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Bundestagswahl Wahlparty bei der Linken in Görlitz: "Das Ergebnis gibt uns Kraft"
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24. Februar 2025, 07:00 Uhr
Für die Linke ging es in Sachsen jahrelang bergab. Einen besonders schweren Stand hat die Partei in Görlitz. Direktkandidat Tino Chrupalla (AfD) gewinnt in dem Wahlkreis zum dritten Mal. Doch das gute Abschneiden der Linken bei der Bundestagswahl gibt vielen Mitgliedern neuen Mut.
Vor dem Büro der Görlitzer Linken wird gegrillt. Es gibt Würstchen, vegan und aus Fleisch. Drinnen stehen Schüsseln mit Nudel- und Kartoffelsalat vor Losungen wie "AFD=1933" oder "Nie wieder ist jetzt". An der Wand hängt ein großes, rotes Marx-Plakat.
Der Kreisvorsitzende Mirko Schultze, der Direktkandidat für die Bundestagswahl Gerhard Fuchs-Kittowski und andere Genossinnen und Genossen sitzen auf alten Sofas mit Studenten-WG-Charme und blicken auf den Bildschirm mit der Wahlberichterstattung.
Als dort um 18 Uhr das Prognose-Ergebnis erscheint, schreien einige der Party-Teilnehmer vor Freude auf: 8,5 Prozent heißt es bei der ARD. Man habe zwar aufgrund der Umfragen ein gutes Ergebnis erwartet, "aber als dann die ersten Balken so über die acht gingen, das hat man hier lange nicht mehr erlebt", sagt der Kreisvorsitzende Schultze. "Das ist schon gut für die Stimmung. Das ist mal was richtig Schönes!"
Der Abstieg der Linken
Seit 2009 hatte die Linke bei den Bundestagswahlen in Sachsen kontinuierlich Wähler verloren. Erlangte sie damals noch mit 24,5 Prozent nach der CDU die meisten Zweitstimmen im Freistaat, erhielt sie 2021 noch 9,3 Prozent, im Landkreis Görlitz waren es mit 7,5 Prozent noch weniger. Der vorläufige Tiefpunkt war die Landtagswahl letztes Jahr, bei der die Linke in Sachsen gerade mal auf 4,5 Prozent kam.
Was war schiefgelaufen? Nicht gerade das Thema, über das Schultze sprechen will: "Das ist heute Abend natürlich so ein bisschen, wie wenn man die Mannschaft, die gerade Fußballmeisterin geworden ist, dazu befragt, warum sie in der letzten Saison fast abgestiegen wäre", sagt er selbstbewusst.
Schultze: "Eine neue Linke"
Dann antwortet er: "Wir haben viel zu lange an Leuten festgehalten, die jetzt im Bündnis Sahra Wagenknecht sind und ihren Streit da weiter fortführen." Und er gibt sich weiter optimistisch: "Wir werden eine neue Linke erleben nach dieser Wahl. Das ist für mich ein geschichtsträchtiges Datum."
Im Büro ist die Stimmung ausgelassen, man unterhält sich bei lauter Musik. "Mich freut es total, dass doch so viele progressiv wählen und für den gesellschaftlichen Wandel einstehen und für eine gleichberechtigte Welt kämpfen wollen", sagt die 25-jährige Tabea. Fotografieren lassen wollen sie und ihre Freundin Lydia sich nicht aus Angst vor Anfeindungen. Die Stimmung in Görlitz sei rauer geworden.
AfD mit Abstand stärkste Kraft im Kreis Görlitz
Im Laufe des Abends zeigt sich dann, dass Tino Chrupalla (AfD) mit 48,9 Prozent mit Abstand die meisten Erststimmen im Wahlkreis Görlitz holt. Der Direktkandidat der Linken, Gerhard Fuchs-Kittowski, kommt auf 6,4 Prozent. Auch bei den Zweitstimmen liegen die Blauen mit 46,7 Prozent im Landkreis klar vorne. "Ich finde es natürlich erschreckend, wenn eine klar faschistische Partei im Wahlkreis fast 50 Prozent der Stimmen holt", sagt Schultze. Das Ergebnis zeige, dass "ganz viele Menschen sich von der Politik im Stich gelassen fühlen".
Aber, so scheint es an diesem Abend, die Freude über den Erfolg überwiegt bei den meisten. "Das Ergebnis gibt uns total viel Kraft und Motivation", sagt Samara Schrenk, die Mitglied im Kreisvorstand ist. Auch wenn linke Politik in Görlitz wie ein Kampf gegen Windmühlen ist, lohne es sich, den Rechten etwas entgegen zu setzen. "Wir sind hier und wir werden auch nicht leiser werden."
Linke Politik hier in Görlitz zu machen ist so ein bisschen wie ein Kampf gegen Windmühlen, aber ich finde, es lohnt sich und es ist wichtig, den Rechten etwas entgegenzusetzen und zu zeigen: Wir sind auch hier und wir werden nicht leiser werden.
Welcher Gefahr sich linke Politiker in Görlitz aussetzen, zeigte sich kurz vor Weihnachten 2024. Mehrere Rechtsextremisten hatten eine Gruppe brutal angegriffen. Zu der Gruppe gehörten auch zwei Kommunalpolitikerinnen der Linken. Im Januar kam ein Tatverdächtiger in U-Haft. Mindestens ein Beschuldigter gehört der Neonazi-Gruppierung "Elblandrevolte" an.