Analyse Reiner Haseloff besucht Polen: Reise in die Zukunft?

11. Juni 2023, 09:13 Uhr

Vier Tage lang war Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit einer Delegation in Polen unterwegs. Es gab Gespräche mit Wirtschaft, Kirchenvertretern und Politik. Am Ende gibt es wenig Konkretes zu verkünden und doch war die Reise ein wichtiges Zeichen für die Zukunft und das Zukunftszentrum, das bis 2028 in Halle entstehen soll.

Ein Mann mit Brille und blauem Sacko lächelt in die Kamera.
Bildrechte: MDR/Gaby Conrad

Es ist das große Knutschen an vier Tagen. Drei Küsschen – links, rechts, links. Ständig. Besonders gern genommenes Objekt der sichtbaren deutsch-polnischen Herzlichkeit: Die Wangen von Cornelia Pieper. FDP-Frau und deutsche Generalkonsulin in Danzig – mit halbem Herzen in Halle geblieben, ihrer Heimatstadt. "Auf Bundesebene ist das deutsch-polnische Verhältnis ziemlich zum Erliegen gekommen aufgrund der Differenzen mit der PiS-Regierung", sagt Pieper und nennt als Beispiel, dass die letzten Regierungskonsultationen fünf Jahre her sind und Deutschland an der Reihe wäre, die nächsten zu organisieren.

Außenpolitik auf regionaler Ebene

Umso mehr schätzt die Diplomatin, dass sich nun Ministerpräsidenten zunehmend für Polen interessierten. Einer davon ist der aus Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU). Er sieht sich mit seiner Polenreise keineswegs in Konkurrenz zum Auswärtigen Amt: "Außenpolitik kann man auf regionaler Ebene betreiben wie auch auf Bundesebene. Die Regionen sind durch Förderprogramme miteinander verbunden, sodass wir verfassungskonform unterwegs sind", sagt er.

Auf dieser regionalen Ebene stimmt die Chemie. "Der Reiner" und "der Piotr" - so reden sich Ministerpräsident Haseloff und sein quasi Amts-Kollege Piotr Całbecki (PO), Marschall der Woiwodschaft Kujawien-Pommern gegenseitig an, verstehen sie prächtig. Piotr nennt Reiner seinen "Mentor", Reiner nennt Piotr seinen "großen Freund". Die Chemie stimmt, auch zwischen den Ehefrauen, die Stimmung sowieso.

Auch wirtschaftlich stiftet Chemie Verbindung, denn große Werke gibt es in beiden Regionen. So gibt es etwa Kooperationen beim Thema "Grüner Wasserstoff". Auch andere Disziplinen wollen künftig zusammenrücken: Das Drohnenzentrum in Cochstedt soll etwa mit Experten der Woiwodschaft Kujawien-Pommern in Austausch treten und auch der landwirtschaftliche Sektor, vor ähnlichen Problemen stehend, kann wechselseitig profitieren.

Polen auf der Überholspur

Vieles bewegt sich im Kann-Bereich, im Bereich von Absichten und Ideen, das wird auch im Gespräch mit den Fachexperten deutlich, die die Delegation begleiten. Einer davon, Fabian Schenk vom "Enterprise Europe Network Sachsen-Anhalt" betont, die starren Strukturen in der Deutschen Arbeitswelt seien hinderlich, etwa wenn es um die Gewinnung polnischer Fachkräfte für Deutschland gehe. Ein Eindruck der bestätigt: Polen ist in vielerlei Hinsicht auf der Überholspur unterwegs, beim Thema Bildung hat es bereits die Nase vorn, bestätigt auch General-Konsulin Pieper.

Haseloff und Całbecki betonen gleichermaßen, dass es wichtig sei, die Jugend zusammenzubringen, auf dass sich die neue Generation ihre neue Welt baue – immer Europa im Blick. Deshalb soll ein Zentrum zum internationalen Jugendaustausch zwischen Deutschen, Polen, Franzosen und Ukrainern entstehen, angegliedert an ein kirchlich bewirtschaftetes Landgut in der Nähe von Toruń, das Ministerpräsident Reiner Haseloff nun "konsequent und mit Kraft" voranbringen möchte.

Deutlich wird auf der Reise, die gepflastert von manchmal zufälligen Begegnungen mit auffällig höflichen, offenen und gebildeten Menschen, dass etwaige Vorurteile gegenüber Polen mit Macht abgeschüttelt werden müssen. Deutlich wird auch in der Allgegenwärtigkeit des katholischen Glaubens, dass dieser gesellschaftliche Kitt, dieser gemeinsame Nenner, Deutschland fehlt. Ministerpräsident Haseloff will deshalb diese Werte "nicht vertrocknen lassen", sondern wünscht sie sich als "Humus und Wurzelboden" für den Europäischen Weg. Auch deshalb suchte der praktizierende Katholik auf seiner Reise immer wieder den Kontakt zu kirchlichen Würdenträgern aller Konfessionen.

Einigkeit zwischen Haseloff und Wałęsa

Einig ist Haseloff sich bei diesem Punkt auch mit Friedensnobelpreisträger, Ex-Polen-Präsident und Solidarność -Chef Lech Wałęsa. Politiker christlicher Parteien seien nicht mehr christlich sagt er, und fordert Haseloff auf die Tischplatte hauend auf, gemeinsam mit dem Bund endlich eine Führungsrolle in der EU einzunehmen, damit Populisten "mein Europa" nicht anzündeten.

Große Hoffnung verbindet er hier auch mit dem "Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation", das in Halle entstehen soll – nach dem Vorbild des Solidarność -Zentrums in Danzig. Wałęsa möchte schnell nach Halle kommen, um seine Ideen einzubringen, wie die Demokratie verbessert werden kann und betont, dass er große Hoffnungen mit dem Zentrum verbinde.

Einig sind sich am Ende alle: Nur wer die Vergangenheit versteht, hat die Kompetenz, die Zukunft zu bauen. Die müsse europäisch und global sein. Das solle das Zukunftszentrum in Halle leisten, das, läuft alles nach Plan, 2028 eröffnet wird.

MDR (Marc Meyrich, Alisa Sonntag)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 10. Juni 2023 | 16:30 Uhr

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