Kaffee und Brotaufstrich Regionale Lieferketten – Wie Kleinunternehmen dem Weltmarkt trotzen
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28. Februar 2024, 16:01 Uhr
Transparenz, Kontakt zu Kunden und das Wissen, wo Produkte herkommen – das zeichnet zwei Unternehmen aus Sachsen-Anhalt aus, die sich MDR SACHSEN-ANHALT angeschaut hat. Für die Unternehmer, die Brotaufstrich und Kaffee verkaufen, sind eine gemeinsame Zusammenarbeit und netzwerken wichtig, um abseits der großen Lieferketten bestehen zu können.
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- Kurze Wege in die Großstadt und Transparenz sind wichtig, um Kunden zu gewinnen.
- Durch netzwerken mit anderen Unternehmen, erweitert sich die Produktpalette.
- Die regionale Zusammenarbeit wird von Kunden geschätzt.
Von Aschersleben bis zur nächsten Kaffeeplantage in Vietnam sind es rund 11.000 Kilometer und trotz des Klimawandels wird es wohl auch in Zukunft keinen Kaffeeanbau in Sachsen-Anhalt geben. Dennoch weiß Thomas Schatz sehr genau, woher die Rohware kommt, die er in Aschersleben röstet. "Es ist grundlegend unsere Philosophie, dass wir wissen wollen, was wir produzieren, wo es herkommt und dass wir das auch transparent an die Kunden weitergeben", sagt er MDR SACHSEN-ANHALT.
Vor drei Jahren haben Thomas Schatz und Dominik Rider ihre Rösterei "Die Kaffeemänner" gegründet – eine Manufaktur mit kleinem Laden im Keller einer ehemaligen Seifenfabrik.
Durch Transparenz Kunden gewinnen
Nun ist Aschersleben nicht gerade eine Großstadt, aber dennoch hält sich die Rösterei am Markt und expandiert sogar. Zum einen, weil es nicht weit ist nach Magdeburg, Halle oder Leipzig und zum anderen, weil die Geschäftsidee auf aktuelle Trends reagiert. "Wir heben uns von anderen Röstereien ab, indem wir die Manufaktur als gläsern bezeichnen. Diese Transparenz ist ein Mehrwert, den es in vielen anderen Röstereien oft nicht wirklich gibt", erklärt Thomas Schatz.
Wir heben uns von anderen Röstereien ab, indem wir die Manufaktur als gläsern bezeichnen. Diese Transparenz ist ein Mehrwert, den es in vielen anderen Röstereien oft nicht wirklich gibt.
So wie es beim Bier inzwischen wieder ein Interesse an regionaler Vielfalt gibt, als Reaktion auf die Marktmacht der Groß-Brauereien, so scheint das nun auch im Bereich des Kaffees ein erfolgreiches Konzept zu sein.
Regionales Kauf-Erlebnis am Stand
Ebenfalls erfolgreich ist Isabel Heidemann mit ihrer Firma "Gonzo's" in Druxberge – ein Dorf zwischen Ovelgünne und Drackenstedt, mitten in der Börde. Handgerührt und nicht geschüttelt sind ihre Brotaufstriche aus Karamell mit überwiegend regionalen Zutaten. "Der Zucker wächst praktisch vor der Haustür und Butter und Sahne bekommen wir auch regional", erklärt sie.
Die studierte Ökotrophologin (Haushalts- und Ernährungswissenschaftlerin) betreibt kein Ladengeschäft, denn nach Druxberge führt nur eine einzige Straße, die nicht unbedingt als viel befahren gelten kann. Stattdessen ist Heidemann auf regionalen Märkten unterwegs und das mit Erfolg: "Bei uns gibt es ein Kauf-Erlebnis am Stand. Wir erzählen Geschichten über unsere Produkte. Wir sprechen mit den Kunden und erklären, wo die Rohstoffe herkommen. Die Leute schauen im Internet, wo wir sind und kaufen dann persönlich bei uns ein."
Bei uns gibt es ein Kauf-Erlebnis am Stand. Wir erzählen Geschichten über unsere Produkte. Wir sprechen mit den Kunden und erklären, wo die Rohstoffe herkommen. Die Leute schauen im Internet, wo wir sind und kaufen dann persönlich bei uns ein.
Das neueste Produkt aus Druxberge ist eine Cascaracreme. Das ist ein ziemlich neuartiges Produkt, denn Cascara ist erst seit dem Jahr 2022 von der EU als Lebensmittel zugelassen. Cascara ist die Hülle der Kaffee-Frucht, die bislang nicht genutzt wurde. Heidemann sagt: "Wir haben eine Kooperation mit den 'Kaffeemännern' in Aschersleben. Von dort beziehen wir die Cascara. Das wird wie ein Tee aufgegossen und dann zu einem Frucht-Aufstrich verarbeitet, der überhaupt nicht nach Kaffee schmeckt." Kurze Lieferwege sorgen dafür, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt und in diesem Fall zusätzlich der Verschwendung von Lebensmitteln entgegenwirkt.
Netzwerken, um neue Produkte zu schaffen
Inzwischen haben sich regionale Netzwerke etabliert. Wer "Die "Kaffeemänner" in Aschersleben besucht, der bekommt dort mehr als nur gerösteten Kaffee. Für Thomas Schatz kommt es darauf an, mit regionalen Partnern gemeinsam neue Produkte zu entwickeln. Und da erweist sich der Kaffee als sehr vielseitig verwendbar.
"Wir haben laktosefreien Eierlikör mit unserem Kaffee kreiert. Der "Bonbonmann" in Zeitz stellt ein Kaffee-Bonbon her, die Konditorei "Stehwien" in Tangermünde macht eine Kaffee-Schokolade, das "Solebad Bad Salzelmen" steuert Kaffee-Salz bei", so Schatz. Manches funktioniert auch nicht: Zum Beispiel die Idee, in Kooperation mit einem regionalen Brauer ein Kaffee-Bier zu entwickeln. Man arbeite aber weiter an der Umsetzung.
Regionale Zusammenarbeit kommt bei Kunden gut an
Auch Isabell Heidemann von "Gonzo's" arbeitet mit dem "Bonbonmann" aus Zeitz zusammen. Die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung funktionieren gut, so die Unternehmerin, die auf den Märkten nicht nur eigene Produkte verkauft: "Ich habe Brot aus der Schau-Bäckerei in Calvörde dabei und er verkauft dann unsere Brotaufstriche mit. Das ist eine tolle Sache, wenn ich den Kunden sagen kann: 'Das Brot ist von da, der Käse ist von da und alles hier aus Sachsen-Anhalt.' Das kommt gut an", so Heidemann.
Dass in Sachsen-Anhalt die Zahl der Fleischer und Bäcker zurückgeht, wird seit Langem beklagt. Möglicherweise sind Kooperationen ein Weg, diesen Trend zu brechen.
EU-Lieferketten-Gesetz
Der bereits ausgehandelte EU-Gesetzentwurf soll Unternehmen verpflichten, Standards bei der Produktion auch im Ausland zu kontrollieren. Wenn sie außerhalb der EU von Kinder- oder Zwangsarbeit profitieren, sollen sie wie in der EU zur Rechenschaft gezogen werden.
MDR (Uli Wittstock, Sebastian Gall, Maximilian Fürstenberg)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 28. Februar 2024 | 08:00 Uhr