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In Sachsen-Anhalt gibt es immer weniger rechtliche Betreuer. Mehr dazu auch im Audio. Bildrechte: MDR/Carina Emig
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MDR SACHSEN-ANHALT Mo 10.03.2025 09:39Uhr 02:02 min

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Fachkräftemangel Immer weniger rechtliche Betreuer in Sachsen-Anhalt: Fälle bleiben liegen

10. März 2025, 19:44 Uhr

Rechtliche Betreuer helfen Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr alleine regeln können. In Sachsen-Anhalt ist die Lage im Altmarkkreis Salzwedel besonders akut: Hier bleiben viele Fälle liegen, weil es zu wenige Betreuerinnen und Betreuer für hilfebedürftige Menschen gibt. Nachwuchs wird dringend gesucht – ob ehrenamtlich oder hauptberuflich.

Eine blonde Frau
Bildrechte: Carina Emig

Jennifer Juchem sitzt konzentriert am Schreibtisch des Betreuungsvereins Kalbe/Milde (Altmarkkreis Salzwedel). Es ist ihr erster Tag als rechtliche Betreuerin. Heute begleitet sie ihre erfahrene Kollegin Heike Kaiser zu einem ihrer langjährigen Klienten. Oliver Meiburg, 52 Jahre, begrüßt die beiden Frauen an der Tür. "Das ist gute Unterstützung, auch in finanziellen Sachen", sagt er, als es um die vielen Anträge und Hilfen geht, die er ohne seine Betreuerin nicht hätte bewerkstelligen können. Ein Besuch bei ihm bedeutet weit mehr als nur Papierkram – es geht darum, ihm ein selbstständiges Leben trotz Krankheit möglich zu machen.

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Jennifer Juchem ist bereit für den neuen Job. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Was ist ein rechtlicher Betreuer? Ein rechtlicher Betreuer ist eine Person, die gerichtlich bestellt wird, um Menschen zu unterstützen, die aufgrund von Krankheit, Alter, Behinderung oder psychischen Einschränkungen ihre Angelegenheiten nicht mehr eigenständig regeln können. Das kann sowohl durch ehrenamtliche Betreuer (oft aus dem familiären Umfeld) als auch durch professionelle Berufsbetreuer geschehen.

Rechtliche Betreuer sind die "Rechtsanwälte in klein". Sie helfen Menschen, die ihre Angelegenheiten aufgrund von Alter, Krankheit oder Behinderung nicht mehr alleine regeln können. Doch in Sachsen-Anhalt, wie überall in Deutschland, herrscht akuter Betreuermangel. Besonders dramatisch ist die Lage im Altmarkkreis Salzwedel. "Wir haben 25 Berufsbetreuer, zusätzlich 4 Vereinsbetreuer. Das heißt, ich komme auf 29 Betreuer. Ein Drittel ist älter als 60 Jahre", sagt Anja Müller, Sachgebietsleiterin der Sozialen Dienste im Altmarkkreis. "Der älteste Betreuer ist 84 Jahre alt, und es kommt kaum Nachwuchs." Schon jetzt könne sie 25 Fälle nicht vermitteln, da Nachwuchs fehle und weil die vorhandenen Berufsbetreuer an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen seien.

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Anja Müller vom Altmarkkreis Salzwedel Bildrechte: MDR/Carina Emig

Die Betreuungsbehörde sieht sich mittlerweile gezwungen, selbst Fälle zu übernehmen. "Unsere Mitarbeiter sind darauf jedoch nicht geschult und fehlen dann an anderen wichtigen Stellen", erklärt Müller. Sie appelliert an die Bevölkerung: "Wer Papier liebt, wer Menschen liebt, wer gerne organisiert und ein Kümmerer ist, der kann rechtlicher Betreuer werden – ob beruflich oder ehrenamtlich."

Betreuer als "Rechtsanwälte in klein"

Der Beruf des rechtlichen Betreuers erfordert eine spezielle Ausbildung: Im Fall von Jennifer Juchem waren es elf Module an einer Hochschule, die es in sich hatten. Die Kosten dafür lagen in ihrem Fall bei mehr als 5.000 Euro – ein erheblicher Kostenfaktor, besonders für selbstständige Betreuer, die diese Summe aus eigener Tasche zahlen müssen.

"In unserem Betreuungsverein übernehmen wir diese Kosten zwar für unsere neue Mitarbeiterin", erklärt Heike Kaiser, Geschäftsführerin des Vereins "Betreuung, Vormundschaft, Pflegschaft e.V.". "Doch das bedeutet auch, dass wir lange in die Ausbildung investieren müssen, ohne dafür Einnahmen zu sehen." Während der monatelangen Einarbeitung bleibt die Kasse des Vereins leer, denn das erste Geld für Betreuungsleistungen fließe erst drei Monate nach dem Amtsantritt. Kaiser weiter: "Für Betreuungsvereine ist das ein finanzieller Drahtseilakt. Gerade in Zeiten steigender Kosten wäre eine Anpassung der Vergütung dringend notwendig."

Wer kann rechtlicher Betreuer werden?

Grundsätzlich kann jeder volljährige und geeignete Mensch Betreuer werden. Für Berufsbetreuer sind zusätzliche Qualifikationen notwendig, z. B.:

  • Berufsausbildung oder Studium (idealerweise im sozialen oder rechtlichen Bereich)
  • Absolvierung von speziellen Schulungen (z. B. Module im Rahmen einer Weiterbildung)
  • Ein sauberes Führungszeugnis
  • Sachkundenachweis

Rechtliche Betreuer übernehmen umfassende Aufgaben: Sie verwalten Finanzen, organisieren Arzttermine, stellen Pflegeanträge und kümmern sich um Sozialleistungen. Sie sind oft nicht nur Organisatoren, sondern auch emotionale Stützen für ihre Klienten. "Im Schnitt wird mit dreieinhalb Stunden pro Monat und Klient gerechnet. Doch in der Praxis sind es oft acht oder mehr", beschreibt Heike Kaiser die Realität. "Die Vergütung passt sich nicht der Inflationsrate an, sie ist nicht kostendeckend."

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Heike Kaiser hat schon Erfahrung als rechtliche Betreuerin. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Die Arbeit als rechtliche Betreuerin bedeutet für Jennifer Juchem einen kompletten Neuanfang. Die 32-Jährige hat zuvor im Einzelhandel gearbeitet und freut sich nun auf die neue Herausforderung. Es sei ein anspruchsvoller Beruf, aber es lohne sich. Jennifer Juchem ist bereit für die Herausforderungen und hofft, dass ihr Engagement ein Signal setzt – damit bald mehr junge Menschen den Weg in diesen wichtigen Beruf finden.

Was sind die Aufgaben eines rechtlichen Betreuers?

Die Aufgaben eines rechtlichen Betreuers richten sich nach dem individuellen Bedarf der betreuten Person und werden vom Gericht genau festgelegt. Typische Aufgabenbereiche sind:

  • Vermögenssorge: Verwaltung der Finanzen, Überwachung von Kontobewegungen, Zahlung von Rechnungen und Beantragung von Sozialleistungen.
  • Gesundheitssorge: Organisation von Arztbesuchen, Zustimmung zu medizinischen Behandlungen und Kommunikation mit Pflegeeinrichtungen.
  • Behördenangelegenheiten: Antragstellung bei Ämtern, Regelung rechtlicher Fragen und Verwaltung von Post.
  • Wohnungsangelegenheiten: Unterstützung bei Mietangelegenheiten, Organisation von Umzügen oder Anpassung der Wohnsituation.


Unterschiede zu anderen Betreuungsformen: Rechtliche Betreuer sind keine gesetzlichen Vertreter wie Eltern für ihre Kinder. Sie dürfen nur in den Bereichen handeln, die das Gericht festgelegt hat, und müssen die Wünsche der betreuten Person soweit möglich berücksichtigen. Sie sollen die Selbstbestimmung der betreuten Person soweit wie möglich erhalten und fördern.

Der Mangel an rechtlichen Betreuern ist nicht nur ein Problem der Überlastung, sondern birgt auch gesundheitliche Risiken für die bestehenden Betreuer. "Viele sind schon älter, die meisten Berufsbetreuer sind zwischen 50 und 70 Jahre alt. Da läuft man schnell ins Burnout", sagt Anja Müller. "Wir begleiten deshalb unsere neuen Betreuer intensiv, damit sie Schritt für Schritt in ihre Aufgaben hineinwachsen."

Zwei Frauen
Zu den Aufgaben gehören auch Hausbesuche. Bildrechte: MDR/Carina Emig

Einarbeitung erfolgt Schritt für Schritt

Jennifer Juchem wird deshalb auch nicht sofort mit einer Vielzahl von Fällen betraut. "Schritt für Schritt muss sie eingearbeitet werden", so Müller. "Das hilft niemandem, wenn wir jetzt sagen, wir haben die Fälle auf dem Papier verteilt. Es muss auch realistisch machbar sein, zum Wohle der Betroffenen."

MDR (Carina Emig, Mario Köhne)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 10. März 2025 | 19:00 Uhr

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