Nachfolger gesucht Ein Museum voller Erinnerungen – Wolfgang Müller und sein DDR-Erbe in Salzwedel
Hauptinhalt
15. Februar 2025, 13:44 Uhr
Den DDR-Alltag in Erinnerung rufen – das möchte Wolfgang Müller mit seinem privaten DDR-Museum in Salzwedel. Im Laufe der Jahrzehnte sind viele Dinge von damals zusammengekommen. Jetzt möchte der Rentner seine Sammlung abgeben. Mehrere Museen und Sammler interessieren sich dafür.
Lutz Franke bleibt stehen, seine Augen verharren auf einem kleinen, unscheinbaren Gerät. "Der MR411 von Robotron!", ruft er aus, fast ungläubig. "Das war mein erster Taschenrechner. 295 DDR-Mark hat der gekostet – mehr als ein Monatsgehalt als Lehrling!" Ein Lächeln huscht über sein Gesicht, Erinnerungen an Schulstunden und harte Ersparnisse kehren zurück. "Alle anderen hatten ihre Taschenrechner aus dem Westen. Ich musste mir den aus der DDR kaufen."
So beginnt ein Rundgang durch das private DDR-Museum von Wolfgang Müller in Salzwedel – eine Zeitreise in eine Welt, die vielen in der Region noch tief vertraut ist. Es ist ein Ort, an dem Geschichte greifbar wird, ein Raum voller Alltagsgegenstände, die einst in nahezu jedem Haushalt zu finden waren. Doch nun steht das Museum vor einer ungewissen Zukunft.
30 Jahre Sammelleidenschaft – und jetzt?
Wolfgang Müller, 71 Jahre alt, hat über drei Jahrzehnte hinweg Tausende von Exponate zusammengetragen – von Spielzeug und Büchern über Kleidung und Medizintechnik bis hin zur Armee-Ausrüstung und Konsumgütern. "Angefangen hat alles mit Feuerwehr-Uniformen", erzählt er. "Nach der Wende haben die Leute vieles einfach weggeschmissen. Doch für uns war das unser Leben." So begann er zu sammeln – und die Sammlung wuchs. Bald erfuhr er von Wohnungsauflösungen, Flohmärkten und Bekannten, die Dinge loswerden wollten. So kam eines zum anderen.
1992 fing er an zu sammeln. Es sollte ein Ort werden, an dem das Leben in der DDR bewahrt wird, jenseits von Klischees und politischer Bewertung. Nun aber ist Müller Rentner und stellt sich die Frage: Was wird aus seiner Sammlung? "Man schafft es einfach nicht mehr", sagt er. "Ich möchte, dass alles in gute Hände kommt." Erste Museen haben bereits Interesse bekundet, doch bislang gibt es nur lose Gespräche. Sein größter Wunsch? "Am liebsten würde ich das Museum in Salzwedel behalten. Die Leute hier kennen es. Es ist ein Stück Heimatgeschichte."
Ein Museum, das Geschichten erzählt
Beim Gang durch die Räume begegnet man Alltagsgeschichten in ihrer ursprünglichsten Form. Da ist das Kinderzimmer mit alten Puppen, Holzbaukästen und Plaste-Autos. In der Ecke ein Armee-Bett – darauf hat Wolfgang Müller selbst zweieinhalb Jahre lang während seiner Zeit bei der Nationalen Volksarmee geschlafen. "Viele Besucher bleiben lange in einer bestimmten Abteilung stehen", erzählt er. "Wer früher im Kindergarten gearbeitet hat, entdeckt Spielzeug, das er selbst genutzt hat. Wer in einer Schule war, erkennt die Wandtafeln und Fibeln wieder." Die Sammlung deckt nahezu jeden Bereich des Lebens ab: Schule, Militär, Konsum, Arbeitswelt, Haushalt. Der Geruch von alten Büchern und Stoffen verstärkt das Gefühl, zurückversetzt zu sein.
Nach der Wende haben die Leute vieles einfach weggeschmissen. Doch für uns war das unser Leben.
Lutz Franke geht weiter, bleibt bei einer alten Taucherbrille stehen. "Damit habe ich meinen Rettungsschwimmerschein gemacht", erinnert er sich. "Man sieht etwas und sofort sind da Bilder aus der eigenen Vergangenheit." Was aber, wenn diese Erinnerungen nicht mehr weitergegeben werden? "Die Jüngeren wissen kaum noch etwas über die DDR", sagt Müller nachdenklich. "Wenn Schulklassen hierherkommen, muss ich vieles von Grund auf erklären. Aber wenn die Eltern selbst interessiert sind, dann spürt man das auch bei den Kindern. ‚Das hatte meine Oma!‘ oder ‚Das hing bei uns zu Hause!‘ höre ich dann oft." Dass die DDR-Vergangenheit in Schulen nur noch am Rande behandelt wird, hält er für problematisch. "Es gibt viele falsche Vorstellungen. Ich möchte zeigen, wie es wirklich war – mit all seinen guten und schlechten Seiten."
Was bleibt von der Sammlung?
Die Zukunft des Museums ist offen. Mehrere Interessenten haben sich gemeldet, aber nichts ist entschieden. "Es wäre schade, wenn alles auseinandergerissen wird", meint Müller. "Aber wenn es nicht anders geht, dann lieber in kleinere Sammlungen geben, als es aufzulösen." Manche Stücke, das weiß er schon jetzt, werden auf jeden Fall bei ihm bleiben. Besonders seine persönlichen Erinnerungsstücke – Exponate aus seiner Armeezeit, einige Spielsachen für seine Enkel und das Foto vom Berliner Palast der Republik im Eingangsbereich. Den hätte man aus Wolfgang Müllers Sicht nicht abreißen dürfen. Und so bleibt das kleine DDR-Museum in Salzwedel vorerst ein Ort, an dem Besucher wie Lutz Franke auf eine längst vergangene Zeit treffen – und für einen Moment das Gefühl haben, zurück in ihre eigene DDR-Geschichte einzutauchen.
MDR (Carina Emig, Mario Köhne)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 05. Februar 2025 | 16:00 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/809f3a14-f219-4b6b-8909-7fa3036be88c was not found on this server.