Besuch zum Tag der Deutschen Einheit Was Polen mit Sachsen-Anhalt verbindet
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04. Oktober 2023, 10:41 Uhr
Polen ist für Sachsen-Anhalt ein so wichtiger Partner, dass am Dienstag eine Delegation des Landes in Polen den Tag der Deutschen Einheit gefeiert hat – trotz der aktuellen Spannungen mit der nationalkonservativen Regierung Polens. Doch die Verbindungen reichen über diplomatische Beziehungen hinaus.
- Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat den Einheitsfeiertag mit einer Delegation der Landesregierung in Warschau verbracht.
- Bei den Feierlichkeiten standen die deutsch-polnischen Verbindungen im Fokus.
- Bei der Reise geht es aber auch um eine Forschungskooperation mit Polen.
"Ich sage es als geborener Ostdeutscher: Uns ist bewusst, dass ich hier ohne das polnische Volk nicht stehen würde", sagt Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) auf der Einheitsfeier in der Deutschen Botschaft in Warschau und erntet dafür Applaus. Von Diplomaten vieler Länder, von polnischen Gästen – und vielleicht am Wichtigsten: von einigen Überlebenden des Warschauer Aufstandes, die zu der Feier geladen wurden.
Haseloff geht ein auf die Höhen und Tiefen in den Beziehungen zwischen Deutschland und Polen: Die Besatzung, die deutschen Kriegsverbrechen, die Zerstörung Warschaus durch deutsche Truppen. Auf das Vorbild der Solidarność-Bewegung für die friedliche Revolution und schlussendlich die deutsche Wiedervereinigung.
Ohne das polnische Volk, den Mut und all das, was dieses Volk auf sich genommen hat, würden wir diesen Tag der Deutschen Einheit hier nicht feiern können.
Wichtige Zusammenarbeit mit Polen
Es sind große Worte, die bei der "Nacht der Deutschen Einheit" gesprochen werden – vom europäischen Zusammenhalt, vom Brückenbau zwischen den Staaten. Sachsen-Anhalt hat zwei Partnerregionen in Polen, zwischen denen es Kontakte etwa im Bereich Bildung und Kultur gibt: Masowien und Pommern. Daher gibt es etwa Städtepartnerschaften und gegenseitige Schüleraustausche.
Auch diese Austauschprogramme vermitteln vor allem die geschichtliche Verbundenheit: So besuchen Schülerinnen und Schüler aus Sachsen-Anhalt regelmäßig die Gedenkstätte in Treblinka, nordöstlich von Warschau. In dem früheren Vernichtungslager waren zwischen 1942 und 1944 hunderttausende Menschen von Deutschen ermordet worden. Gerade vor diesem geschichtlichen Hintergrund ist eine Einheitsfeier in Polen ein besonderes Zeichen, das vor allem auf die bisherige und zukünftige Zusammenarbeit verweisen soll.
Polen: Wirtschaftliches Schwergewicht für Sachsen-Anhalt
Die Verbindungen zwischen Sachsen-Anhalt und Polen reichen über die kulturellen – und politisch forcierten – Kontakte hinaus. Vor allem wirtschaftlich profitieren beide Seiten voneinander. Trotz rückläufiger Zahlen bleibt Polen Sachsen-Anhalts wichtigster Handelspartner. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes wurden im ersten Halbjahr 2023 Waren im Wert von 1,3 Milliarden Euro ins deutsche Nachbarland exportiert. Das sind zwar 17,9 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, trotzdem ist Polen neben den Niederlanden damit weiterhin das wichtigste Ausfuhrland für Sachsen-Anhalt.
Bei den aus Polen importierten Waren verzeichnete Sachsen-Anhalt ein Plus von 4,4 Prozent. Der Warenwert lag hier bei 1,2 Milliarden Euro. Nur aus China (1,4 Milliarden Euro) importierte Sachsen-Anhalt Waren in höherem Wert. Da verwundert es auch nicht, dass Sachsen-Anhalt beim Botschaftsabend natürlich mit regionalen Produkten für sich wirbt, mit Halloren-Kugeln und Unstrut-Wein.
Perspektivisch dürfte das Handelsvolumen wohl noch größer werden – weniger wegen kulinarischer Spezialitäten, sondern wegen des Aufschwungs der Halbleiterindustrie. Wie in Sachsen-Anhalt will der amerikanische Chipkonzern Intel auch im polnischen Breslau eine Fabrik aufbauen. Dort sollen Chips montiert und getestet werden, die etwa aus den Magdeburger Chipfabriken oder den irischen Chipwerken in Leixlip kommen können.
Forschungskooperationen mit Tradition
Die Delegationsreise soll auch die Zusammenarbeit im wissenschaftlichen Bereich vertiefen. Das Fraunhofer-Institut für Fabrikforschung in Magdeburg etwa plant Energienetze nicht nur für Deutschland, sondern auch für Städte in der Partnerregion Masowien.
Wir planen die zukünftigen Infrastrukturen technisch, also: Wie kann man optimal entsprechende Anlagen auch auslegen, wie kann man die Trassen optimal planen?
Wie moderne Energienetze effektiv, und zugleich landschaftsschonend und sozial akzeptiert aufgebaut werden können, erforschen Prof. Przemyslaw Komarnicki und Dr. Bartolomiej Arendarski am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb. Die gebürtigen Polen leben und forschen in Magdeburg. Eine Kooperation mit Wissenschaftlern und Unternehmen in Polen liegt nahe.
Seit 2015 wurden bereits mehrere von der Europäischen Union geförderte Projekte gemeinsam mit der Technischen Universität Warschau durchgeführt. Nun könnte mit dem Łukasiewicz-Institut für Elektrotechnik ein weiterer Partner hinzukommen, auf der Delegationsreise steht ein Besuch dort auf dem Programm. Dabei geht es nicht nur Strom- sondern auch um Wasserstoff-Netze.
Das Fraunhofer-Institut in Magdeburg hofft neben der Forschungskooperation auf direkte Aufträge aus der polnischen Industrie. Längst ist deutlich: Polen ist keine 'verlängerte Werkbank' für deutsche Unternehmen.
Deutsch-Polnische Verstimmungen
Die bereits erfolgreichen und auch die potenziell möglichen Kooperationen können nicht über die aktuellen Spannungen zwischen Deutschland und Polen hinwegtäuschen: Die von der nationalkonservativen PiS geführte Regierung macht mit schrillen Tönen gegenüber Berlin Wahlkampf. Die Forderung nach Reparationszahlungen, der Vorwurf deutscher Hegemonie in der EU und auch der aktuelle Skandal um Arbeitsvisa, die von polnischen Privatfirmen an Migranten aus Drittstaaten ausgestellt worden sein sollen – all das wird offiziell bei Sachsen-Anhalts Empfang ausgeklammert.
Haseloffs einziger Verweis in seiner Rede in der Botschaft auf die angespannte Lage zwischen den beiden Staaten ist ein Satz. Er sei der Überzeugung, dass die großen Gemeinsamkeiten, die die beiden Völker zusammenhalten, überwiegen, "was an diskussionswürdigen Themen auch zu besprechen ist".
Mit Spannung schaut damit auch die Landesregierung auf den Ausgang der polnischen Wahlen am 15. Oktober 2023. Zumindest auf der Einheitsfeier ist Haseloff sich sicher: "Wir haben eine gemeinsame Zukunft in Frieden und Freundschaft vor uns und werden und wollen sie auch gemeinsam gestalten."
Im Juni war Haseloff ebenfalls in Polen zu Gast – damals ging es um das Zukunftszentrum Deutsche Einheit, das in Halle entstehen soll.
MDR (Roland Jäger, Cornelia Winkler), dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – DAS RADIO WIE WIR | 03. Oktober 2023 | 05:30 Uhr
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