Handwerk 500 Kilometer Weg wegen einer Autoscheibe? Warum eine Werkstatt in Bautzen Europas Camper anlockt
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29. Juli 2024, 06:00 Uhr
Wer ein Wohnmobil hat, kennt das Problem: Nach ein paar Jahren werden die thermoverglasten Seitenfenster oftmals blind. Der einfachste aber auch teuerste Weg ist der komplette Austausch der Scheiben. Reparaturen bieten nur sehr wenige Werkstätten in Deutschland an. Eine davon ist in Bautzen. Ihre Kunden kommen nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch aus Großbritannien und Frankreich.
Ulrich Schultheis ist mit seinem Wohnmobil genau 518 Kilometer weit gefahren, nur um eine Werkstatt in Bautzen zu besuchen. Er kommt aus Bünde bei Bielefeld. Jetzt steht er mit seinem 24 Jahre alten Gefährt auf dem Hof der Autoglaserei Pötschke. Der 69-Jährige zeigt auf die Seitenscheibe an der Fahrerkabine. Sie ist beschlagen und behindert eine gute Sicht. Die Autoglaserei soll das beheben. "Dafür bin ich extra hierhergekommen, weil ich keinen anderen gefunden habe, der das in dieser Form repariert", sagt Schultheis.
Auf Sorgfalt kommt es an
Er könnte auch eine komplett neue Scheibe einsetzen lassen, meint der Rentner. Aber das sei erheblich teurer. Außerdem gebe es für alte Wohnmobile wie seines auch nicht so einfach neue Scheiben. Jetzt setzt er auf Martin Pötschke und dessen Team.
Sie werden die Seitenscheibe ausbauen, auseinander nehmen, reinigen und am nächsten Tag wieder einsetzen. Klingt einfach, ist es aber nicht, sagt Experte Pötschke: "Die Schwierigkeit ist die sorgfältige Arbeit. Das trauen sich nicht viele zu." Deshalb gebe es deutschlandweit seines Wissens nach nur noch eine weitere Werkstatt in Niedersachsen, die solche Reparaturen anbietet. Der Service in Bautzen hat sich in der Camperszene herumgesprochen. Inzwischen hatten sie schon Wohnmobile aus England, Frankreich und den Niederlanden in ihrer Werkstatt stehen, erzählt Pötschke.
Die Schwierigkeit ist die sorgfältige Arbeit. Das trauen sich nicht viele zu.
Sorgfalt sei bei der Scheibenregeneration deshalb wichtig, weil sich ein Fehler nicht sofort bemerkbar mache. "Wenn irgendwo im Ablauf geschludert wird, dann kommt der Fehler erst nach einem Jahr oder 1,5 Jahren zum Vorschein. Das fällt uns dann auf die Füße, weil wir eine gesetzliche Garantiedauer von zwei Jahren haben", erklärt Martin Pötschke.
Warum wird die Scheibe blind?
Doch warum wird die Scheibe überhaupt blind? Eine Thermoverglasung bestehe aus zwei Scheiben, zwischen denen Luft eingeschlossen sei, erklärt der Autoglas-Spezialist. Im Laufe der Zeit können die zusammengesetzte Scheiben undicht werden. Dadurch würde Feuchtigkeit angezogen und die Scheiben beschlagen. Deshalb komme es auf das exakte Heraustrennen der Scheibe aus dem Rahmen und das korrekte Wiedereinsetzen an, damit alles dicht ist.
Ausflugstipps sind inklusive
Inzwischen steht das Wohnmobil von Ulrich Schultheis in der Werkstatthalle, wo zwei Mitarbeiter die trübe Seitenscheibe ausbauen. Um sich die Zeit zu vertreiben, hat der Senior sein Fahrrad mitgebracht: "Ich schaue mir jetzt Bautzen an, kurve ein bisschen rum und mache einfach ruhig." Schließlich sei das eine schöne Ecke hier. So wie Ulrich Schultheis würden es viele der Wohnmobilbesitzer machen, erzählt Martin Pötschke. Ausflugstipps und Restaurantempfehlungen seien deshalb bei seinem Service inklusive.
Erst Skepsis, dann wohlfühlen
Dabei betreiben Martin Pötschke und seine Frau Diana nebenbei auch gleich noch etwas Imagepflege für Bautzen. Viele, vor allem Westdeutsche, kämen zunächst ein bisschen skeptisch in die Stadt, erzählt er. Der Ruf von Bautzen sei nicht der Beste, die meisten würden nur den Bautzner Senf und das Gefängnis "Gelbes Elend" kennen. Aber dann würden sie die Altstadt erleben und sich wohlfühlen. "Die meisten sagen: Wenn wir wieder runter in die Sonne fahren, halten wir in Bautzen an und schauen uns hier noch einmal um."
Ulrich Schultheis hat sich inzwischen an der Talsperre umgeschaut und sie mit seinem Rad umrundet. Einen Tag später kann er sein Wohnmobil mit blitzblanker Scheibe wieder in Empfang nehmen. Die nächste Reise hat er mit seiner Frau schon geplant. Es soll Richtung Norden gehen, vielleicht nach Schweden und Finnland. Den richtigen Durchblick dafür hat er wieder.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 06. August 2024 | 16:30 Uhr