Fernwärmeleitungen
Noch stammt die Fernwärme in der Lausitz häufig aus den Kohlekraftwerken in Boxberg und Schwarze Pumpe. Das soll sich bald ändern. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / imagebroker/puchinger

Studie Wie Fernwärme-Versorgung in der Lausitz ohne Kohle gelingen kann

12. September 2023, 09:23 Uhr

Wenn in spätestens 15 Jahren die Kohlekraftwerke in Boxberg und Schwarze Pumpe dicht machen, liefern sie auch keine Fernwärme mehr nach Hoyerswerda und Weißwasser. Damit die Menschen dort weiter heizen können, muss also eine umweltfreundliche Alternative her. Kann man aber ein ganzes Fernwärmenetz auf erneuerbare Energien umstellen und das noch zu bezahlbaren Preisen? Das wollten die Stadtwerke wissen und haben dazu eine Studie beauftragt. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.

Auch große Fernwärmenetze können mit bezahlbarer Wärme aus klimafreundlichen Energiequellen versorgt werden. Das ist das wichtigste Ergebnis einer Studie, die die drei Stadtwerke von Hoyerswerda, Weißwasser und Spremberg beauftragt haben. Hintergrund ist die Abschaltung der Kohlekraftwerke in Boxberg und Schwarze Pumpe, die spätestens 2038 kommen wird. Sie liefern bisher preiswerte Fernwärme an Zehntausende Menschen in der Region. Die Studie gibt den drei Städten jetzt einen Fahrplan an die Hand, wie sie die Kohle durch umweltfreundliche und klimaneutrale Energiequellen ersetzen können.

Genügend Flächen für nachhaltige Wärmeerzeugung

Mario Ragwitz vom Fraunhofer-Institut für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG) hat die Studie zur Wärmewende in der Lausitz geleitet. Er sagt, dass es zunächst nicht sicher war, ob solch eine Umstellung tatsächlich funktionieren könne. Schließlich lieferten die Kohlekraftwerke große Energiemengen und Fernwärme für 60.000 Menschen.

Aber die Region habe genügend Flächen, um unter anderem mit Hilfe von Solarthermie, Erdbeckenspeichern und Wärmepumpen ausreichend Wärme zu erzeugen. Die Experten haben für jede Stadt genau untersucht, welche erneuerbare Energiequellen dort genutzt werden könnten.

Verschiedene Wärmequellen nutzen

Realistisch seien neben der Solarthermie und den Erdbeckenspeichern auch die Nutzung von Abwärme aus Unternehmen wie der Müllverbrennungsanlage in Lauta, erklärt Mario Ragwitz. Hoyerswerda könnte außerdem am Scheibe-See eine große Wärmepumpe installieren, sagt Ragwitz. "Sie funktioniert wie ein umgekehrter Kühlschrank." Die Pumpe entziehe dem See Wärme und wandele sie in Heizwärme um. Das sei sehr effektiv, denn aus einer Kilowattstunde Strom erhalte man vier Kilowattstunden Wärme.

Was ist ein Erdspeicherbecken? Ein Erdspeicherbecken ist ein riesiges Wasserbecken, das als Wärmespeicher genutzt wird. Dänemark ist bei dieser Technologie Vorreiter, in Deutschland gibt es bisher nur wenige Anlagen.

So funktionierts: Im Sommer erzeugen solarthermische Anlagen Wärme. Damit wird das mit Folien abgedeckte Wasser aufgeheizt und die Wärme gespeichert. Im Winter wird sie bei Bedarf wieder abgegeben.

Um die benötigten Anlagen für Solarthermie oder Erdspeicherbecken zu bauen, braucht es Flächen, insgesamt fast 100 Hektar. Die Studie hat deshalb auch geprüft, welche Flächen den drei Kommunen tatsächlich für solche Projekte zur Verfügung stehen würden.

Das ausgewiesene Potential sei zwar um ein vielfaches höher, sagt Wolf-Thomas Hendrich, Chef der Versorgungsbetriebe Hoyerswerda. Aber die Herausforderung sei der Kauf der Flächen, die möglichst nah an den Wärmenetzen liegen sollten. Außerdem die langfristige Nutzung für die Wärmeerzeugung. "Deshalb ist es wichtig, dass wir das im Einklang  mit den Kommunen, der Stadtentwicklung und den Bürgern hinbekommen." Das brauche Zeit und müsse jetzt angegangen werden.

Die Herausforderung ist, die Flächen zu erwerben und sie langfristig für die Wärmeerzeugung zur Verfügung zu stellen. Wir reden von knapp 100 Hektar, die wir möglichst nah an den Wärmenetzen benötigen.

Wolf-Thomas Hendrich Versorgungsbetriebe Hoyerswerda

Vom Käufer zum Erzeuger von Fernwärme

Mit der Umstellung ihrer Fernwärmenetze wird sich auch das Geschäftsmodell der Stadtwerke ändern: Sie werden vom Käufer zum Erzeuger von Fernwärme, sagt Wolf-Thomas Hendrich. Das habe für die Region viele Vorteile, bleibe doch die Wertschöpfung vor Ort. Außerdem könne man die Preise besser kalkulieren und beeinflussen. "Dementsprechend können wir auch günstige Preise an die Bevölkerung, an das Gewerbe und die Industrie weitergeben."

Preise werden steigen

Allerdings müssten sich die Menschen darauf einstellen, dass die Preise trotzdem steigen würden. Die Studie geht derzeit von einem Preis zwischen 9 und 14 Cent pro Kilowattstunde aus. Dies wäre im Vergleich zu anderen Wärmequellen aber immer noch günstig, so Hendrich. Zugleich müsse man sehen, dass die Neuausrichtung nicht zum Nulltarif zu haben sei. Mehr als 180 Millionen Euro müssen die Stadtwerke insgesamt investieren. Ohne Fördermittel sei das nicht machbar.

 Fernwärmeleitungen in Rothenburgsort, Hamburg, Deutschland
Auch bei der Nutzung von Fernwärme sind aufgrund der Energiewende neue Wege gefragt. Hoyerswerda, Weißwasser und Spremberg wollen dafür die Voraussetzungen schaffen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Christian Ohde

In einem nächsten Schritt sollen jetzt die verschiedenen Varianten, die die Studie den Kommunen vorgeschlagen hat, in den Stadträten besprochen und festgelegt werden. Danach kann die Entwurfs- und Vorplanung beginnen, auf deren Grundlage dann Fördermittel beantragt werden können. In zehn bis 15 Jahren wollen die Stadtwerke die Umstellung auf nachhaltig erzeugte Fernwärme geschafft haben.

Kopieren ausdrücklich erlaubt

Mit ihrem Plan zur "Wärmewende" seien die drei Stadtwerke durchaus Vorreiter in Deutschland, sagt Studienleiter Mario Ragwitz. In vielen Städten seien kommunale Wärmepläne in Arbeit, man sei aber noch nicht so weit wie in der Lausitz. Sie könnten deshalb von den Erkenntnissen aus der Studie profitieren.

Zwar seien die Gegebenheiten individuell unterschiedlich, aber die Analysemethoden der Studie seien übertragbar. "Wir werben dafür, dass man die Geschwindigkeit der Energiewende beschleunigt, in dem man hier kopiert. Man soll tatsächlich abgucken, damit eine ähnliche Analyse dann deutlich schneller geht."

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 11. September 2023 | 16:30 Uhr

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