Hochwasser 2013 Breitenhagen: Wie der Neustart nach dem Untergang gelang

09. Juni 2023, 05:06 Uhr

Das kleine Dorf Breitenhagen im Elbe-Saale-Winkel (Salzlandkreis) war einer der Orte im Land, die es besonders beim Hochwasser im Sommer 2013 getroffen hatte. Der Deichbruch am 9. Juni war damals der Schicksalstag für die Gemeinde und die 460 Einwohner. Als das Wasser abfloss, blieben Dreck und Zukunfstängste. Doch mit der Zeit entwickelten die Bewohnerinnen und Bewohner neue Zuversicht.

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Das Hochwasser 2013 kam hierzulande mit Ansage. Nach Dauerregen im Süden Deutschlands und in Tschechien waren die Wassermassen damals über die Elbe, aber auch die Nebenflüsse wie Mulde und Saale unterwegs nach Sachsen-Anhalt. Am 4. Juni 2013 löste der Landrat des Salzlandkreises den Katastrophenalarm aus. Hunderte Menschen aus Breitenhagen und der Region sowie viele auswärtige Helferinnen und Helfer versuchten, die Deiche mit Sandsäcken zu erhöhen und zu sichern. Am Ende vergebens.

Am Morgen des 9. Juni, gegen 7:20 Uhr, brach der Saaledeich etwa 100 Meter hinter dem Schöpfwerk in Richtung Groß Rosenburg auf etwa einer Länge von 140 Meter. Nur Stunden später lief der Ringdeich, der Breitenhagen umgibt, über. Dieser Deich brach dann ca. 15:00 Uhr und Breitenhagen lief voll "wie eine Badewanne", berichteten damals die Augenzeugen.

Katastrophe war kaum zu verhindern

Auch Burkhard Henning, der Direktor des Landesbetriebes für Hochwasserschutz erinnert sich: "Man hat mit allen Kräften versucht, den Deichbruch abzuwehren. Man musste dann aber aufgrund der Örtlichkeit – es war eine Stelle, die nicht gut zu erreichen war – einsehen, dass der Deich nicht zu retten war."

Durch die in vielen Teilen des Landes herrschende Katastrophenlage habe man einfach nicht genug Helfer, Technik und Material gehabt, um an allen Orten zu sein.

Burkhard Henning sagt: "Man muss ganz ehrlich zugeben. Bei diesen Wassermengen und dieser Strömungsgeschwindigkeit war es ganz schwer, so einen Deichbruch zu bewältigen." Der Ort mit seinen 460 Einwohner musste deshalb evakuiert werden. 

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Menschen waren geschockt und verbittert

Nicht alle Einwohner folgten der Anordnung zur Evakuierung und einige verblieben in ihren Häusern. Einer der letzten, der dann doch von der Polizei aus seinem Haus geholt wurde, war Hans-Georg Buszkowiak. Gegen 17:30 Uhr wurde er mit Hund, Katzen, Enten und Kaninchen mit einem Hubschrauber nach Groß Rosenburg ausgeflogen. Erst nach mehreren Tagen konnten die Einwohner dann zurück nach Breitenhagen.

Schnell gab es dann auch das Gerücht, Breitenhagen sei für die Magdeburg "geopfert" worden. Es wurde also behauptet, das Dorf sei bewusst nicht weiter gegen die Wassermassen verteidigt worden, damit weniger Wasser Richtung Landeshauptstadt fließt. Damals gab es sogar T-Shirts mit der Aufschrift "Ich bin Breitenhagener. Ich habe Magdeburg gerettet". Dass der Untergang Breitenhagens dem erwähnten Mangel an Helfern und Technik und der allgemeinen Notlage im Land geschuldet war, wollten manche nicht verstehen.

Hans-Georg Buszkowiak wirbt heute um Verständnis "Nach tagelangem, unermüdlichen Einsatz für ihren Ort waren damals viele Menschen verzweifelt und wussten einfach nicht, wie es weitergehen sollte. Da war dann auch viel Unmut dabei."

Das Wasser ging, die Probleme kamen

Nach der Rückkehr in den Ort bot sich den Einwohnern ein Bild der Verwüstung. Fast alle Häuser des Ortes waren betroffen und standen bis zu 1,80 Meter im Wasser. Die Sporthalle und der fast neue Fußballplatz waren völlig zerstört.

Die Aufräumarbeiten dauerten wochenlang. Der Streit mit den Versicherungen begann. Aber es gab auch viel Solidarität und erste Spenden. Am Ende haben nur wenige Einwohner in Breitenhagen aufgegeben, fast alle machten sich an den Wiederaufbau.

"Schnelle unbürokratische Hilfe" dauert viele Jahre

Der am häufigsten in die Mikrofone gesprochene Satz von Politik und Entscheidungsträgern war: "Wir versprechen schnelle und unbürokratische Hilfe". Einiges lief dann nicht ganz so schnell und auch nicht unbürokratisch.

Heute leben noch immer 390 Menschen in dem kleinen Dorf. Hier waren Häuser und Grundstücke nach der Flut billig. Einige Leute aus dem Westen der Republik haben nun in Breitenhagen ihren Altersruhesitz gefunden.

Heute wieder lebenswert

Auch an der Infrastruktur im Ort hat sich etwas getan. Als Erstes wurde der Fußballplatz erneuert. Auch wenn es das Frauenteam von Blau-Weiß Breitenhagen heute nicht mehr gibt, war das ein gutes Zeichen. 2015 begann dann der Bau eines neuen Feuerwehrgerätehauses. Seit 2019 steht neben dem Sportplatz auch das neue Dorfgemeinschaftshaus. Das wurde für rund 1,4 Millionen Euro errichtet und ist heute der neue Ortsmittelpunkt.

Viele Straßen sind neu. Fast alle Deiche rund um den Ort sind saniert. Am neuen Elbdeich wird im Moment noch gebaut. Breitenhagen ist wieder lebenswert. Hans-Georg Buszkowiak, seit 2015 Ortsbürgermeister, sagt. "So hart wie das klingt: Ohne das Hochwasser von 2023 wäre Breitenhagen heute nicht das, was es ist. Diese Investitionen hätte es ohne die Katastrophe wohl nicht gegeben."

Auch wenn die Menschen in Breitenhagen und in der Region auf die dramatischen Tage im Juni 2013 gern verzichtet hätten, blicken sie nun wieder voller Zuversicht in die Zukunft.

MDR (Sören Thümler, Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. Juni 2023 | 07:10 Uhr

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