Drei Kinder malen Bilder
Kinder- und Jugendliche aus Tangermünde verbringen ihre Freizeit im Bastelraums des Shalomhaus. Das Haus wird unter anderem durch die Fördermittel finanziert. Bildrechte: Aud Merkel/MDR

Neuer Verteilschlüssel Fördergelder für Jugendarbeit in Stendal: Ist die Verteilung gerecht?

14. Mai 2024, 04:58 Uhr

Im Landkreis Stendal gibt es Diskussionen um die Förderung der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Ein neuer Verteilschlüssel soll die Gelder gerechter in der Fläche verteilen. Etablierte Einrichtungen bekommen dadurch aber weniger. Wieviel Präventionsarbeit wollen wir uns leisten?

Ein Portrait von Aud Merkel.
Bildrechte: Aud Merkel

Mit knapper Mehrheit wurden im Jugendhilfeausschuss neue Förderrichtlinien zur Kinder- und Jugendarbeit im Landkreis Stendal beschlossen. Hätte sich Jugendklubleiter Stefan Mettner aus Tangermünde nicht zu Wort gemeldet, wäre keine Diskussion entstanden.

Der neue Verteilschlüssel für Fördergelder

Die Gelder sollen ab 2025 nach einem neuen Verteilerschlüssel gleichmäßig in die Fläche gestreut werden. Hauptfaktor dabei ist die Anzahl der Zehn bis 27-Jährigen pro Planungsraum. Während die Kreisstadt Stendal beispielsweise 5.800 Kinder und Jugendliche zu versorgen hat, sind es in den acht umliegenden Planungsräumen zwischen 700 bis 1.200.

Das Problem, dass Mettner dabei sieht: Stendal habe mit vielfältigen Angeboten wie Kino, Sportstätten oder Theater andere Bedarfe als der ländliche Raum. Mettner selbst leitet ein Familienzentrum, eine Hausaufgabenhilfe, einen Schülerklub und einen Jugendklub im "Shalomhaus" Tangermünde.

Durch den neuen Verteilschlüssel befürchtet der Jugendklubleiter, dass bereits etablierten Angeboten, wie historisch gewachsene Klubs in Tangermünde und Havelberg, nicht mehr genügend Geld zur Verfügung steht. Von dort werden auch kleineren Ortschaften mit aufsuchender Jugendarbeit versorgt. Er wünscht sich eine Debatte in der Öffentlichkeit und fragt "Wieviel Kinder- und Jugendarbeit wollen wir uns gesellschaftlich leisten?"

Gerechte Verteilung: "Für einige mehr Geld und für andere weniger"

Das Beibehalten der jährlichen Gesamtsumme für den gesamten Landkreis sei wegen der Kostensteigerungen defacto ein "Sterben auf Raten". An seiner Einrichtung, dem Shalomhaus in Tangermünde steigen die Mehrkosten bei Personal, Strom und Heizung. Wenn ihm nun 23.000 Euro im Jahr weniger Förderung zugesprochen werden, hieße das Einschränkungen. "Aktionen wie der selbstverwaltete Jugendtreff im Container in Hämerten wären ohne eine Fachkraft für mobile Jugendarbeit dann nicht mehr möglich. Jugendarbeit ist Beziehungsarbeit und benötigt Personal."

Ein gelber Container wird platziert
Ein Bau-Container wurde 2023 mit Spenden und mobiler Jugendarbeit in Hämerten als Jugendtreff eingerichtet. Bildrechte: Aud Merkel/MDR

Jugendamtsleiterin Kathrin Müller verteidigt die neue Aufteilung der Gelder: "Alle Kinder und Jugendliche sollen die gleichen Angebotschancen in der gesamten Fläche bekommen". Die Frage, ob sie die "Verwalterin des Mangels" sei, bejaht sie halb lachend, halb verzweifelt. Die Fördersummen werden wohl in den nächsten Jahren nicht steigen. Aber das wenige Geld solle eben gerecht verteilt werden. Das bedeute für einige mehr Geld und für andere weniger.

"Die Gemeinden schießen einen nicht unerheblichen Teil an Geld dazu", sagt Müller. "In der Gesamtsumme in etwa noch mal genauso viel, wie der Landkreis selber ausgibt." Sie sieht mit der Neuaufteilung eine Chance für die Regionen, die bisher zu kurz kamen.

Prävention ist preiswerter als Strafverfolgung

Streetworkerin Carola Schulz kritisiert unabhängig vom Verteilschlüssel die Gesamtfinanzierung. "Jugendlichen, die wir jetzt nicht erreichen, die sehe ich nachher mit Drogen oder sogar als Straftäter wieder." Prävention sei preiswerter als Strafverfolgung. Sie ist in Tangermünde und Umgebung unterwegs.

Das Geld bleibe aber auch in den nächsten Jahren knapp, sagt Müller. "Im Landkreis Stendal wird weniger für präventive Jugendarbeit als für Jugendhilfe ausgegeben." Zur Jugendhilfe gehören zum Beispiel Familienförderung, Schulsozialarbeit, Heimversorgung oder Kinderpflege. Dafür plant der Landkreis 2024 ungefähr 4 Millionen Euro ein. Für die Kinder- und Jugendarbeit gibt er 285.000 Euro aus. Dazu kommen 467.000 Euro vom Land Sachsen-Anhalt. Insgesamt stünden also 752.000 Euro für Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung.

"Wir sitzen alle in einem Boot", fasst Müller zusammen. In sogenannten Regionalkonferenzen sollen nun Fachkräfte über die Neuverteilung der Fördergelder in den jeweiligen Planungsräumen beraten.

MDR (Aud Merkel, Cynthia Seidel)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. Mai 2024 | 18:30 Uhr

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