20 Uhr

In Frankenberg sind Anfang August eine 15 Jahre alte Schülerin und eine 23-jährige Frau nur wenige Tage nacheinander verstorben - vermutlich nach Drogenkonsum. Aus diesem Grund hat sich am Donnerstagabend der Stadtrat zu einer Sondersitzung versammelt, um über Prävention und die Bekämpfung des Drogenhandels in der Stadt zu beraten.

Auf Antrag mehrerer Stadträte gab es am Donnerstag in Frankenberg eine außerordentliche Stadtratssitzung. Anlass war der Tod zweier junger Frauen, die mutmaßlich Drogen konsumiert hatten. Aus diesem Grund eröffnet Bürgermeister Oliver Gerstner (CDU) die Sitzung mit einer Schweigeminute.

Danach stellt Mike Brendel, Koordinator des Kommunalpräventiven Rates, die Arbeit des Gremiums vor. Ihn treffe das Thema auch persönlich sehr, erklärt er zu Beginn sehr emotional. Das Thema Drogen gebe es in jeder Stadt. Dass es aber gleich zwei Todesfälle in seiner Stadt gab, schockiert ihn sichtlich. "In den Ferien haben wir neue Schritte für die Drogenprävention vorbereitet und dann trifft es uns direkt zum Schulbeginn", sagt er.

Zu wenige Befugnisse für Kommunen

Für ihn sei das größte Problem, dass die Kommune zu wenig Befugnisse habe. "Wir haben keine Möglichkeit, Taschenkontrollen zu tun, wir haben keine Möglichkeiten, in Einrichtungen zu gehen, wie Schulen, wie Organisationen und Betriebe", sagt er. "Wo wir die Möglichkeit haben, sind die Einrichtungen der Stadtverwaltung, unsere eigenen Mitarbeiter und da brauchen wir es nicht in dem Umfang."

Dazu kämen zu wenig mobile Jugendarbeit im ländlichen Raum, eine geringe Anzahl von Therapieplätzen und unterbesetzte Polizeireviere. "Das Gefühl ist, dass vieles auf uns als Kommune abgeschoben wird, wo andere die Verantwortung haben." Diese Dinge habe der Rat nun in einen Brief formuliert und an den Ministerpräsidenten und mehrere Minister nach Dresden geschickt.

Sonderstadtrat zu Dreogentoten in Frankenberg
Bei der Sondersitzung des Stadtrats in Frankenberg ging es um mögliche Lösungsansätze für das Problem mit Drogen in der Stadt. Neben den Stadträten und der Verwaltung waren auch rund 25 interessierte Bürgerinnen und Bürger anwesend. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Mehr Polizeipräsenz gefordert

Der Ruf nach mehr Polizeipräsenz ist laut und permanent präsent in dieser Stadtratssitzung und kommt aus allen Fraktionen. Ulrich Scherzer, Revierleiter der Polizei Mittweida, ist ebenfalls vor Ort und gibt Einblicke in seine Arbeit. In Frankenberg gebe es eine verdeckte und keine offene Rauschgiftszene. Deswegen sei die Polizei auf Mithilfe in Form von Hinweisen und Zeugenaussagen angewiesen.

Wir können doch nicht jeden Ort, an dem sich Jugendliche treffen zu einem gefährlichen Ort erklären.

Ulrich Scherzer Revierleiter der Polizei Mittweida

"Ich kann ohne konkreten Verdacht niemanden durchsuchen", so Scherzer. Das sei nur an sogenannten gefährlichen Orten möglich - also Orten, an denen eine Vielzahl von Straftaten stattfindet. "Und wir können doch nicht jeden Ort, an dem sich Jugendliche treffen zu einem gefährlichen Ort erklären."

Außerdem habe er etwa 60 Streifenpolizisten in seinem Revier, die ein großes Gebiet abdecken müssen. "Wir werden die Kontrollen in Frankenberg punktuell verstärken, aber die große Polizeipräsenz, die sich sich wünschen, können wir einfach nicht leisten." Außerdem sollen zeitnah Zivilfahnder zur Ermittlung von Dealern zum Einsatz kommen.

Bürgermeister Gerstner versichert, dass die Stadt die Augen vor dem Drogenproblem nicht verschließe. Aber die Stadt sei auch keine Drogenhochburg. Es gebe viele Präventionsangebote, die Teilnahme sein aber immer freiwillig und die Teilnehmerquote sehr gering. "Es ist ein Thema, was uns schon seit Jahren beschäftigt", sagt er. Aber Polizeipräsenz allein würde das Problem nicht lösen.

Schulleiter: Es ist einfach, an Drogen zu gelangen

Auch Ingo Pezold, Schulleiter des Martin-Luther-Gymnasiums in Frankenberg, meldet sich zu Wort. Für ihn sei es keine Frage gewesen, dass es Todesfälle aufgrund von Drogen geben werde, sondern nur wann. Seine Schüler hätten ihm angedeutet, dass es in Frankenberg einfach sei, an Drogen zu gelangen. Er sei Realist und wisse, dass das Gymnasium keine drogenfreie Zone sei, auch wenn nicht offen konsumiert werde.

"Was mich als Schulleiter bedrückt bei dieser ganzen Sache, ist, dass es kaum Zugriff auf diese Drogenszene gibt und dass auch wir als Schule zu wenig Mittel in der Hand haben, um signifikante Änderungen herbeizuführen", sagt er. Mittel für Prävention sowie entsprechende Angebote würde es an seiner Schule ausreichend geben, sie würden auch von den Schülern wahrgenommen. Aber die Schule könne kaum stichprobenartige Ranzen- oder Spindkontrollen machen. "Ich weiß aber, dass das vielleicht einen kleinen Effekt haben würde, das zumindest Eltern sensibilisiert werden würden", so Pezold. "Denn gewisse Eltern wissen gar nicht, dass ihre Kinder in dieser Szene mit eingebunden sind."

Viele im Stadtrat scheinen sich einig zu sein, dass über die Drogenproblematik gesprochen wird in der Stadt. "Jeder weiß es und spricht darüber", sagt eine Stadträtin. "Wenn auch vielleicht nicht laut und öffentlich." Eine andere hat das Gefühl, dass die Sitzung ein Stück weit eine Kapitulation sei. "Wir wollen, aber wir können nicht."

Ernüchterung nach Sondersitzung

Nach rund zwei Stunden war der Sonderstadtrat beendet. Die Stadträte hätten erfahren, was die Stadt an Präventivarbeit leiste, so Bürgermeister Oliver Gerstner. "Sie sind ein Stück weit ernüchtert rausgegangen aus der Sitzung, weil die Möglichkeiten, die eine Kommune hat, natürlich beschränkt sind", sagt er. "Sie beschränken sich auf Präventionsarbeit und den guten Austausch mit denen, die für die Bekämpfung von Drogen verantwortlich sind - und das ist unsere Polizei."

Welche Drogen sind in Sachsen das größte Problem?

In den sächsischen Suchtberatungsstellen ist laut dem 4. Sächsischen Drogen- und Suchtbericht des Sozialministeriums Alkohol mit 53 Prozent die häufigste Hauptdiagnose. Nach Angaben der Fach- und Koordinierungsstelle Suchtprävention Sachsen kommen dahinter Cannabis und Crystal.

Welche Präventionsmaßnahmen leistet die Polizei?

Laut Landeskriminalamt Sachsen gibt es zahlreiche Veranstaltungen zur Drogenprävention für Schülern und Eltern. Thematische Schwerpunkte bei den Schüler- und Elternveranstaltungen sind neben der Wissensvermittlung zu Suchtstoffen und rechtlichen Aspekten vor allem aktivierende Methoden mit dem Ziel der Erarbeitung von Handlungsalternativen in Kontaktsituationen mit Rauschmitteln beziehungsweise zur Stärkung der Drogendistanz.

Bei den Veranstaltungen für Erziehungsberechtigte wird besonderer Wert auf die Reflexion des Vorbildverhaltens (soziales Lernen) gelegt. Die Lehrerveranstaltungen verfolgen das Ziel, Handlungssicherheit im Schulalltag in Gefährdungssituationen herzustellen sowie zum Erarbeiten individueller und schulspezifischer Schutzkonzepte einzuladen. Alle Veranstaltungsformen vermitteln außerdem Informationen zu Materialien und Ansprechpartnern bei entsprechendem Beratungsbedarf.

Welche Rolle spielt das Thema Drogen an sächsischen Schulen?

"Wir nehmen wahr, dass das Thema Drogen an Schulen präsent ist", sagt das Landesamt für Schule und Bildung. Dennoch sei keine Entwicklung in die eine oder andere Richtung erkennbar. Im sächsischen Lehrplan werde das Thema in folgenden Fächern und Klassenstufen behandelt:

  • Klasse 8 sieht an Oberschule und Gymnasium im Fach Biologie vor, dass die Auswirkungen des Substanzkonsums auf das Nervensystem behandelt werden, was im Zusammenhang mit Cannabis (Drogen allgemein) von hoher Relevanz ist, um dessen schädigende Wirkung nachvollziehen zu können.
  • Politische und strafrechtliche Zusammenhänge werden durch Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung ab Klasse 9 thematisiert.
  • Zudem bietet die sächsische Polizei im Rahmen ihrer Kooperation mit den sächsischen Schulen Angebote zur Drogenprävention an.

Wie sollen Schulen im Fall des Drogenkonsums vorgehen?

Laut Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) haben die Schulen zu Beginn des Schuljahres überarbeitete Handreichungen zu 17 Krisenfällen an Schulen erhalten. Eine Handreichung beinhalte den Konsum von Betäubungsmitteln. "Dort werden u.a. Anzeichen zum Erkennen von möglichem Missbrauch beschrieben, aber auch, wie mögliche Gespräche geführt werden könnten, sowie der Zeitpunkt beschrieben, ab wann die Polizei hinzugezogen werden sollte", so das Lasub. Diese Handreichung sei mit einer Matrix bestückt, welche genaue Handlungsschritte beschreibt. "Damit wollen wir den Lehrkräften Handlungssicherheit im Umgang mit diesem doch sehr sensiblen Thema geben."

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MDR (ali)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Chemnitz | 23. August 2024 | 14:30 Uhr

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