Kulturhauptstadt Obst-Projekt im Erzgebirge: So sollen alle von der Apfelernte profitieren
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05. November 2022, 07:00 Uhr
Über die Plattform "Solidarische Saftwirtschaft" sollen Besitzerinnen und Besitzer von Obstbäumen und Streuobstwiesen, motivierte Erntehelferinnen und Erntehelfer und Mostereien zusammengebracht werden, um koordiniert zusammenarbeiten zu können. Wie genau das aussehen kann, hat MDR SACHSEN-Reporterin Anett Linke ausprobiert.
Auf dieser Seite:
- Um Streuobstwiesenbesitzer mit motivierten Erntehelfern zusammenzubringen, ist die Internetplattform "Solidarische Saftwirtschaft" entstanden.
- Ein Apfelbaum trägt 300 bis 400 Kilogramm Früchte. Pro Streuobstwiese sollen sich auch mehrere Erntehelfer anmelden können und dann angeben, wie viel Obst sie mitnehmen wollen.
- Auch mobile Mostereien sollen mit ins Boot geholt werden.
Nils Kochan wartet auf seiner Streuobstwiese hinter seinem Haus in Frauenstein im Erzgebirge. In einer Schubkarre liegen bereits einige gepflückte Äpfel. Rund 50 Kilogramm wollen wir an diesem Morgen noch zusammen pflücken. Während wir seinem Apfelbaum zu Leibe rücken, erzählt er von seinem Projekt "Solidarische Saftwirtschaft".
"Oft weiß man gar nicht, wie man das ganze Obst verarbeiten soll", sagt er. "Man hat schon viele Gläser Marmelade und auch literweise Most im Keller stehen." Andererseits gebe es viele Menschen, vor allem in der Stadt, die gern frisches Obst hätten. Warum also nicht diese zusammenbringen? Dazu hat Kochan eine Internetplattform programmiert.
Um sie bekannt zu machen, hat er eine Förderung der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 über die sogenannten Mikroprojekte bekommen. "Bei der Kulturhauptstadt geht es darum, viel selber zu machen und nicht nur zu konsumieren", erklärt Kochan die Verbindung zwischen Kultur und Apfelpflücken. "Außerdem soll der Kulturhauptstadtgedanke auch ins Umland getragen werden."
300 bis 400 Kilogramm Äpfel pro Baum
Für die Verknüpfung von Stadt und Land bin ich die ideale Probekandidatin. Als Stadtmensch habe ich mit Obstbäumen sonst eigentlich nichts zu tun. Geduldig erklärt mir Kochan, worauf ich achten muss und welche Äpfel aussortiert werden müssen. Beim Pflücken wird schnell klar, dass auch Besitzer von kleineren Streuobstwiesen oft nicht wissen, wohin mit ihrem Obst. Bereits am Vortag hat Kochan 50 Kilogramm von einem Apfelbaum gepflückt, 50 weitere haben wir gemeinsam in Netze gepackt. Doch dem Baum sieht man das kaum an. Noch immer hängt er voller Äpfel.
So läuft die "Solidarische Saftwirtschaft"
Für Erntehelfer:
- Mitglied auf der Plattform werden.
- Mit Streuobstwiesenbesitzern Termin ausmachen, ernten und das Obst kostenlos mit nach Hause nehmen
- Nach der Testphase ist eine Jahresgebühr geplant
Für Streuobstwiesenbesitzer:
- Auf der Plattform anmelden
- Der Jahresbeitrag entfällt, da das Obst zur Verfügung gestellt wird
- Mit Erntehelfern Termin absprechen
"300 bis 400 Kilogramm Äpfel trägt ein Baum ungefähr", erklärt Kochan. 100 Kilogramm Äpfel ergeben dann 60 Liter Saft. Kochan kann sich vorstellen, dass sich für die Wiesen immer mehrere Erntehelfer mit einer ungefähren Angabe, wie viel Obst sie mitnehmen wollen, anmelden. Damit nicht jeder Freiwillige zahlreiche Äpfel nach Hause transportieren muss, schwebt Kochan vor, mobile Mostereien auf seiner Plattform mit einzubeziehen. Auch wir besuchen eine, die an diesem Tag nur einige Minuten von seinem Haus entfernt Halt gemacht hat.
Mobile Mosterei presst Saft gleich um die Ecke
Am Hänger der mobilen Mosterei "Gedeih und Verzehr" drängen sich die Menschen. Hintereinander weg werden Namen aufgerufen. Die Menschen kippen ihre Ernte komplett in einen Behälter, der sie dann über ein Laufband zur Presse transportiert. Ohne Termin geht hier nichts. Kochan hat einen für uns gemacht und schon nach wenigen Minuten werden wir aufgerufen.
Unsere Äpfel werden gepresst und während der Abfall entsorgt wird, läuft der Saft durch einen Schlauch in einen Behälter, in dem der Saft erhitzt und dadurch haltbar gemacht wird. Am Ende bekommt jeder Kunde Saft aus genau den Früchten, die er auch abgegeben hat. Während der Saft erhitzt und danach abgefüllt wird, bekommen wir einen Becher zum Kosten. Er schmeckt süß und das ganz ohne Zuckerzusatz. Am Ende bekommen wir zwölf 5-Liter-Kartons mit Apfelsaft. Der ganze Vorgang hat weniger als 15 Minuten gedauert.
Auf seiner Plattform will Kochan prinzipiell mit Apfelbäumen beginnen, "weil das greifbar ist", sagt er. "Aber wenn das gut läuft, kann ich mir das auch mit anderen Obstsorten oder auch mit Feuerholz vorstellen." Im nächsten Jahr soll es zusätzliche Angebote wie Baumschnittkurse, ein Apfelblütenfest mit Picknick oder auch einen Mäheinsatz geben.
MDR (ali)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Chemnitz | 25. Oktober 2022 | 14:30 Uhr