Folgen der Unwetter Nach den Stürmen: Wie die Aufräumarbeiten im Harz vorangehen
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24. Februar 2022, 18:03 Uhr
Tagelang fegten Stürme mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 100 Kilometer pro Stunde über den Harz und hinterließen dabei beträchtliche Schäden. Vor allem Wälder und Dächer in der Region haben gelitten. Ein Besuch bei den Aufräumarbeiten.
- Allein im Oberharz sind den Stürmen der vergangenen Tage bis zu 300.000 Bäume zum Opfer gefallen.
- Auch viele, vor allem ältere Dächer wurden beschädigt. Nun herrscht bisweilen Mangel an Ziegeln und Gerüsten.
- Die Beseitigung der durch die Stürme verursachten Waldschäden wird noch Monate, wenn nicht Jahre dauern.
Quer über der schmalen Verbindungsstraße zwischen den beiden Harz-Örtchen Elend und Sorge liegt ein Baumstamm, darüber flattert rotes Absperrband. Ein Schild warnt: "Durchgang verboten", im Hintergrund kreischen Kettensägen.
Seit Dienstag sind Andreas Drube und seine Männer damit beschäftigt, die rund sechs Kilometer lange Straße wieder befahrbar zu machen, die derzeit von unzähligen Ästen und Baumstämmen blockiert ist. "Es wird sicherlich noch bis Ende der Woche dauern, bis wir hier fertig sind", sagt der Leiter des Reviers Elend im Forstbetrieb Oberharz.
Abgemähte Mondlandschaften
Nicht nur Fichten seien den Stürmen zum Opfer gefallen, die von Mittwoch bis Montag mit Spitzengeschwindigkeiten von weit mehr als 100 Kilometern pro Stunde über den Harz fegten, berichtet der Förster. Auch Douglasien, Lärchen und Laubbäume habe es erwischt. Dann steigt er in seinen Jeep und fährt durch sein Revier, das vom Unwetter so hart getroffen wurde wie wohl kein anderes im Oberharz.
Überall an den Straßenrändern liegen entwurzelte oder abgeknickte Bäume. Hier und da ragt ein einzelner Stamm aus einer wie abgemäht wirkenden Mondlandschaft. Manche Fichte lehnt nur noch an einem Nachbarbaum und droht, jeden Moment umzufallen.
Bis zu 300.000 Bäume umgestürzt
"Nach ersten groben Schätzungen sind auf unserer gesamten Fläche 200.000 bis 300.000 Bäume durch den Sturm umgestürzt oder schwer beschädigt worden", sagt Jan Kindervater vom Forstbetrieb Oberharz, zu dem auch das Revier Elend gehört. Man rechne mit bis zu 100.000 Festmetern Schadholz. Vergleichbar große Sturmschäden habe es in den vergangenen Jahren nicht gegeben.
In den vergangenen Tagen seien jedoch viele ungünstige Umstände zusammengekommen: "Die Bäume", sagt Kindervater, "sind durch den Borkenkäfer und die starke Trockenheit der letzten Jahre ohnehin geschwächt und dadurch besonders anfällig für Sturmschäden. Außerdem hat der Sturm nicht nur ein paar Stunden geweht, sondern mehr als fünf Tage lang."
Dazu komme, dass viele Bäume durch die bereits vorhandenen Kahlflächen freistehen und keinen Schutz vor dem Sturm hätten. Der aufgeweichte Boden durch die vielen Regenfälle der vergangenen Wochen könnte weiter begünstigt haben, dass Bäume umknickten.
Schweres Gerät im Einsatz
Nun ist in den Wäldern des Forstbetriebs schweres Gerät unterwegs, um die Sturmschäden zu beseitigen, darunter 20 Holz-Vollerntemaschinen, sogenannte Harvester, die angeschlagene Bäume fällen und entasten. Weil der Landesforstbetrieb nicht selbst über solche Spezialgeräte verfügt, sei man dankbar für die Unterstützung von Unternehmen aus der Region, sagt Kindervater.
Auch die meisten der rund 80 Waldarbeiter, die derzeit in den Revieren im Oberharz im Einsatz sind, werden von externen Unternehmen gestellt. Sie arbeiten unter erschwerten Bedingungen: Aufgrund der schlammigen Böden geht es nur mühsam voran. Immer wieder bleiben Maschinen stecken oder Einsätze müssen wegen neuer Orkanböen unterbrochen werden.
Viele Dächer betroffen, aber meist nur kleine Schäden
Gut 20 Kilometer von Elend entfernt hat auch Guido Fischer in Wernigerode und Umgebung alle Hände voll zu tun. "Letzte Woche Donnerstag, um 9 Uhr morgens ging es los", erinnert sich der Dachdecker-Meister aus Langeln bei Wernigerode. "Von da an stand das Telefon kaum noch still." Etwa 50 Sturmschäden an Dächern seien ihm seitdem gemeldet worden. Die meisten davon konnten er und seine fünf Angestellten inzwischen bereits beheben.
"Es sind vor allem kleinere Schäden, verrutschte oder einzelne heruntergefallene Ziegel", sagt Fischer. Moderne Dächer würden selbst heftige Stürme in der Regel gut überstehen. Anfällig seien vor allem ältere Dächer. Von denen gibt es im Harz offenbar viele: Andere Dachdeckerinnen und Dachdecker aus der Region seien seit den Sturm-Tagen ebenfalls im Dauereinsatz, sagt Fischer.
Mangel an Gerüsten und Ziegeln
Vereinzelt kam es auch zu größeren Schäden, so wie bei Christa Denecke. Die Rentnerin wohnt mit ihren Kindern und Enkeln auf einem ehemaligen Bauernhof im Wernigeröder Ortsteil Minsleben. In der Nacht zum Donnerstag vergangener Woche hat der Sturm dort große Teile des Scheunen-Dachs abgedeckt. Da ihr Schlafzimmer auf der anderen Seite liege, habe sie nachts gar nichts mitbekommen, erzählt Christa Denecke.
Erst am nächsten Morgen bemerkte sie den Schaden, um den sich nun Dachdecker-Meister Guido Fischer kümmern soll. Doch weil es sich bei der alten Scheune um ein unbewohntes Gebäude handelt, hat dieser Auftrag nicht die höchste Priorität – denn Dachziegel und Gerüste sind derzeit bisweilen Mangelware, berichtet Fischer. In den nächsten Tagen werde sich die Lage aber wahrscheinlich wieder normalisieren.
Langwierige Aufräumarbeiten in den Wäldern
Bis sich die Lage im Oberharz wieder normalisiert, wird es deutlich länger dauern. Zwar sind die großen Straßen und die Gleise der Harzer Schmalspurbahnen inzwischen wieder befahrbar. Die Aufräumarbeiten an den kleineren Verbindungsstraßen werden in den nächsten Tagen abgeschlossen sein. Bis allerdings in den Wäldern und auf den Waldwegen alle Sturmschäden beseitigt sind, werde es wohl Sommer sein, schätzt Kindervater vom Forstbetrieb Oberharz.
Immerhin habe man Glück im Unglück, dass die Preise für Holz derzeit hoch seien. Das Holz der Bäume, die durch die Stürme umgeweht wurden, habe überwiegend gute Qualität und könne problemlos verkauft werden. "Direkt nach dem Sturm haben hier schon die Ersten angerufen und gefragt, ob sie Holz kaufen können", sagt Kindervater.
Die Flächen, die jetzt brachliegen, sollen dann wieder aufgeforstet werden – und zwar nicht nur mit Fichten, sondern mit einer Mischung aus verschiedenen Baum-Arten, um das Risiko zu streuen und Stürmen und dem Klimawandel mehr entgegensetzen zu können, erklärt Kindervater. Bis allerdings tatsächlich überall wieder Bäume gedeihen, dürften viele Jahre vergehen. Denn schon vor den Sturm-Tagen im Februar gab es im Forstbetrieb Oberharz 12.000 Hektar Kahlflächen. Aufgeforstet werden sollen davon in diesem Jahr gerade mal 600 Hektar.
Über den Autor
Lucas Riemer arbeitet seit Juni 2021 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Der gebürtige Wittenberger hat Medien- und Kommunikationswissenschaft in Ilmenau sowie Journalismus in Mainz studiert und anschließend mehrere Jahre als Redakteur in Hamburg gearbeitet, unter anderem für das Magazin GEOlino.
Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er vor allem über kleine und große Geschichten aus den Regionen des Landes.
MDR (Lucas Riemer)
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