Trotz Millionen-Defizit Zukunft der Harzer Schmalspurbahnen vorerst gesichert
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19. Dezember 2024, 14:57 Uhr
Die historischen Dampfloks der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) sind ein Highlight für mehr als eine Million Besucher pro Jahr. Obwohl fürs laufende Jahr mit einem fünfmal höheren Defizit als sonst gerechnet wird, haben die HSB-Gesellschafter dem Wirtschaftsplan für 2025 und auch einer Sonderzahlung zugestimmt. Fragen nach einer langfristigen Perspektive stellen sich dennoch.
Nachdem die Herren in Hemd und Anzug den Lesesaal der Nordhäuser Stadtbibliothek verlassen haben, atmet HSB-Geschäftsführerin Katrin Müller spürbar durch. Geschafft: Ein Canapé später spricht sie von einem "absolut positiven Signal der Gesellschafter". Und tatsächlich: Für ihr Unternehmen, die Harzer Schmalspurbahnen (HSB), hätte dieser Tag kaum besser laufen können. Sowohl dem Wirtschaftsplan fürs kommende Jahr als auch Sonderzahlungen von rund 650.000 Euro haben die Gesellschafter zugestimmt. Nach Wochen voll Diskussionen ist Müller sichtlich erleichtert.
Defizit durch gestiegene Kosten für Personal, Material und Energie
Obwohl die Harzer Schmalspurbahnen eine der beliebtesten Touristen-Attraktionen in Ostdeutschland sind, schreiben sie traditionell rote Zahlen. Ein Defizit von etwa 5,6 Millionen Euro erwartet das Unternehmen für 2024. Das ist rund fünfmal höher als sonst – ein "exorbitantes Minus", gab HSB-Sprecher Dirk Bahnsen im Vorfeld der Gesellschafterversammlung zu. Als Grund für das Defizit gibt Bahnsen die gestiegenen Kosten für Personal, Material und Energie an. Besonders die Kohle, die man mittlerweile aus Südamerika beziehe, falle ins Gewicht. Außerdem seien einige Ausgaben fällig geworden, die man in den vergangenen Jahren immer wieder aufgeschoben habe.
Trotzdem hatten die Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen ihre finanzielle Unterstützung bereits im November zugesichert – allerdings unter der Voraussetzung, dass auch die neun Gesellschafter der HSB in Form von Sonderzahlungen mitziehen. Zusammen sollen die Landkreise Harz und Nordhausen, die Städte Wernigerode, Nordhausen, Harzgerode, Quedlinburg und Oberharz am Brocken, die Gemeinde Harztor und die Braunlage Tourismus GmbH jährlich rund 650.000 Euro mehr als bisher aufbringen. Das sind nochmal 50 Prozent der aktuellen Förder-Summe obendrauf.
Einstimmige Unterstützung der Sonderzahlungen
Nach der Gesellschafterversammlung in Nordhausen steht nun endgültig fest: Die nötige Unterstützung kommt. Die Sonderzahlungen wurden, wie es auch nötig war, einstimmig beschlossen. "Wir haben dem Ganzen zugestimmt, weil wir uns nicht vorstellen können, eine 125-jährige Bahn abzuwickeln, nur weil sie Probleme hat, die alle Firmen in Deutschland haben", sagt der Aufsichtsratsvorsitzende der HSB und Landrat des Kreises Harz, Thomas Balcerowski (CDU).
Darüber hinaus betont er die Wichtigkeit der Schmalspurbahnen für die gesamte Region. Im Harz sei der Tourismus einer der größten Wirtschaftszweige – und die HSB dafür "unverzichtbar". Auch wenn die Züge für sich genommen nicht profitabel seien, ziehen sie immer noch Menschen in den Harz. Erst dadurch würden sich Hotels und Restaurants lohnen.
Stadt Nordhausen stimmt gegen Wirtschaftsplan
Neben den Sonderzahlungen wurde zudem über den Wirtschaftsplan fürs kommende Jahr abgestimmt. In der vergangenen Woche hatte der Oberbürgermeister der Stadt Nordhausen, Kai Buchmann (parteilos), angekündigt, diesen ablehnen zu wollen. Ihm fehle eine langfristige Perspektive der HSB, zudem sehe er in der klammen Stadtkasse keinen Spielraum für freiwillige Sonderzahlungen. Damit schaffte er es zumindest gesondert ins Protokoll – denn die anderen Gesellschafter teilten seine Bedenken nicht und stimmten für den Wirtschaftsplan. Um diesen zu beschließen, reicht die einfache Mehrheit der Gesellschafter-Anteile aus.
Später gibt Buchmann wortkarg zu, dass seine Stimme "nicht das Zünglein an der Waage" gewesen sei. Der Aufsichtsratsvorsitzende Balcerowski vermutet einen eher symbolischen Akt: "Hätte man das Unternehmen abwickeln wollen, hätte man auch die Sonderzahlungen nicht leisten müssen".
Historische Dampfloks fahren weiter – Ideen für die Zukunft gesucht
Am Ende also viel Aufregung um nichts? Das wäre als Fazit zu einfach. Laut Geschäftsführerin Müller hat die Gesellschafterversammlung gezeigt, wie groß die Unterstützung für die Harzer Schmalspurbahnen in der gesamten Region ist. Sie habe aber auch gezeigt, dass es neue Wege und Ideen braucht, um die kommenden Jahrzehnte optimistisch anzugehen. Wie diese aussehen könnten, soll nun in Zusammenarbeit mit einem externen Unternehmen geprüft werden. Erste Ergebnisse möchten die HSB im kommenden Jahr vorstellen. Insbesondere nachdem nun sicher ist, dass die historischen Dampfloks auch dann noch auf den Brocken fahren werden.
Das denken Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter über die Zukunft der Harzer Dampfloks:
Auf den Social-Media-Plattformen von MDR SACHSEN-ANHALT wird rege über die Zukunft der Harzer Schmalspurbahnen diskutiert ‒ insbesondere auf Facebook.
Viele Userinnen und User sind aufgrund des besonderen Charmes und der Geschichte für den Erhalt. So schreibt etwa User Dirk Kni: "Also ich kann dazu nur sagen, dass es für mich vor kurzem ein besonderes Event war. […] Für mich muss diese Bahn erhalten bleiben, es ist ein Stück Kulturgut."
Es gibt jedoch viel Kritik an den Preisen, die zu hoch eingeschätzt werden. User Andre Kl schreibt: "2 Erw. + 2 Kinder sind hin und zurück 176 Euro. Sorry, das passt nicht. Da ist ein Tagesausflug mit dem Schiff günstiger. Auch egal von welcher Haltestelle den gleichen Preis zu verlangen gibt es nirgends in Deutschland. Das ist wirtschaftlich zum Scheitern verurteilt."
Userin Mirijam Mier schließt sich an: "Wäre es eventuell mal 'ne Idee die Preise zu reduzieren? Niedrigere Preise sorgen dafür, dass mehr Leute mitfahren (können). Wenn mehr Leute mitfahren, gibt's dann evtl. unterm Strich doch mehr Geld – möglicherweise reicht es nicht für schwarze Zahlen, aber einen Versuch wäre es doch wert."
User Pascal Bochum würde eine Vergünstigung ebenfalls gutheißen und hat gleich mehrere Vorschläge: "Entweder man sorgt dafür, dass auch zum Brocken das Deutschlandticket zählt. Das restliche fehlende Geld kann durch eine neue Steuer finanziert werden oder macht es wie die Wasserkuppe, indem auch der PKW-Verkehr freigegeben wird oder installiert eine Seilbahn, dann wäre auf dem Brocken mehr los und die Gastronomie, Geschäfte und Hotel würden davon profitieren. Dazu würde die Gemeinde viel Geld durch die Gewerbesteuern bekommen. Die Brockenbahn kann für besondere Anlässe erhalten bleiben, zum Beispiel für Jubiläumsfahrten, Hochzeitfahrten und so."
User Walter Helbling würde gerne wissen, wie hoch die Fixkosten des Bahnbetriebs sind: "Wie wäre es denn, wenn mal über ein neutrales Gutachten festgestellt wird, wie hoch die täglichen Fixkosten der HSB in der Sommersaison/Wintersaison sind und wie viele Prozent davon über die Ticketpreise eingenommen werden?"
Userin Liane Liebl sieht die Finanzierung ebenfalls kritisch: "Eine ‚Touristenattraktion‘ um jeden Preis am Leben zu halten auf Kosten der Steuerzahler? Warum? Eine 100-jährige Bahn gehört ins Museum und etwas finanzierbar und praktikables sollte den Platz einnehmen! Aber ich vergaß, ist ja nicht möglich, wäre ja Fortschritt und nicht Klammern an einem nostalgischen, unfinanzierbaren Prestigeobjekt!"
User Rene Dressel sieht die Lösung in einer Modernisierung: "Einfach nach Schweizer Vorbild die Strecken elektrifizieren und an Wochenenden und Feiertagen dann Dampfbetrieb. Die Heiz- und Schmierstoffe werden immer teurer, die Instandhaltungskosten des rollenden Materials vor allem der Dampfloks geht arg ins Geld. Gerade auf der Brockenbahn hast Du die doppelte bis dreifache Abnutzung."
User Nick Dolz schlägt vor, auch andere Strecken stärker zu nutzen: "Momentan ist alles auf die Brockenfahrten konzentriert und die restlichen, teils sogar interessanteren Strecken fallen hinten runter. […] Man sollte mehr Fahrgäste auf die anderen Strecken locken und für alle die Touristen, die mit dem Zug über die anderen Strecken der HSB anreisen, die Brockenstrecke 3-5% billiger machen."
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MDR (Til Schäbitz) | Erstmals veröffentlicht am 17.12.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. Dezember 2024 | 12:00 Uhr
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