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Gesundheitsversorgung Ein Hautarzttermin in Ostsachsen? "Eine Katastrophe!"
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25. Februar 2025, 05:00 Uhr
Ein Mann aus Kamenz berichtet MDR SACHSEN, dass er in seiner Region keinen Hautarzt-Termin bekommt. Dabei ist die Versorgung dort theoretisch gut. In der Praxis aber kriegen in vielen Gegenden Sachsens Neupatienten kaum einen Arzttermin. Eine Medizinerin sagt, es lohne sich für Ärzte nicht genug, Neupatienten aufzunehmen.
- Warum Patienten auch in Gebieten mit einem Versorgungsgrad von mehr 100 Prozent keine Termine bekommen.
- Eine Ärztin hat einen Verdacht und sieht auch Probleme, weil Anreize fehlen, dass Ärzte neue Patienten überhaupt aufnehmen.
- Tipps zur erfolgreichen Terminsuche, wenn man dringend einen Facharzt braucht.
Ein MDR SACHSEN-Nutzer aus Kamenz schreibt: "Es ist ganz schwer, Hautärzte zu finden in Ostsachsen." Und weiter: "Kein Hautarzt in der Region nimmt noch neue Patienten auf", so der Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen will. "Ich habe bis nach Dresden, Hoyerswerda und Bautzen telefoniert."
Ein Aufruf auf Instagram
Ein Einzelfall? MDR SACHSEN hat bei den Instagram-Followern nachgefragt, wie schwierig es in ihrer Region ist, einen Termin beim Hautarzt zu bekommen. Mehr als 50 Menschen haben uns geantwortet:
Schwieriger als schwierig. Terminvergabe nur einmal im Jahr, keine Neupatienten.
"Ich bin langjähriger Patient in einer Hautarztpraxis und warte trotzdem sechs Monate auf einen Termin", hieß es da. Und: "Im Landkreis Görlitz eigentlich unmöglich, kein Hautarzt nimmt neue Patienten". Eine Nutzerin nannte die Lage auch "schwieriger als schwierig. Andere sprachen von "Katastrophe im Landkreis Görlitz". Eine Instagram-Nutzerin berichtete von "mindestens neun Monaten Wartezeit".
Im Landkreis Görlitz ist es eine Katastrophe.
Eine Frau schrieb, es sei leichter gewesen als gedacht, einen Termin in der Dermatologie im Krankenhaus zu bekommen. Eine andere berichtete, sie habe sehr schnell einen Termin bekommen, aber sie sei auch Privatpatientin. Der Tenor der Antwortenden aus Sachsen klang ansonsten ähnlich, besonders viele Beschwerden kamen aus den Landkreisen Görlitz und Bautzen.
Wer einen Termin will, braucht Hartnäckigkeit
Beim Versuch, sächsische Hautärzte für ein Gespräch zu kontaktieren, erlebten wir, wie schwierig es in den meisten Praxen ist, überhaupt jemanden ans Telefon zu bekommen. Anrufe wurden häufig ignoriert. Wer einen Termin will, braucht Hartnäckigkeit.
Auch Bestandspatienten warten sechs Monate
Aber auch wer durchkommt, blitzt meist ab: Beim Görlitzer Hautarzt Livio Hille etwa ging gleich eine Sprechstundenhilfe ans Telefon, sagte aber, man nehme keine neuen Patienten auf. Für Bestandspatienten betrage die Wartezeit ein halbes Jahr.
Beim Bautzener Hautarzt Dr. Michael Bär zum Beispiel hieß es schon auf der Bandansage: "Die Annahme von Neupatienten erfolgt bis auf weiteres nur noch bei begründetem ärztlichen Verdacht auf Vorliegen eines bösartigen Hauttumors und zur Planung einer ambulanten Operation."
Versorgungslage auf dem Papier gut
Dabei erscheint die Versorgungslage mit Hautärzten auf dem Papier nicht so schlecht: Laut Kassenärztlicher Vereinigung Sachsen (KVS) ist der Versorgungsgrad, Stand Juli 2024, nur in diesen Regionen zu gering oder mangelhaft, also unter 100 Prozent Abdeckung:
- Löbau-Zittau (0 Prozent)
- Annaberg (58,1 Prozent)
- Aue-Schwarzenberg (70,1 Prozent)
- Bautzen (76,8 Prozent).
Genügend Ärzte vorhanden, aber ungelich verteilt
Der Gesundheitsökonom der Hochschule Zittau-Görlitz, Prof. Jörg Saatkampf, sieht das Problem deshalb eher in der Verteilung der Ärzte begründet als in einem allgemeinen Ärztemangel. Denn in einigen Regionen gibt es laut Kassenärztlicher Vereinigung eine Versorgung von mehr als 140 Prozent.
Keine Termine trotz mehr als 100 Prozent Versorgungsgrad
Doch offensichtlich bedeutet ein Versorgungsgrad von mehr als 100 Prozent nicht, dass jeder Patient, der einen Hautarzttermin braucht, auch problemlos einen bekommt. Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) ist das Problem bekannt.
Auf Nachfrage von MDR SACHSEN bestätigt sie: "In vielen Regionen gibt zwar einen Versorgungsgrad von 100 Prozent, aber die Menschen vor Ort erzählen mir, dass sie monatelang keinen Termin finden." Die Anpassung der Vorgaben für die Bedarfsplanung sei deshalb "eine Aufgabe für die neue Bundesregierung.
Ärztin findet selbst keinen Termin - und wartet ein Dreivierteljahr
Via Instagram hat auch eine angestellte Fachärztin aus dem Landkreis Bautzen MDR SACHSEN geantwortet. Ihr Name ist bekannt, sie will aber nicht namentlich genannt werden. Auch sie habe als Kassenpatientin Schwierigkeiten gehabt, in der Region einen Hautarzt zu finden - "selbst unter Kollegen". Schließlich sei es ihr nach vielen Telefonaten und einer Wartezeit von einem Dreivierteljahr dann doch gelungen.
Sie glaubt, dass das Problem mit fehlenden Anreizen durch die Krankenkassen zu tun habe. Zu ihr kämen Patienten aus Bautzen, Görlitz und Zittau, weil sie keinen Arzt ihrer Fachrichtung in Wohnortnähe fänden. "Es gäbe näher gelegene Ärzte, aber die nehmen niemand Neues mehr", sagt sie. Und sie wisse auch, warum: "Viele Kollegen bestellen die Patienten, die schon gut eingestellt sind, jedes Quartal ein. Da können sie gleich viel abrechnen, wie bei einem neuen. Der neue Patient macht aber viel mehr Arbeit".
Viele Kollegen bestellen die Patienten, die schon gut eingestellt sind, jedes Quartal ein. Da können sie gleich viel abrechnen, wie bei einem neuen. Der neue macht aber viel mehr Arbeit"
Welche Lösungen gibt es?
Die Ärzteversorgung in Sachsen sicherzustellen, ist Aufgabe der Kassenärztliche Vereinigung. Gern hätten wir mit der Selbstverwaltungskörperschaft über das Problem gesprochen, aber unsere Fragen könne man erst im März beantworten, hieß es. Zu viele Mitarbeiter seien krank oder im Urlaub.
Das Sozialministerium in Dresden nennt auf Nachfrage einige Maßnahmen, die helfen sollen, den Mangel zu lindern. So haben etwa im Gebiet Löbau-Zittau Hausärzte die Möglichkeit, eine digitale Beratung bei einem Hautarzt anzufordern. So können die Patienten direkt bei ihrem Hausarzt Hilfe bei Hautkrankheiten bekommen. Außerdem gebe es diverse Fördermöglichkeiten für Ärzte, dass sie sich in Gebieten mit schwacher Versorgung niederlassen.
In Bautzen betreibt die Kassenärztliche Vereinigung eine eigene Praxis, um dem dort herrschenden Hautärztemangel entgegenzuwirken. Der Gesundheitsökonom Saatkamp sagt angesichts all dieser Maßnahmen: "Viel mehr kann man eigentlich nicht tun." Man könne schließlich keinen Hautarzt dazu zwingen, sich zum Beispiel in Löbau niederzulassen.
Was tun, wenn man keinen Termin bekommt?
All jenen, die vergeblich einen Hautarzt suchen, empfiehlt Saatkamp, sich an die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigung zu wenden. "Es gibt seit einigen Jahren Terminservicegesetz, nach dem gesetzlich Versicherte Anspruch haben auf einen Termin innerhalb von vier Wochen."
Die Termine werden online oder unter der Rufnummer 116 117 vergeben. Voraussetzung für eine Vermittlung innerhalb von vier Wochen ist aber eine Überweisung des Hausarztes mit Dringlichkeitscode. Die Servicestelle vermittelt dann einen Termin beim nächstgelegenen Facharzt. Das kann auch bedeuten, dass der Termin nicht in unmittelbarer Nähe des Wohnortes ist.
So war es auch beim MDR-Nutzer aus Kamenz, der uns geschrieben hatte: Nachdem sein Hausarzt ihm die Überweisung samt Dringlichkeitscode geschrieben hatte, bekam er über die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes einen Termin – allerdings in Görlitz - rund 70 Kilometer von seinem Zuhause entfernt und zu einer Zeit, zu der er nicht konnte.
MDR (kk)