Die Sonne geht am Wasserstraßenkreuz Magdeburg auf. An dieser Stelle führt der Mittellandkanal in der Trogbrücke über die Elbe. Sie ist mit einer Gesamtlänge von 918 Metern die größte Kanalbrücke Europas. (Luftaufnahme mit Drohne)
Die längste Kanalbrücke bzw. Trogbrücke der Welt wurde vor 20 Jahren bei Magdeburg in Hohenwarthe gebaut. So entstand das Wasserstraßenkreuz, das den Elbe-Havel-Kanal über die Elbe führt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Stephan Schulz

Eröffnung vor 20 Jahren Längste Kanalbrücke der Welt erfüllt wirtschaftliche Erwartungen nicht

11. Oktober 2023, 12:33 Uhr

Die Trogbrücke bei Hohenwarthe ist ein Jahrhundertbauwerk, das in ganz Europa einmalig ist. Vor genau 20 Jahren wurde es das entscheidende Puzzle-Stück, das den Mittellandkanal mit dem Elbe-Havel-Kanal verbunden hat. Als Projekt der Deutschen Einheit mit Prestigecharakter sollte sie mehr Frachtverkehr auf das Wasser bringen. Über 120 Spezialisten waren beteiligt am Bau der längsten Kanalbrücke des Kontinents. MDR SACHSEN-ANHALT hat mit einem der Macher gesprochen.

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Thomas Menzel ist Wahl-Hohenwarther. Für den Bau der Trogbrücke lebte er bereits von 1998 bis 2004 in Hohenwarthe, nach einem kurzem Intermezzo im Süden der Republik kehrte er wieder hierher zurück, quasi in Sichtweite eines seiner größten Projekte. Per Paddelboot ist Menzel heute gerne unterwegs auf dem kolosallen Bauwerk, das er damals als Leiter des Wasserstraßenneubauamts Magdeburg mit zu verantworten hatte. In rund fünf Jahren wurden 23.000 Tonnen Stahl in zwei Brücken verbaut, die gemeinsam die sogenannte Trogbrücke bilden.

Pläne gab es in Teilen schon zu Kaiserzeiten

Die Ost-West-Achse per Kanal war in kleinerer Form schon zu Kaiserzeiten geplant. Der in den 30er Jahren begonnene Bau musste mit Kriegsbeginn gestoppt werden, sodass das Projekt erst nach der Wende wieder Schwung bekam. Die Dimensionen der alten Brücke waren aber zu klein für die moderne Schifffahrt. Nach den nicht ganz reibungslosen Sprengungen der alten Bauteile wurde die Kanalbrücke um den Jahrtausendwechsel mit einer Fahrtiefe von 4,25 Metern errichtet – rund eineinhalb Meter tiefer als die ursprüngliche Planung.

Testen und Bangen auf der Baustelle

"Jeder Pfeiler muss das Gewicht von 30 Lokomotiven halten. Und die Lager müssen sich in alle Richtungen bewegen können. Und die sind nicht genormt", erinnert sich Menzel an viele Tests und Modelle, ehe die maßgeschneiderten Brückenteile verbaut werden konnten.

Auf der Baustelle des gigantischen Bauwerks sei es auch zur ein oder anderen Schrecksekunde gekommen: "Wir haben die Brücke Stück für Stück nach Westen über die Elbe geschoben. Damit die Brücke nicht ins Wasser fiel, musste sie mit einem Ponton gestützt werden", so Menzel. Obwohl die Elbe gesperrt gewesen sei, sei Nachts plötzlich ein Kabinenschiff gekommen. "Unsere Crew lies dann an einer Seite des Pontons geistesgegenwärtig die Seile ins Wasser fallen. Zum Glück hat es die Brücke trotzdem gehalten. Das war ein ganz schlimmer Moment."

Jeder Pfeiler muss das Gewicht von 30 Lokomotiven halten.

Thomas Menzel ehemaliger Leiter des Wasserstraßenneubauamts Magdeburg

Einweihung am 10. Oktober 2003

Mit der offiziellen Einweihung am 10. Oktober 2003 war es dann für Schiffe möglich, unabhängig vom Wasserstand der Elbe in Richtung Berlin zu fahren. Die Ost-Westverbindung wurde ganzjährig verlässlicher und effektiver. Zudem wurden durch die neuen Schleusen in Rothensee und Hohenwarthe, die ebenso zu den größten Europas gehören, Umwege auf dem Weg zum Magdeburger Hafen ausgemerzt. Der Geschäftsführer der Magdeburger Hafen GmbH, Heiko Maly, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, der Hafen habe sich seit der Eröffnung des größten Wasserstraßenkreuzes der Welt vor 20 Jahren stark weiterentwickelt.

"Allerdings sollte diese ingenieurtechnische Meisterleistung nicht allein für die positiven Zukunftsaussichten stehen, sondern auch die umgebenen Bauwerke in Gänze. Wie beispielsweise die Sparschleuse Rothensee, welche den Mittellandkanal mit dem Magdeburger Hafen und der Elbe über den Rothenseer Verbindungskanal verbindet", so Maly weiter. Langfristige Ansiedlungen sowie neue Niederlassungen im direktem Umfeld zeugten von großem Interesse am Logistikknoten Hafen Magdeburg.

Hafen Magdeburg Gegenwärtig werden bis zu 3.500 Binnenschiffe, etwa 80.000 Eisenbahnwagen und eine Vielzahl Lkw jährlich abgefertigt. Mit rund 700 Hektar Fläche auf einer Länge von rund 10 Kilometern ist der Binnenhafen Magdeburg der mit Abstand größte Binnenhafen der neuen Bundesländer.

Wirtschaftlich hinter Erwartungen geblieben

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der gewünschte Effekt des Wasserstraßenkreuzes, mehr Fracht auf das Wasser und weg von der Straße zu bekommen, nur bedingt funktioniert hat. Die Nutzungsprognose wurde von 20 auf 6 Millionen Tonnen jährlich heruntergerechnet. Zahlen der Generaldirektion für Wasserstraßen und Schifffahrt zeigen, auch dieses Ziel kann seit 2018 nicht mehr erreicht werden.

Der ehemalige Leiter des Wasserstraßenneubauamtes, Thomas Menzel, meint: "Ich hätte gerne mehr Verkehr hier. Aber auch mit den reduzierten Nutzungen hat sich das Bauvorhaben gerechnet. Es waren ja auch viele Brücken am Elbe-Havel-Kanal, die neu gebaut werden mussten. Und da war es genau der richtige Zeitpunkt beides zu koordinieren." Ohnehin sei das Wasserstraßenkreuz heute zumindest auch ein touristischer Wirtschaftsfaktor der Region, der auch viele überregionale Touristen anziehe.

Baukosten lagen bei rund 500 Millionen Euro

Der Bau des gesamten Wasserstraßenkreuzes kostete rund eine halbe Milliarde Euro, Herzstück des Projekts ist die Trogbrücke. Ein so gewaltiges Bauwerk unter heutigen Bedingungen noch einmal in fünf Jahren bauen? "Mit dem richtigen Team geht das", sagt Menzel mit einem Schmunzeln.

Er erinnert sich: "Es war eine Euphorie damals, eine Zeit, die aus heutiger Sicht fast rosa-rot gemalt war. Was bemerkenswert war: Damals gab es keine Klagen gegen des Planfeststellungsverfahren. Das zeigt schon, wie sehr die Leute das hier auch wollten". Menzel ist stolz, dass auch 20 Jahre nach der Eröffnung für den Verkehr die Brücke kaum Problemstellen offenbart. Ausgelegt sei sie für 60 weitere Betriebsjahre.

MDR (Max Hensch, Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 10. Oktober 2023 | 19:00 Uhr

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