Hartmut Schill beim Violinespiel
Hartmut Schill, der normalerweise in der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz als Konzertmeister die erste Geige spielt, sitzt alljährlich im international besetzten Orchestergraben der Bayreuther Festspiele. Bildrechte: Wolfgang Schmidt

Oper Chemnitzer Musiker spielt im Bayreuther Festspielorchester

25. Juli 2024, 04:00 Uhr

Am Donnerstag beginnen die Bayreuther Festspiele 2024. Dass sie einem einzigen Komponisten – dem gebürtigen Leipziger Richard Wagner – gewidmet sind, macht sie einzigartig. Wie jedes Jahr sind auch diesmal zahlreiche Musikerinnen und Musiker aus Sachsen dabei. Etwa Hartmut Schill, der sonst in der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz als Konzertmeister die erste Geige spielt. Seit 1999 hat er bis auf wenige Unterbrechungen in Bayreuth mitgespielt und ist dort stellvertretender Konzertmeister.

  • Hartmut Schill, 1. Violine in der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz, ist im Orchester der Bayreuther Festspiele stellvertretender Konzertmeister.
  • Den Musiker begeistert die spezielle Akustik im Bayreuther Festspielhaus, die auf der besonderen Anlage des Orchestergrabens basiert.
  • Das international besetzte Festspielorchester muss binnen kurzer Zeit einen homogenen Klang erreichen.

Am 25. Juli werden die Richard Wagner Festspiele Bayreuth eröffnet. Der 25. Juli ist für Hartmut Schill gesetzt, jedes Jahr! Egal welcher Wochentag. Eigentlich spielt Schill die 1. Violine in der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz – in Bayreuth sitzt er seit Jahren im Festspielorchester und wurde dort auf die Position des stellvertretenden Konzertmeisters berufen.

Gesellschaftliche Rituale auf dem "grünen Hügel"

Am 25. Juli beginnt auch das Promi-Schaulaufen auf dem roten Teppich, alljährlich von zahlreichen Bayreuthern beobachtet und lebhaft kommentiert, das gehört dazu. Festspielchefin Katharina Wagner, Urenkelin von Richard Wagner, wird ihre Gäste begrüßen und das Blitzlicht-Gewitter über sich ergehen lassen. Rituale halt. So wie die Bläsergruppe, die an jedem Festspieltag mit dem Leitmotiv der jeweils gespielten Oper vom Balkon des Festspielhauses daran erinnert, dass die Vorstellung gleich beginnt.

Von da an pilgern sie wieder: Die Wagner-Freaks aus aller Welt, mit oder ohne Frack, im großen oder kleinen Abendkleid. Stundenlang werden sie in engen Reihen, auf viel zu schmalen Holzsitzen ausharren, um seine Musik hier hören und sich gegebenenfalls an einer szenischen Neu-Interpretation reiben zu können. Willkommen am Sehnsuchtsort "Grüner Hügel"! Dort also, wo einst der "kleine Richard" (1,66 Meter) für sein großes Welttheater ein Festspielhaus errichten ließ, in dem bis auf wenige Unterbrechungen seit 1876 ein Festspiel-Programm aus zehn seiner Opern geboten wird.

Arbeiter befestigen den roten Teppich für die Eröffnung der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele vor dem Festspielhaus auf dem Grünen Hügel.
Zur Eröffnung beginnt auch das Schaulaufen auf dem roten Teppich vor dem Bayreuther Festspielhaus – das gehört dazu. Bildrechte: picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand

"Mystischer" Orchestergraben für den Bayreuther Misch-Klang

Hartmut Schill ist von der Musik Wagners begeistert. Die sei einfach genial, meint er, und weiß zugleich um die Untiefen des Komponisten, der auf Grund seines Antisemitismus bis heute umstritten ist. Was Hartmut Schill dennoch seit 1999 ins fränkische Wagner- und Bratwurst-Idyll zieht? "Das hier ist viel Arbeit, aber kein Dienst!", bekennt der stellvertretende Konzertmeister des Bayreuther Festspielorchesters.

Dieses Orchester sei in seiner Leistungsstärke ohnehin kaum zu toppen. Immerhin drängen sich bei manchen Wagner-Opern bis zu 110 Mitwirkende in den schräg abfallenden Orchestergraben. "Mystischer Abgrund" wird der genannt, denn Wagner wollte in seinem Opernhaus die volle Konzentration auf das Bühnengeschehen ermöglichen. Um die Illusion perfekt zu machen, ließ er sogar noch eine Sicht- sowie eine Schallblende anbringen. Damit war das Orchester unsichtbar, während der Klang bis heute auf besondere Weise reflektiert wird. Wenn dann die Bläser samt Schlagwerk von ganz unten loslegen, bekommen die Streicher oben akustisch einiges ab! Aus dieser spezifischen Anordnung resultiere aber letztlich der Bayreuther Misch-Klang, erklärt Schill und setzt lachend hinzu: "Nach Bayreuth kommen halt die Dezibel-Junkies".

Der Komponist Richard Wagner
Hartmut Schill ist von der Musik Wagners (Bild) begeistert. Die sei einfach genial meint er. Bildrechte: picture alliance / dpa

Exzellente Musiker aus vielen unterschiedlichen Orchestern

Die luxuriöse Akustik, die wunderschöne Natur, auch die Internationalität des Festspielorchesters – das alles schätzt der Mann aus Chemnitz. So wie den Austausch mit seinen Kollegen aus unterschiedlichsten Orchestern. Die seien allesamt exzellente Musiker, bei denen nicht das Ego, sondern das Miteinander im Vordergrund stehe. Nur so ließe sich binnen weniger Proben-Wochen ein homogener Klang mit einem solch riesigen Orchester entwickeln. Wie ein Luchs müsse er als stellvertretender Konzertmeister blitzschnell die Intentionen des Ersten Geigers erfassen und an seine Streicher-Kollegen weitergeben – das funktioniere am besten über Körperhaltung, Blickkontakt und gemeinsames Atmen, sagt Schill. So etwas schweißt zusammen und auf dieser Basis sind über die Jahre hinweg auch Freundschaften gewachsen.

Formulierungen wie "da stellt man sich voll und ganz in den Dienst der Musik" oder "wir als Künstler sind nur ein Medium" sind bei Hartmut Schill keine leeren Floskeln. Musiker wie er brennen dafür, Jahr für Jahr an einer Produktion weiterzuarbeiten, den sogenannten Werkstatt-Charakter von Bayreuth mit Leben zu füllen, indem zum Beispiel jüngste Forschungsergebnisse oder neue Ideen von Dirigenten einbezogen werden. Und noch etwas ist ihm wichtig: Die spezielle Bayreuther Musizier-Tradition an die jüngere Generation weiterzugeben – als Investition in die Zukunft dieser Festspiele.

Hartmut Schill beim Violinespiel im Orchester
Hartmut Schill, der normalerweise in der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz als Konzertmeister die erste Geige spielt, sitzt alljährlich im international besetzten Orchestergraben der Bayreuther Festspiele. Bildrechte: Wolfgang Schmidt

Fünf Stunden Oper im nicht-klimatisierten Orchestergraben

Und wie ist das nun, so eine fünfstündige Wagner-Oper im nicht-klimatisierten Orchestergraben zu spielen? Hartmut Schill meint, da laufe der Kreislauf eben auch nach Mitternacht noch auf Hochtouren. Andererseits sei in einer einzigen Wagner-Oper aber auch alles drin an Emotionen, was das Menschsein so ausmache. Noch was? "Es ist des Lernens kein Ende!", zitiert der Primus der Robert-Schumann-Philharmonie den Namensgeber des Chemnitzer Orchesters und freut sich.

Mehr Informationen zu den Bayreuther Festspielen 2024

Die  Bayreuther Festspiele 2024 dauern vom 25. Juli bis zum 27. August. Eröffnet werden sie mit "Tristan & Isolde" in einer Inszenierung von Thorleifur Örn Arnarsson. Es dirigiert Semyon Bychkov, mit Andreas Schager und Camilla Nylund Isolde in den Titelpartien.

Thorleifur Örn Arnarsson wurde 1978 in Reykjavik/Island geboren und studierte an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch".
Neben dieser Neuproduktion gibt es die Wiederaufnahmen von "Parsifal", "Tannhäuser", dem "Ring des Nibelungen" und "Der Fliegende Holländer".

Quelle: Bettina Volksdorf (MDR)
Redaktionelle Bearbeitung: jb

Das Bayreuther Festspielhaus auf dem grünen Hügel in einer Luftaufnahme mit einer Drohne.
Für die Bayreuther Festspiele ließ sich Richard Wagner 1876 ein Festspielhaus für sein großes "Welttheater" errichten. Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Karmann

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. Juli 2024 | 14:40 Uhr

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