Fachkräftegewinnung in Usbekistan Landtagspräsident Schellenberger: Ein Erklärungsversuch, der viele Fragen aufwirft
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03. Mai 2023, 20:05 Uhr
Was darf eigentlich ein Landtagspräsident? Diese Frage schwebt seit letzter Woche durch das politische Sachsen-Anhalt. Gunnar Schellenberger (CDU) hatte sich offenbar eigenmächtig auf den Weg gemacht, 5.000 usbekische Fachkräfte nach Deutschland zu holen. Seit Tagen keine Reaktion aus dem Büro des Landtagspräsidenten. Heute: Ein Erklärungsversuch, der jedoch noch mehr Fragen aufwirft.
- Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Schellenberger hat im Alleingang ein Projekt zur Anwerbung von Tausenden Fachkräften aus Usbekistan angestoßen. Das Sozialministerium hat er über die Pläne anfangs nicht informiert.
- Stattdessen gibt Schellenberger an, die Landesregierung informiert zu haben. Doch die will sich nicht dazu äußern.
- Die Opposition kritisiert Schellenbergers Vorgehen und fordert eine Klärung der Vorgänge im Ältestenrat.
5.000 Fachkräfte aus Usbekistan wollte Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) im Alleingang organisieren. Zunächst war eine hallesche Baufirma im Gespräch, die nach Angaben der Landesregierung bereits seit 2020 Stellen für usbekische Azubis angeboten hat. Der Landtagspräsident macht nun in seiner Stellungnahme eine andere Richtung auf: "Ausgangspunkt meiner politischen Bemühungen, die Anwerbung usbekischer Arbeitskräfte für Sachsen-Anhalt zu unterstützen, war eine Schirmherrschaft, die ich [...] an der SKY Pflegeakademie gGmbH Sangerhausen der GfM-Gruppe Berlin übernommen hatte." Fachkräfte aus der Pflege also.
Unklar bleibt bei dieser Aussage jedoch, warum Wirtschaftsminister Sven Schulze und nicht Sozialministerin Petra Grimm-Benne über das Vorhaben informiert wurde. Deren Sprecherin äußert sich auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT so: "Absprachen zwischen dem Sozialministerium und dem Landtagspräsidenten gab es nicht. Das Sozialministerium wurde Anfang vergangener Woche in der Staatssekretärs-Konferenz über die Überlegungen informiert. Über die inhaltlichen, auf Branchen bezogenen oder regionalen Schwerpunkte sowie die für die Begleitung erforderlichen Integrations-Angebote und -Ressourcen liegen bislang keine Informationen vor."
Landesregierung und Regierungsfraktionen schmallippig
Schellenberger gibt an, die Landesregierung – in persona den Ministerpräsidenten und den Wirtschaftsminister – informiert zu haben: "Dabei bestand Einvernehmen, dass ich für diese Gespräche weiter zur Verfügung stehen könne und solle," so der Landtagspräsident. Die Erwiderung von Wirtschaftsminister Sven Schulze auf MDR SACHSEN-ANHALT-Nachfrage fällt jedoch sehr knapp aus: "Wir wurden informiert, mehr nicht."
Auch die Regierungsfraktionen wollen sich nicht zu Schellenbergers Alleingang äußern. Katja Pähle (SPD) sagt am Mittwoch nur so viel: "Das muss bei der nächsten Sitzung im Ältestenrat Thema sein." Die CDU lehnt eine Stellungnahme bei MDR SACHSEN-ANHALT ab. Eine Reaktion der FDP steht noch aus. Aus der Staatskanzlei heißt es knapp: "Die Bekämpfung des Fachkräftemangels ist ein erklärtes Ziel der Landesregierung. Alle Initiativen, die dazu beitragen können, sind willkommen. Die Staatskanzlei wurde im April über das Vorhaben informiert und hat die Initiative an die entsprechenden Stellen in Land und Bund weitergeleitet."
Landtagspräsident legt Details seiner Gespräche offen
Die Stellungnahme des Landtagspräsidenten, die auch MDR SACHSEN-ANHALT vorliegt, gibt Details über Schellenbergers Vorgehen preis: "Nachdem am 23. März 2023 in einem Arbeitsgespräch die Einschätzungen zum Projekt durch die IHK Magdeburg, den Medizinischen Dienst Sachsen-Anhalts, die Ärztekammer Sachsen-Anhalts sowie durch die GfM-Gruppe vorgetragen worden sind, habe ich an diesem Tage am Rande der Sitzung des Landtages darüber Herrn Ministerpräsident Dr. Haseloff informiert, dass zum Thema Fachkräfte-Werbung etwas auf ihn zulaufen werde."
Am 29. März habe ihm dann der zuständige leitende Angestellte der GfM-Gruppe einen Vertragsentwurf zum "Projekt 5.000" geschickt, so Schellenberger. Sein Büro habe den Entwurf in seinem Auftrag per E-Mail am 4. April an das Büro des Ministerpräsidenten übermittelt "und darauf hingewiesen, dass ich in dieser Angelegenheit vermittelnd wirke und die Staatskanzlei nunmehr um Übernahme bitte."
Opposition fehlen Antworten auf wichtige Fragen
Einen Fragenkatalog mit elf Fragen hat Grünen-Chefin Cornelia Lüddemann im Auftrag ihrer Fraktion an den Landtagspräsidenten geschickt. Im MDR SACHSEN-ANHALT-Interview sieht Lüddemann weiterhin Gesprächsbedarf: "Diese Pressemitteilung beantwortet einige Fragen, aber nicht alle. Warum beispielsweise hat der Landtagspräsident seine Kontakte nicht den für Arbeits-Migration zuständigen Stellen zur Verfügung gestellt? Warum ist neben der Staatskanzlei nicht parallel der Landtag informiert worden? Wir Grüne erwarten weiterhin eine direkte Information im Ältestenrat."
Und das sieht auch Stefan Gebhardt von den Linken so: "Der Landtagspräsident steht unter enormen Rechtfertigungs-Druck. [...] Offen bleibt weiterhin, warum Herr Schellenberger seine Kompetenzen weit überschritten hat und an den Fach-Ministerien vorbei agierte. Wir bleiben bei unserer Forderung nach Sondersitzung des Ältestenrates und vollständiger Aufklärung der Vorgänge."
Der Ältestenrat würde jedoch erst wieder zur nächsten Landtagssitzung Anfang Juni zusammenkommen. Das ist beiden Parteien zu spät, um die noch offenen Fragen zu klären. Die AfD-Fraktion hatte Schellenbergers Vorgehen am Montag in einer Mitteilung dahingehend verteidigt, dass sie keine Kompetenz-Überschreitung des Landtagspräsidenten erkennen könne.
MDR (Lars Frohmüler, Fabienne von der Eltz)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 03. Mai 2023 | 16:00 Uhr
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