Spargelsaison 2023 Warum es auf Sachsen-Anhalts Spargelfeldern immer weniger Erntehelfer gibt
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28. März 2023, 20:16 Uhr
Trotz steigendem Mindestlohn wollen immer weniger Menschen aus Osteuropa in der hiesigen Landwirtschaft arbeiten. Sachsen-Anhalts Spargelbauern setzen deshalb auf effektivere Abläufe. Die Gewerkschaft IG BAU kritisiert die mancherorts herrschenden Arbeitsbedingungen für die Erntehelfer und fordert mehr Personal in den Aufsichtsbehörden, um den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Saisonkräfte zu gewährleisten.
- Bei der Spargelernte in Sachsen-Anhalt sind Saisonkräfte aus Polen und Rumänien unverzichtbar.
- Immer weniger Menschen aus Osteuropa sind bereit, als Erntehelfer nach Deutschland zu kommen.
- Die Arbeitsbedingungen der Saisonkräfte werden nur unzureichend kontrolliert, auch weil es in den zuständigen Behörden an Personal fehlt.
Am Mittwoch geht es für Henning Hoffheinz los: Auf den Ackerflächen des Genthiner Landwirtes beginnt dann die Spargelernte. Unterstützt wird Hoffheinz dabei wie jedes Jahr von Helferinnen und Helfern aus Osteuropa. Etwa 30 bis 40 Erntehelfer wird er in diesem Jahr beschäftigen, schätzt der Spargelbauer: "Ich habe eine Stamm-Mannschaft aus Rumänien, die zum Großteil jedes Jahr wiederkommt."
So wie Hoffheinz geht es den allermeisten Spargelbauern in Sachsen-Anhalt: Fast alle setzen während der Erntesaison osteuropäische Helfer ein, vor allem aus Polen oder Rumänien. Landesweit bewegt sich die Zahl der Erntehelfer aus Osteuropa im vierstelligen Bereich, schätzt Hoffheinz, der auch Sprecher für Sachsen-Anhalt im Verband der ostdeutschen Spargel- und Beerenobstanbauer ist. Insgesamt sei ihre Zahl jedoch rückläufig. Gebraucht werden die Saisonkräfte auf den Feldern beim Stechen des Spargels, aber auch beim Transport und Sortieren des Edelgemüses.
Sinkendes Interesse trotz höherer Löhne
Zwölf Euro pro Stunde bekommen die Erntehelferinnen und -helfer, den aktuellen Mindestlohn. Vor einem Jahr waren es noch 9,82 Euro. Doch trotz der Lohnsteigerung von mehr als 20 Prozent finden sich immer weniger Menschen aus Osteuropa, die die oft schwere und schmutzige Arbeit auf den Spargelfeldern übernehmen wollen. Und Einheimische ließen sich für die Saisonarbeit ohnehin nur sehr selten gewinnen, sagt Hoffheinz: "Wir finden noch nicht mal genug Leute für unsere Verkaufsstände."
An die Verbraucher wird er die Mindestlohnerhöhung nicht weitergeben, sagt der Genthiner Landwirt. Stattdessen versuche er so wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen, Arbeitsabläufe zu optimieren und dadurch Personal und Kosten zu sparen. "Wir werden zum Beispiel in diesem Jahr jede Fläche nur noch alle zwei Tage stechen, um mehr Kilogramm pro Stunde ernten zu können", so Hoffheinz.
Preisdruck sorgt mitunter für Ausbeutung
"Der Fachkräftemangel macht sich inzwischen auch bei den Erntehelfern bemerkbar. Für Agrarbetriebe wird es immer schwieriger, Menschen zu finden, die auf den Feldern arbeiten wollen", sagt Sascha Wollert. Er ist Regionalleiter für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bei der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und beobachtet die Lage der Erntehelferinnen und -helfer.
Noch immer gebe es schwarze Schafe unter den Spargelbauern, die ihren Erntehelfern etwa Teile des Lohns nicht auszahlen, sie in schlechten Unterkünften einquartieren oder sie für den Transport auf die Felder selbst bezahlen lassen würden, so Wollert. "Der Spargel soll möglichst günstig angeboten werden. Dieser Preisdruck sorgt dafür, dass an verschiedenen Stellen getrickst wird und teilweise auch Ausbeutung stattfindet", so Wollert.
Ein Aufsichtsbeamter auf 23.000 Beschäftigte
Ein weiteres Problem, dass der Gewerkschafter beobachtet hat: "Es kommt immer wieder zu schweren Arbeitsunfällen aufgrund von Übermüdung. Teilweise ist undurchsichtig, wie viele Überstunden geleistet werden." Doch die Behörden, die für die Kontrolle des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zuständig sind, seien chronisch unterbesetzt.
Die IG BAU verweist auf Zahlen des Arbeitsschutzberichtes der Bundesregierung, wonach rechnerisch auf einen Aufsichtsbeamten mehr als 23.000 Beschäftigte kämen. "Da kann man höchstens mal eine Stichprobe machen, aber nicht flächendeckend kontrollieren", sagt IG BAU-Regionalleiter Wollert.
Es muss Transparenz herrschen, damit Recht und Gesetz angewendet werden können.
Neben einer personellen Aufstockung der Kontrollbehörden fordert der Gewerkschafter, dass Menschen, die als Erntehelferinnen und -helfer nach Deutschland kommen, umfassend über ihre Rechte aufgeklärt werden müssen. "Es muss Transparenz herrschen, damit Recht und Gesetz angewendet werden können", sagt Wollert. Zwar hätten sich die Arbeitsbedingungen durch den zunehmenden Wettbewerb um die osteuropäischen Erntehelfer, aber auch durch medialen Druck und den Einsatz von Gewerkschaften bereits spürbar verbessert, so Wollert. Doch es bleibe noch viel zu tun.
Weniger schwarze Schafe
"Die Zahl der schwarzen Schafe in der Branche wird kleiner", hat auch Spargelbauer Henning Hoffheinz aus Genthin beobachtet. "Durch die Knappheit der Erntehelfer gehen die Menschen gezielt dorthin zum Arbeiten, wo sie oder ihre Bekannten schon gute Erfahrungen gemacht haben."
Damit seine ausländischen Helferinnen und Helfer gerne wieder nach Genthin kommen, hat Hoffheinz eigens ein altes Internat kernsaniert und zum Unterkunftsgebäude für die rumänischen Saisonkräfte umgebaut. Offenbar mit Erfolg, denn vom Mangel an Erntehelfern sei in Genthin bislang noch nichts zu spüren, sagt der Landwirt: "Wir haben fast jedes Jahr mehr Bewerber als Stellen."
MDR (Lucas Riemer)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 28. März 2023 | 19:00 Uhr
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