Einweihung des Kunstwerkes Bogen von Leunora Salihu für den Purple Path in Stollberg. 4 min
"Bogen" heißt die neue Skultpur auf dem Purple Path in Stollberg. Reporterin Elvira Birgit Speer war bei der Eröffnung dabei. Hören Sie hier den Beitrag. Bildrechte: IMAGO/Wolfgang Schmidt
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Der Kunst- und Skulpturenweg "Purple Path" rund um Chemnitzer hat ein Exponat mehr. Seit Sonntag steht die Skultpur "Bogen" von Leunora Salihu vor dem Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg.

MDR KULTUR - Das Radio Mo 14.10.2024 19:40Uhr 04:10 min

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Kulturhauptstadt 2025 Gedenkstätte Hoheneck wird Station auf Skulpturenweg Purple Path

15. Oktober 2024, 14:23 Uhr

Der Kunst- und Skulpturenweg Purple Path rund um Chemnitz hat ein Exponat mehr. Seit Sonntag gehört die Skultpur "Bogen" der deutsch-kosovarischen Künstlerin Leunora Salihu dazu. Das Werk wurde im Beisein der sächsischen Kulturministerin Barbara Klepsch am früheren DDR-Frauengefängnis Hoheneck in Stollberg eingeweiht. Der Purple Path ist das umfangreichste Projekt des Kulturhauptstadtprogramms. Bis zur offiziellen Eröffnung des Kunstparcours im April 2025 sollen es rund 40 Kunstwerke sein.

  • Vor der Gedenkstätte Hoheneck im Erzgebirge ist eine neue Skulptur als Teil des Kunstwanderwegs Purple Path eingeweiht worden. Im Gefängnis waren Frauen zu DDR-Zeiten in den Hungerstreik getreten.
  • Das Kunstwerk "Bogen" der deutsch-kosovarischen Künstlerin Leunora Salihu steht auf dem ehemaligen Hundeumlauf des Gefängnisses.
  • Kulturstaatsministerin Barbara Klepsch nannte es zur Einweihung eine Mahnung, dass nie wieder Menschen zu Unrecht inhaftiert werden dürften.

Ein kräftiger und kalter Wind pfeift um die Mauern des ehemaligen Frauengefängnisses Hoheneck. Wie eine Trutzburg thront das rote Gebäude hoch über der Stadt Stollberg. Wer in den Innenhof tritt und die vielen vergitterten, kleinen Fenster betrachtet, den überkommt ein kalter Schauer.

Blick vom Innenhof der Gedenkstätte Hoheneck auf rote Klinkerstein-Fassade und viele vergitterte Fenster.
Vergitterte Fenster im Hof des ehemaligen Gefängnisses Hoheneck bei Chemnitz. Bildrechte: Elvira Birgit Speer

So erging es auch dem Kurator des Purple Path, Alexander Ochs. Bei seinem ersten Besuch im einstigen DDR-Frauenknast 2021 sei ihm "das Blut in den Adern gefroren", erzählt er: "Denn dort herrscht immer noch eine Energie der Angst."

Als ich das erste Mal auf diesem Gefängnishof stand, ist mir das Blut in den Adern gefroren.

Alexander Ochs Kurator des Purple Path

Hungerstreik gegen unmenschliche Haftbedingungen

Bis zu 23.000 Frauen sollen hier bis 1989 inhaftiert gewesen sein, viele von ihnen zu Unrecht. Sie alle litten unter unmenschlichen Haftbedingungen: überfüllte Zellen, Kälte, mangelhaftes Essen.

Ehemaliges Frauengefängnis Hoheneck Stollberg: Blick in einen leeren Gang mit schweren, geschlossenen Türen an den Seiten
Blick in die Gänge des ehemaligen Frauengefängnisses: Heute ist Hoheneck Gedenkstätte. Bildrechte: picture alliance / ZB

Genau vor 71 Jahren begann hier ein dreitägiger Hungerstreik, mit dem die inhaftierten Frauen für bessere Haftbedingungen kämpften. Deswegen habe man diesen Tag auch für die Einweihung der neuen Skulptur am Purple Path gewählt, sagt Alexander Ochs. Für die Frauen sei der Hungerstreik ein sehr wichtiges Ereignis gewesen. Denn dies sei der Zeitpunkt gewesen, an dem sie sich trotz der Isolation organisiert und Solidarität geübt hätten. Durch ihren aktiven Widerstand haben die Insassinnen des DDR-Frauengefängnisses dann tatsächlich auch etwas bessere Bedingungen erkämpft.

Die Skulptur ist ein glänzender Torbogen von etwa zwei Meter Höhe. Daran lehnt die Künstlerin in Winterjacke. Im Hintergrund sind die Mauern der Festung Hoheneck zu sehen.
Die Künstlerin Leunora Salihu an dem von ihr gestalteten Kunstwerk. Bildrechte: Elvira Birgit Speer

Neue Skulptur am Purple Path in Stollberg eingeweiht

Durch diesen unwirtlichen Ort führt nun auch der Kunst- und Skulpturenweg Purple Path, das umfangreichste Projekt der Kulturhauptstadtregion. Es verbindet die künftige Kulturhauptstadt Chemnitz mit 38 beteiligten Umlandgemeinden wie Stollberg im Erzgebirge. Dort ist jetzt auf dem Außengelände von Schloss Hoheneck die Skulptur "Bogen" der deutsch-kosovarischen Künstlerin Leunora Salihu eingeweiht worden. Sie hat hunderte kreisrunde Aluminiumscheiben zu einem silbern glänzenden Bogen zusammengesetzt.

Der rund zwei Meter hohe, schmale Bogen steht außerhalb von Schloss Hoheneck auf dem ehemaligen Hundeumlauf des Gefängnisses. Hier hätten Tag und Nacht die Wachhunde gebellt und sie in Angst und Schrecken versetzt, berichtet die ehemalige Insassin Margitta Becke. Die heute in Dresden lebende Frau saß 1978/79 in Hoheneck wegen versuchter Republikflucht ein, bevor sie von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft wurde.

Einweihung des Kunstwerkes "Bogen" von Leunora Salihu für den Purple Path in Stollberg: Drei Menschen betrachten den schmalen, silberglänzenden Bogen. Im Hintergrund ist Landschaft zu sehen.
Margitta Becke (Mitte) war in Hoheneck wegen versuchter Republikflucht inhaftiert und hat die Zeit in schlimmster Erinnerung. Bildrechte: IMAGO/Wolfgang Schmidt

Blick auf Erzgebirge oder Gedenkstätte

Heute gibt der Bogen von Leunora Salihu den Blick frei auf die weite Landschaft des Erzgebirges. Man kann hindurch schauen oder den Blick über die umliegenden Hügel mit friedlich grasenden Kühen schweifen lassen. Betrachtet man die Skulptur von der anderen Seite, ergibt sich ein völlig anderes Bild: Man sieht die hohen Mauern des Gefängnisses mit seinen unzähligen vergitterten Fenstern.

Schloss Hoheneck in Stollberg: Die roten Außenmauern ragen steil in den Himmel und wirken wie eine Trutzburg.
Von außen eine finstere Trutzburg: Schloss und Gedenkstätte Hoheneck. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ein symbolträchtiges Kunstwerk

Ein dunkler Ort, sagt auch die sächsische Kulturministerin Barbara Klepsch, die gemeinsam mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im Juli dieses Jahres im Schloss die Gedenkstätte Hoheneck eröffnet hat. Bei der Einweihung des Kunstwerkes sagte sie, für sie sei der Bogen an diesem geschichtsträchtigen Ort ein starkes Symbol. Er zeige sowohl den Blick in die Vergangenheit auf diesen sehr schwierigen Ort. Gleichzeitig aber rüttele er uns auch wach und gebe uns eine Mahnung mit auf den Weg, dass nie wieder Menschen zu Unrecht inhaftiert werden dürften.

Staatsministerin Barbara Klepsch steht an einem runten Tisch im Freien und spricht zu einigen Gästen. Wir sehen sie von hinten.
Staatsministerin Barbara Klepsch spricht zur Eröffnung des Denkmals. Bildrechte: Elvira Birgit Speer

Hoheneck als komplizierter Ort

Der Kunstparcours möchte die Traditionen und Prägungen der beteiligten Gemeinden rund um Chemnitz sichtbar machen. Deshalb werden auch geschichtsträchtige Orte wie das DDR-Frauengefängnis in den Purple Path einbezogen. Für den Geschäftsführer des Programms für die Kulturhauptstadt, Stefan Schmidtke, ist Hoheneck ein sehr komplizierter Ort.

Das gehört auch zur Kulturhauptstadt.

Stefan Schmidtke Leiter Kulturhauptstadt 2025

Stefan Schmidtke, Leiter der Kulturhauptstadt 2025, ein Mann in schwarzem Hemd mit verschränkten Armen, schaut zuversichtlich in die Kamera. Im Hintertrund die Fenster eines Gebäudes, in dessen Treppenhaus er steht.
Der Dramaturg Stefan Schmidtke ist seit 2021 Geschäftsführer der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz GmbH. Bildrechte: Philipp Köhler

Man habe mit sehr vielen Zeitzeuginnen gesprochen und festgestellt, dass es "ein sehr diverses, sehr verworfenes Bild über diesen Ort und die Geschichte" gäbe. Schmidtke sagte, er sei sehr glücklich darüber, genau an diesem Ort mit den Menschen diesen Diskurs zu führen: "Denn das gehört auch zur Kulturhauptstadt."

Schloss Hoheneck – ein Ort der Erinnerungskultur, aber auch ein Ort des Austauschs über eine bessere Zukunft.  

Redaktionelle Bearbeitung: lm, hki

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 14. Oktober 2024 | 16:10 Uhr

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