Ein Mann mit einem Blindenstock steht auf einem Platz.
Daniel Martin, stellvertretender Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehinderten Verbands Sachsen, hat das Blindenleitsystem auf dem Bahnhofsvorplatz in Mittweida getestet. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Inklusion Wenn die Markierung gefährlich wird: Blindenleitsystem in Mittweida ist fehlerhaft

15. April 2025, 05:00 Uhr

In Sachsen leben nach Angaben des Sozialministeriums insgesamt 23.755 blinde und sehbehinderte Menschen (Stand 31. Dezember 2021). Damit diese sich auch ohne Hilfe in den Städten und Gemeinden bewegen können, gibt es vielerorts das Blindenleitsystem. Doch was passiert, wenn dieses System falsche Informationen anzeigt?

Der Bahnhofsvorplatz in Mittweida erstrahlt seit 2018 im neuen Glanz. Bei der Umgestaltung wurden nicht nur die Straßenführung und Fußwege geändert und saniert, sondern auch ein Blindenleitsystem integriert. Für Laien sieht das auch gut durchdacht aus, sind doch gleich sechs Überquerungsmöglichkeiten der Straße gekennzeichnet.

Doch MDR SACHSEN wurde darüber informiert, dass der Schein wohl trügt, das System fehlerhaft sei. Laut den Informationen vom Sozialverband VDK zeigen die verlegten Platten eine gesicherte Querung, also etwa eine Ampel oder einen Zebrastreifen, an. Beides gibt es vor Ort aber nicht. Stattdessen ist es eine vielbefahrene Straße, sowohl von Autos als auch von Bussen.

Überprüfung vor Ort

Daniel Martin, zweiter stellvertretender Vorsitzender des Blinden- und Sehbehinderten Verbands Sachsen, hat den Sachverhalt vor Ort geprüft. Er ist selbst sehbehindert, sieht nur noch einzelne Punkte und Lichtquellen und ist daher auf sein Gehör, seinen Stock und die Blindenleitsysteme angewiesen.

Ein Mann mit einem Blindenstock steht an einem Bahnsteig 2 min
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Daniel Martin zeigt, welche Gefahren für Sehbehinderte in Mittweida wegen falscher Markierungen bestehen.

MDR FERNSEHEN Mo 07.04.2025 14:15Uhr 01:31 min

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Die erste Herausforderung für ihn ist es schon, den Bahnhofsvorplatz überhaupt zu finden. Ist auf dem Bahnsteig 2 und 3 noch ein Blindenleitsystem, was ihn zur Unterführung führt, steht er am anderen Ende ratlos da, nachdem er die Treppe hinaufgestiegen ist. Nur die Logik, sich vom Gleis abzuwenden, führt ihn schließlich zum ersten Teil des Leitsystems.

"Ich würde davon ausgehen, dass hier ein Zebrastreifen ist"

An der Straße prüft er dann, was das Leitsystem ihm anzeigt. "Zuerst haben wir die Noppen, wir könnten es auch Ereignisfeld nennen", erklärt er. Dieses zeige an, dass hier etwas passiert. Direkt hinter dem Noppenfeld, befinden sich die sogenannten Rippen. "Diese zeigen mir die Richtung an", so Martin. Da beide Felder direkt ineinander übergehen, werde eine sichere Überquerung angezeigt. "Da ich kein Ampelgeräusch höre, würde ich jetzt hier davon ausgehen, dass ein Zebrastreifen vorhanden ist." Ein Zebrastreifen würde dann bedeuten, dass die Autos anhalten, wenn er die Straße überquert.

Dass es diesen nicht gibt, ist für ihn unverantwortlich. "Es ist eine absolute Unfallquelle", sagt Martin. "Der Wille war da, aber die Umsetzung ist mangelhaft." Er als ortsfremde Person mit Sehbehinderung würde hier jetzt mindestens zehn Minuten stehen bleiben, um sicherzustellen, dass keine Auto, Bus oder Radfahrer kommen.

Blindenleitsystem an einer Straße. Noppenfelder und Rillenfelder ohne Abstand zueinander.
Einige der Noppenfelder müssten entfernt werden, damit das Blindenleitsystem an dieser Stelle korrekt ist. Bildrechte: MDR/Anett Linke

Damit das Leitsystem eine ungesicherte Querung anzeigt, müssten zwischen den Noppen- und Rippenfeldern Lücken von mindestens 60 Zentimetern bestehen. Dazu müssten einige Platten des Leitsystems entfernt und durch normale Gehwegplatten ersetzt werden.

Stadt Mittweida spricht von Planungsfehler

Die Stadt Mittweida spricht auf Anfrage von MDR SACHSEN von einem Planungsfehler. Dieser sei im vergangenen Jahr durch den Besuch einer blinden Person bekannt geworden. "Wir haben daraufhin das damalige Planungsbüro über den Mangel informiert", so Oberbürgermeister Ralf Schreiber (CDU). "Der Umbau ist jetzt für dieses Frühjahr vorgesehen."

Eine Ortsbegehung habe es bereits Ende März gegeben. Warum der Umbau nicht sofort in die Wege geleitet wurde und warum vor Ort auch keinerlei Sicherungsmaßnahmen ergriffen wurden, hat die Stadt Mittweida bislang nicht beantwortet.

MDR (ali)

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