Zeugnis-Note im Fach 200 Jahre Schach-Unterricht in Ströbeck
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19. September 2023, 11:45 Uhr
In Ströbeck bei Halberstadt dreht sich alles ums Schachspiel, und das schon seit über 1.000 Jahren. Damals soll ein im Ort inhaftierter Adliger den Ströbeckern das Spiel beigebracht haben. Die fanden so viel Gefallen daran, dass es seitdem zur Tradition gehört. Seit 200 Jahren gehört dort Schach zum regulären Unterrichtsfach. Der Ort feiert das mit einer Festwoche an der Schule, die den Namen eines berühmten Schachspielers trägt, des einzigen deutschen Schachweltmeisters Dr. Emanuel Lasker.
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- An der Grundschule in Ströbeck wurde am Montag 200 Jahre Schach-Unterricht gefeiert.
- Seit über 1.000 Jahren soll der Legende nach in der Stadt bereits Schach gespielt worden sein.
- Nach dem Brand im Schachmuseum ist noch kein neues Gebäude in Aussicht.
Die vierte Klasse hat einen Auftritt, auch das Schulorchester. Gedichte werden vorgetragen. Ein Sketch wird gespielt. Der Schulleiter hält eine Ansprache. Die Feierstunde in der Dr.-Emanuel-Lasker-Grundschule Ströbeck gleicht auf dem ersten Blick anderen Festakten. Doch unter der Decke hängt ein schwarz-weiß-kariertes Tuch. Fenster und Wände sind mit Schachfiguren beklebt. Im Programm der Kinder geht es um Schach zu spielen. 119 Kinder lernen an der Ströbecker Grundschule. Für alle gilt: Schach ist reguläres Unterrichtsfach, für das es sogar Noten gibt, auch auf dem Zeugnis. Seit 1823 ist das so. Und genau das wird gefeiert.
Ausstellung zum Jubiläum
Nebenan in der Aula der Schule wurde eine Ausstellung aufgebaut. Viele historische Fotos sind hier zu sehen, dazu kommen Urkunden, Texte, natürlich Schachspiele. Renate Rohrmann schaut auf ein paar alte Urkunden. Sie ist 75 Jahre alt und hat früher an der Ströbecker Sekundarschule Schach unterrichtet. Man werde mit Schach groß in dem Ort, erklärt sie. Sie habe Schach von ihrer Großmutter gelernt. Sie erinnert sich: "Meine Großmutter hat das Schachbrett gewonnen, mein Großvater, mein Vater und ich auch." Die Besten des Abschluss-Jahrgangs spielen zum Ende der Schulzeit um kunstvolle Schachbretter, die eigens dafür hergestellt werden. Auch das ist seit 200 Jahren Tradition in Ströbeck.
Legende: Häftling brachte Schach 1011 nach Ströbeck
"Wir pflegen die Schach-Tradition im ganzen Ort und eben auch in der Schule", sagt Ströbecks Bürgermeister Jens Müller. Glaubte man der Legende, besteht diese Schach-Tradition in Ströbeck seit über 1.000 Jahren. Ein in Ströbeck inhaftierter, gefangener Adliger des Bischofs von Halberstadt soll im Jahr 1011 seinen Bewachern das Schachspiel beigebracht haben. Seitdem werde in Ströbeck Schach gespielt. Fakt ist, dass im Jahr 1616 in Leipzig erschienenen, ersten deutschsprachigen Schachbuch, das Ströbecker Schachspiel ausführlich beschrieben wird. Seit 1689 sind öffentliche Aufführungen von Schach-Partien belegt, bei denen die Schachfiguren durch entsprechend verkleidete Menschen dargestellt wurden. Diese Tradition gibt es heute noch. Und im Jahr 1823 dann bestimmte der Bürgermeister Schach sogar zu einem regulären Unterrichtsfach in der Schule.
Schulfach mit Tests und Noten
Dass die Anweisung noch immer umgesetzt wird, daran hat Isa Hanf einen großen Anteil. Die 57-Jährige unterrichtet in Ströbeck das Fach Schach. Das sei wie in anderen Fächern, erklärt sie. Es gebe Tests. Antworten im Unterricht würden bewertet werden, auch Ideen. Es gebe theoretischen und praktischen Unterricht. Und so wie im Fach Kunst-Erziehung oder im Sport-Unterricht gebe es natürlich auch im Schach-Unterricht Kinder, denen das Unterrichtsfach keinen Spaß macht. Den meisten aber würde es sehr gefallen. "Vielleicht auch, weil die Kinder im Unterricht spielen können", fügt die Lehrerin schmunzelnd hinzu.
Einzige Schule: Zensur als Besonderheit
Isa Hanf ist Sachsen-Anhalts einzige aktive Schul-Schach-Lehrerin. Seit 32 Jahren unterrichtet sie Schach an der Ströbecker Grundschule, und ist damit maßgeblich daran beteiligt, dass die Schacht-Tradition im Ort lebendig bleibt. Sie versuche den Kindern beizubringen, dass sie in Ströbeck etwas Besonderes lernen. Sie sage immer: "Ihr habt ein Fach, das es woanders nicht gibt. Niemand sonst in Sachsen-Anhalt hat eine Schach-Zensur im Zeugnis stehen."
Diese Tradition aufrecht zu halten war nicht immer einfach. Als zum Beispiel im Jahr 2004 die örtliche Sekundarschule wegen zu geringer Schülerzahlen schloss, dachten viele, das sei auch das Aus für den Schach-Unterricht. Doch an der Ströbecker Grundschule ging es weiter. Und der Bestand der Grundschule scheint sicher zu sein, derzeit jedenfalls. Man müsse aber trotzdem immer mit Entwicklungen rechnen, die Probleme bereiten könnten, so Bürgermeister Jens Müller. Um dagegen besser gewappnet zu sein, gebe es eine extrem enge Zusammenarbeit zwischen Schule, Schachverein und Ortschaftsrat.
Sorgen ums Schachmuseum
Viel mehr Sorgen macht sich der Bürgermeister derzeit um das Schachmuseum des Ortes. Dort brannte es vor vier Jahren. Die meisten Exponate konnten gerettet werden und sind seitdem ausgelagert. Doch ein neues Museum lässt auf sich warten. Die Ausstellung zur Festwoche wurde mit Museums-Exponaten gestaltet. Diese Ausstellung solle auch zeigen, so Müller, dass sie nicht locker lassen in Sachen Museum. Pläne liegen vor. Im Dorf soll ein Haus umgebaut werden. Die Ströbecker hoffen auf Fördermittel.
In der Ausstellung steht eine große Ehrentafel mit den Jahrgangs-Siegern, auch Renate Rohrmann ist darauf vermerkt. Heute werden die Schachbretter zum Ende der vierten Klasse ausgespielt. Ausgezeichnet werden die Sieger dann immer beim örtlichen Dorffest, das in Ströbeck Schachfest heißt. Wo? Auf dem Platz zum Schachspiel.
MDR (Carsten Reuß, Moritz Arand)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 18. September 2023 | 19:00 Uhr
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