Kriminalität und Sicherheit Kriminologe Marcel Schöne: "Waffenverbotszonen lösen keine Konflikte"
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06. April 2025, 10:18 Uhr
Waffenverbotszonen wie in Magdeburg und Halle sollen Kriminalität senken und das Sicherheitsempfinden erhöhen. Doch ob sie das schaffen, ist umstritten. Der Kriminologe Marcel Schöne hat die Waffenverbotszone in Leipzig in einer Studie untersucht. Er fand dabei nur kurzzeitige positive Effekte und sieht deshalb in der Maßnahme keine langfristige Lösung.
Seit mehr als vier Jahren gibt es in Sachsen-Anhalt zwei Waffenverbotszonen – an den Hauptbahnhöfen der Großstädte Magdeburg und Halle. Eingeführt wurden sie mit dem Ziel, mögliche Täter abzuschrecken und dort somit die Kriminalität zu senken sowie das Sicherheitsgefühl zu verbessern. Doch ob die Zonen das erfüllen, ist umstritten.
Welche Regeln gelten in einer Waffenverbotszone? Wer sich in einer Waffenverbotszone aufhält, darf keine Waffen oder Messer mit fester oder feststellbarer, mehr als vier Zentimeter langer Klinge bei sich haben. Die Polizei kann innerhalb der Zone verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen.
Wissenschaftliche Untersuchungen von Waffenverbotszonen sind Mangelware. Eine der wenigen Studien hat der Kriminologe Marcel Schöne vom Sächsischen Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung mitverantwortet. Darin wurde der Nutzen der 2018 in Leipzig eingeführten Waffenverbotszone über mehr als zwei Jahre untersucht. Das Ergebnis: Die Maßnahme hat kaum Wirkung gezeigt. Schöne sieht Analogien zu anderen Verbotszonen wie etwa in Halle und Magdeburg.
Verbotszonen bringen nur kurzfristige Effekte
Im Gebiet der Waffenverbotszone in Halle stellte die Polizei im ersten halben Jahr nach der Einführung einen Rückgang der registrierten Straftaten um etwa 19 Prozent fest. Ähnliches wurde auch in Leipzig beobachtet. Schöne erklärt das mit der erhöhten Polizeipräsenz, die kurz nach der Einführung herrschte. Das habe zu einem zeitlichen Verdrängungseffekt geführt. Nach diesen sechs Monaten sei das Kriminalitätsgeschehen wieder auf das alte Niveau angestiegen.
Einen langfristigen Nutzen sieht Schöne in einer Waffenverbotszone nicht. "Diese Maßnahme ist vielleicht gut, um in dramatischen Situationen, in denen Kriminalität steigt, ein Zeichen zu setzen vom Staat. Aber es ist keine Maßnahme auf Dauer, sondern für den Moment", sagt der Kriminologe. Waffenverbotszonen seien eher Symbolpolitik. "Wenn jemand ein Attentat plant, dann lässt er sich von einer Waffenverbotszone nicht abschrecken", so Schöne.
Sicherheitsempfinden verbessert sich nicht
Im Rahmen der Leipziger Studie wurden 3.000 Anwohner befragt, ob die Waffenverbotszone ihr Sicherheitsempfinden verbessert hat. Schöne zufolge, hätten zwar vor allem ältere Menschen und junge Familien die Einführung begrüßt, das Sicherheitsempfinden habe sich trotz Waffenverbotszone aber nicht verändert. "Deswegen ist die Einrichtung von der Mehrheit als wirkungslos beschrieben worden", bilanziert er.
Viele Anwohner würden Waffenverbotszonen stattdessen stigmatisierend wahrnehmen. Die Bereiche würden als gefährliche Orte abgestempelt und so noch mehr in den Fokus rücken, beispielsweise von medialer Berichterstattung.
Einschränkung der Bürgerrechte nur bedingt akzeptabel
Das größte Problem sieht Schöne aber darin, dass in den Zonen Bürgerrechte einschränkt sind. "Ein großer Kritikpunkt an Waffenverbotszonen ist, dass sie staatlich anlasslose Kontrollen möglich machen und damit Tür und Tor öffnen für Racial Profiling, Ethnic Profiling und Social Profiling." Der Befürchtung liegt zu Grunde, dass Polizisten vor allem Menschen kontrolliert würden, die etwa in ein ethnisches oder soziales Raster passen. In Leipzig sei die Verbotszone auch deshalb von vielen Anwohnern abgelehnt worden, erklärt Schöne.
Waffenverbotszonen hält der Kriminologe nur für sinnvoll, wenn sie die Kriminalität senken oder das Sicherheitsgefühl erhöhen. Ist beides nicht der Fall, erklärt Schöne, "ist der Preis, also die Einschränkung der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern, zu hoch."
Waffenverbotszonen bekämpfen nur Symptome
Dass Waffenverbotszonen langfristig etwas verändern, glaubt Schöne auch deshalb nicht, weil sie seinen Aussagen zufolge nur die Symptome bekämpfen würden. "Waffenverbotszonen lösen Konflikte nicht", sagt er. Schöne meint damit, dass die Probleme tiefer liegen, die Kriminalität nur die Folge von unzureichender Sozialpolitik ist.
In Leipzig hat die Studie dazu geführt, dass die Waffenverbotszone abgeschafft werden soll. Statt weiter daran festzuhalten, entschied sich die Stadt, mehr in die sozialen Strukturen des betroffenen Viertels investieren zu wollen. Schöne hält es für sinnvoll, dass das auch in anderen Waffenverbotszonen passiert. Es brauche z.B. mehr Anlaufstellen für Jugendliche, damit die gar nicht erst auf die schiefe Bahn geraten, erklärt der Kriminologe.
MDR (Marius Rudolph)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. April 2025 | 11:00 Uhr
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