Auf dem Prüfstand Bestandsaufnahme: Marode Kirchen und wie es mit ihnen weitergeht
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26. Januar 2025, 14:37 Uhr
Der Blick auf den Kirchturm im Heimatort, er beschert vielen Menschen ein warmes Gefühl im Bauch, eines von Zuhause-Sein und Geborgenheit. Doch mittelfristig gesehen, müssen einige auf diesen Anblick und dieses Gefühl womöglich verzichten. Die Evangelische Landeskirche lässt gerade alle ihre Gebäude analysieren und schreckt später im Zweifel auch nicht vor Schließungen zurück.
Nirgendwo in Deutschland gebe es so viele wertvolle und geschichtsträchtige Gotteshäuser wie auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), konstatiert Elke Bergt, die Referatsleiterin Bau im Landeskirchenamt der EKM, nicht ohne Stolz. Das seien mit 3.955 Kirchen und Kapellen etwa 20 Prozent aller evangelischen Kirchen in Deutschland. Allerdings habe die EKM nur 3,2 Prozent der Kirchenmitglieder.
Die fehlenden Einnahmen durch die Kirchensteuer sind Teil des Gesamtproblems: Der Kirche mangelt es an Geld, Personal und an Unterstützung engagierter Menschen vor Ort.
In den vergangenen mehr als 30 Jahren, sagte Stendals Superintendent Michael Kleemann MDR SACHSEN-ANHALT, habe die Kirche sich "manchmal wie eine Art Denkmalpflegeverein nach außen gezeigt". Man habe Gebäude, Orgeln und Glocken saniert, die "zum Teil fast gar nicht mehr" bespielt würden. "Und das sind Dinge, die können wir nicht mehr machen."
Veränderung für Kirchen, die selten genutzt werden
Zu diesem Schluss werde auch die so genannte Gebäude-Konzeption kommen, davon ist der Superintendent überzeugt. Die Kirchenkreise sind aufgefordert worden, sämtliche Gebäude – Kirchen, Pfarrhäuser und Gemeindesäle – auf ihren Zustand und ihre Nutzungsfrequenz hin zu überprüfen. Diese Konzeptionen, teilte der Pressesprecher der EKM, Friedemann Kahl, MDR SACHSEN-ANHALT mit, hätten "eine deutliche Priorisierung auf die benötigten und genutzten Kirchen zum Inhalt". Das seien vielleicht ein Drittel der bestehenden Gotteshäuser. "Für die anderen Kirchen wird sich der Umgang sehr differenziert gestalten: von Mitnutzung über 'Dornröschenschlaf' bis hin zu Verkauf oder Verfall", so Kahl weiter.
Für die anderen Kirchen wird sich der Umgang sehr differenziert gestalten: von Mitnutzung über 'Dornröschenschlaf' bis hin zu Verkauf oder Verfall.
Am Beispiel: Situation der Kirche in Trippigleben
In der Altmark, der Region mit der größten Kirchendichte in ganz Europa, könnte es da zum Beispiel die Kirche in Trippigleben im Altmarkkreis Salzwedel treffen. Das Fachwerkgebäude wird von rot-weißem Flatterband abgesperrt, das jedermann anzeigt: Hier ist Gefahr. Und tatsächlich: Die letzten Sanierungsarbeiten erfolgten in den 1980er-Jahren mit DDR-Wissen und DDR-Baumaterial. Damals wurden morsche tragende Balken kurzerhand mit Brettern verborgen.
Nach der Wende erneuerte man in Trippigleben das Dach des Kirchenschiffs, sanierte die Fenster und malerte den Innenraum. An die dringend nötige Sanierung des Kirchturms, dem mittlerweile sogar einige Gefache fehlen, traute man sich offenbar nicht heran.
Nun ist der Turm einsturzgefährdet. Die Schwellbalken sind so zerfressen, dass sie nicht mal mehr als Fundament für Abstütz-Konstruktionen dienen könnten.
Rainer Wellkisch, Kirchenbaureferent aus Salzwedel, kommentiert: "Die ganze Turmspitze nehmen wir ab und versuchen, sie später natürlich wieder zu verwenden. Es gibt neben dem Turmschaft auch Schäden am Kirchenschiff. Deshalb müssen wir nach der Abnahme des Turmhelms auch Teile des Kirchenschiffs sichern."
Die ganze Turmspitze nehmen wir ab und versuchen, sie später natürlich wieder zu verwenden. Es gibt neben dem Turmschaft auch Schäden am Kirchenschiff. Deshalb müssen wir nach der Abnahme des Turmhelms auch Teile des Kirchenschiffs sichern.
Für einen guten Teil der Kirchen in Sachsen-Anhalt sei gesellschaftliches Engagement der Rettungsanker, so EKM-Pressesprecher Kahl weiter – gerade wenn die landesweite Gebäudekonzeption erstellt worden sei. Da heißt es für Trippigleben: Daumen drücken. Martha Hönemann vom zuständigen Gemeindekirchenrat Peckfitz erzählt, man suche ständig nach Menschen, die das Gemeindeleben dort beleben würden. Sie selbst spreche diejenigen an, die regelmäßig zu Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen kämen.
Neue Chance für Kirche in Neuendorf am Damm
In Neuendorf am Damm, zwischen Kalbe und Bismark gelegen, ist man da etwas weiter. Die Feldsteinkirche dort ist baupolizeilich gesperrt, denn der Schwamm hat sich durch die komplette Holzkonstruktion gefressen.
Michael Kleemann, Stendals Superintendent, meint: "Wenn Sie keinen haben, der wenigstens einmal im Jahr durchs Gebälk kriecht mit der Taschenlampe und dann sofort mal Alarm schlägt, dann entwickelt sich so eine Pilzerkrankung im Holz wirklich wie ein Krebsgeschwür und hinterlässt eben ganz schlimme Zerstörungen."
Deshalb hat man in Neuendorf am Damm aus der Not eine Tugend gemacht. Die bedrohte Kirche soll gerettet werden – als Gebäude, aber auch als Begegnungsstätte für die Menschen. Der Gemeindekirchenrat ist spürbar aktiver als früher, es gibt sogar neue Interessentinnen für eine Mitarbeit. Einem Förderantrag für das Leader-Programm hat die Europäische Union zugestimmt, wenn auch nicht in der gewünschten Höhe. Deshalb wird der Kirchturm von Neuendorf am Damm wohl so schnell nicht verschwinden.
Kleemann kommentiert: "Begonnene Projekte, zumal wenn da schon Fördermittelzusagen sind und es gibt eine Finanzierung für so ein Bauvorhaben, die werden wir auch noch zu Ende führen. Aber die Frage ist: Was kommt danach? In einem der Nachbarorte, da ist das Licht im Grunde schon fast von selbst ausgegangen."
Engagierte Menschen für die Kirchen gesucht
Im benachbarten Karritz hatte der Pastor schon vor einigen Jahren die Kirche abgeschlossen. In dem Dorf hatte sich trotz einiger Bemühungen niemand gefunden, der im Gemeindekirchenrat hätte mitarbeiten oder wenigstens den Kirchenschlüssel verwahren wollen. Solche Gotteshäuser würden sicherlich im Rahmen der Gebäude-Konzeption in die schlechteste Kategorie eingeordnet, meint der Superintendent.
So manche Kirche könnte "vielleicht als Dorfmittelpunkt und Treffpunkt für diverse Aktivitäten eine neue Blüte erfahren", ergänzt EKM-Pressesprecher Friedemann Kahl. Dann allerdings "in Eigentum und Verantwortung einer größeren Gemeinschaft". Grenzen würde die EKM bei Aktivitäten setzen, "die sich gegen unseren Glauben oder gegen die Menschenwürde richten und die nicht unserem gesellschaftlichen Demokratieverständnis entsprechen."
MDR (Katharina Häckl, Johanna Daher)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 27. Januar 2025 | 07:00 Uhr
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