Unterschiedliches Wasserrecht Arendsee sieht Kreis in Niedersachsen mitverantwortlich für sinkenden Pegel
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03. August 2023, 10:02 Uhr
In Niedersachsen gibt es keine Wasserentnahmeverbote – wie zum Beispiel in der Altmark. Während der Pegel des Arendsees in den vergangenen Jahren enorm gesunken ist, blickt die Gemeinde Richtung Westen, wo Acker und Gärten auch im Hochsommer bewässert werden dürfen. Ob im Wendland das Grundwasser der Altmark mit abgezogen wird, soll nun ein Gutachten zeigen.
- Der Pegel des Arendsees in der Altmark sinkt. Die Stadt vermutet, dass sie viel Wasser an den Nachbarkreis Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen verliert.
- Das niedrige Wasser bringt Probleme, unter anderem für den Rettungsdienst und touristische Angebote.
- Ein Gutachten soll zeigen wo – und bei wem – die Ursachen für das fehlende Wasser liegen.
Das niedersächsische Wasserrecht erlaubt den Menschen in der Region Wendland im Landkreis Lüchow-Dannenberg auch im Hochsommer ihre Felder, Sportplätze und Gärten zu beregnen. Erst in diesem Sommer hat die neue Landrätin in Lüchow-Dannenberg erstmals überhaupt die Grundwasserentnahme im Landkreis eingeschränkt – um gleich 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Das Grundwasser in der Region aber hänge unmittelbar mit dem Pegel des Arendsees zusammen. Das sei unstrittig, erklärte Arendsees Bürgermeister Norman Klebe MDR SACHSEN-ANHALT. Wenn also der Grundwasserpegel sinke, sinke auch der des Sees. Der Arendsee hat keinen extra Zulauf und nur einen Ablauf. Er war durch den Einbruch von Gesteinsschichten vor mehr als Tausend Jahren entstanden.
Arendsee: Pegel sinkt um 90 Zentimeter
Seit dem Hitzesommer 2018, ist der Pegel des Arendsees um etwa 90 Zentimeter gefallen. Die Blaue Perle hat etwa 18 Millionen Liter Wasser verloren, haben Experten errechnet. Hauptursache dafür ist der Klimawandel: zu viel Hitze, zu wenig Niederschlag. Doch die Entnahme von Grundwasser selbst im Hochsommer auf der niedersächsischen Seite ist für Bürgermeister Klebe und etliche Arendseer, unter anderem Mitglieder der wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft "Der See" mit schuld. Ob das auch wirklich so ist, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt.
Während den West-Altmärkern bereits in den vorausgegangenen Sommern die Entnahme von Oberflächen- und Grundwasser verboten war, durften die Wendländer bislang weiter beregnen. Das Recht dazu ist einerseits im niedersächsischen Wasserrecht verbrieft, das aus den 1930er-Jahren stammt, andererseits haben zum Beispiel landwirtschaftliche Unternehmer Wasserrechte gekauft. Selbst mitten am Tage, schimpft Arendsees Bürgermeister, und in großer Hitze liefen im Wendland die Sprenger auf Feldern, Sportplätzen und in Gärten.
Sinkender Arendsee bringt Probleme vor Ort
Die Arendseer finden das ungerecht und nicht nachvollziehbar, weil sie davon ausgehen, dass dadurch auch der Wasserstand im Arendsee leidet. Der gibt seit fünf Jahren ein trauriges Bild ab. Wo in den Uferbereichen früher flacheres Wasser war – zur Freude vieler Kinder zum Beispiel – ist es jetzt oft trocken. Auch im Strandbad, was viele Besucher bereits bedauernd registriert haben.
Tiefer wird es erst ab der Abbruchkante, etwa 15 Meter vom Ufer entfernt. Brackwasser im Nichtschwimmerbereich, das gefällt kaum jemandem. So steigt die Sorge um das Image des Sees und damit auch um die Attraktivität des Luftkurortes. Arendsee ohne See, das wolle sich keiner vorstellen, sagt Bürgermeister Norman Klebe.
Der gefallene Pegel bringt noch andere Probleme mit sich: Das Boot der Wasserwacht, das an einem Steg im Seewasser stationiert war, liegt jetzt auf dem Trocknen. Im Notfall müssen die Retter ins Wasser steigen und per Hand das Boot in tiefere Regionen ziehen oder schieben. Das kostet im Zweifel wertvolle Minuten. Die Wasserwacht sieht sich gezwungen, einen Ponton-Steg zu kaufen, einen schwimmenden Steg also. Die nötigen 7.000 Euro müssen die Retter aus Spenden aufbringen.
"Queen Arendsee" ist vom Pegel abhängig
Der sinkende Pegel hatte 2020 auch das Landesamt für Hochwasserschutz alarmiert. Die flacheren Uferbereiche wurden seit 2018 immer größer und brachten unverhoffte Mengen an Munition zu Tage, vor allem solche aus dem Zweiten Weltkrieg. Die musste in einer zwei Sommer währenden Aktion mit Tauchern aus dem See geholt werden, um Badegäste nicht zu gefährden. Unter den Funden waren Phosphorgranaten und jede Menge Patronen.
Auch das Fahrgastschiff "Queen Arendsee" ist vom Seepegel abhängig. Die Saison konnte im vergangenen und in diesem Jahr nur mit Müh' und Not pünktlich starten. Im Winter wird die "Queen" für gewöhnlich an Land gebracht, im Frühjahr zurück ins Wasser gesetzt. Für beide Manöver braucht es ausreichend Wasser unterm Kiel.
Gutachten soll Klarheit bringen
Um die Situation nicht weiter zu verschlimmern, fordert Arendsees Bürgermeister Norman Klebe jetzt eine Reform des Wasserrechts auf niedersächsischer Seite. Zumindest müsse den Menschen im Wendland in den Hochsommern – genau wie den Altmärkern – die Entnahme von Grund- und Oberflächenwasser verboten werden.
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg steht den Vorwürfen aus Arendsee skeptisch gegenüber. Noch seien die Anschuldigungen nicht bewiesen worden, sagte Martin Riedel, der zuständige Fachgebietsleiter in der Lüchower Kreisverwaltung, MDR SACHSEN-ANHALT. Gemeinsam mit dem Umweltamt des Altmarkkreises Salzwedel werde gerade ein Gutachten erstellt. Das solle zeigen, ob oder wie die Wasserentnahme Einfluss auf den Pegel hat.
Allerdings, kritisiert Arendsees Bürgermeister Klebe, sei mit dem Gutachten bereits im vergangenen Winter begonnen worden, fertig sei es noch nicht. Der Altmarkkreis teilte MDR SACHSEN-ANHALT mit, man könne noch keine endgültigen Aussagen treffen. Eine Erkenntnis aber sei bereits, dass das Grundwasser unterirdisch in Richtung Wendland fließe. Ein Zusammenhang zwischen Wasserentnahme auf niedersächsischer Seite und dem sinken Pegel des Arendsees sei daher "unwahrscheinlich."
MDR (Kathatrina Häckl, Julia Heundorf) | erstmals veröffentlicht am 02.08.2023
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 28. Juli 2023 | 12:40 Uhr
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