Landtag Wahl des Landesdatenschützers erneut gescheitert

13. Oktober 2022, 10:42 Uhr

Sachsen-Anhalt hat seit Jahren keinen offiziell gewählten Landesdatenschützer. Bei der Wahl am Donnerstag ist der bisherige Favorit unter sechs Bewerbern, Albert Cohaus, der Interims-Leiter der Behörde, nicht vom Landtag gewählt worden. Schon am Mittwoch hatte sich die CDU-Fraktion weder hinter Cohaus noch einen anderen Kandidaten gestellt.

Im Landtag von Sachsen-Anhalt ist am Donnerstag die Wahl eines Landesdatenschutzbeauftragten erneut gescheitert. Albert Cohaus, der die Datenschutzbehörde seit vergangenem Jahr interimsmäßig führt, erhielt bei der Wahl nur 16 Stimmen, alle anderen fünf Kandidaten weniger oder gar keine Stimmen. Nötig wären 49 Stimmen gewesen.

51 Abgeordnete stimmt gegen alle Kandidaten. 22 Stimmen waren Enthaltungen, ungültig oder wurden nicht abgegeben. Landtagspräsident Gunnar Schellenberger hat das Verfahren vorerst beendet.

FDP regt Neuregelung des Auswahlverfahrens an

Nach Abbruch des Bewerber-Verfahrens regte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Guido Kosmehl, eine grundsätzliche Neuregelung des Auswahl-Modus an. Das jetzige Verfahren sei offensichtlich nicht geeignet, um die Stelle schnell zu besetzen, sagte Kosmehl vor allem mit Blick auf die unklare Haltung der CDU-Fraktion.

Denkbar sei etwa ein Vorschlagsrecht für die Fraktionen. Kosmehl wollte sich aber nicht auf einen Modus festlegen. Er nannte das erneute Scheitern der Wahl "enttäuschend".

Früherer Bundesdatenschutzbeauftragter fordert von EU einzuschreiten

Ähnliche äußerte sich der ehemalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar. Im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT erklärte er, fassungslos zu sein: "Seit gut vier Jahren gibt es in Sachsen-Anhalt keine unabhängige Datenschutz-Kontrolle, so wie das in der europäischen Datenschutzgrundverordnung vorgeschrieben ist. Also ein eklatanter Verstoß gegen europäisches Recht."

Schaar zufolge ist nun notwendig, von außen tätig zu werden. Hier sei in allererster Linie die Europäische Kommission gefordert: "Sie muss ein Vertragsverletzungs-Verfahren einleiten. Dieses Vertragsverletzungs-Verfahren kann dann dazu führen, dass die Bundesrepublik Deutschland verurteilt wird, sehr hohe Summen für jeden Tag des weiteren Verzugs zu zahlen, bis die Wahl eines Datenschutzbeauftragten oder einer Datenschutzbeauftragten realisiert ist."

Wahl galt als unwahrscheinlich

Bislang galt Albert Cohaus als Favorit. Nachdem die CDU-Fraktion am Mittwoch aber beschloss, keinen Kandidaten zu unterstützen, galt seine Wahl als unwahrscheinlich. "Ich gehe nicht davon aus, dass er gewählt wird", sagten mehrere Abgeordnete der Koalition MDR SACHSEN-ANHALT.

Linken-Fraktionschefin: Verhalten der Koalition "inakzeptabel"

Linken-Fraktionschefin Eva von Angern bezeichnete im Anschluss das Verhalten der Koalition als "inakzeptabel". Diese habe erneut keine Mehrheit für einen Kandidaten versammeln können. Von Angern betonte die Bedeutung des Datenschutzes auch vor dem Hintergrund der DDR-Geschichte. Allerdings hatte die Linksfraktion Albert Cohaus selbst in der Vergangenheit zwar unterstützt, im Vorfeld der Abstimmung aber erklärt, sich enthalten zu wollen.

Grüne: "Schlag ins Gesicht des Datenschutzes"

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Sebastian Striegel, sprach von einem "Schlag ins Gesicht des Datenschutzes". Er gab vor allem der CDU-Fraktion die Schuld an der seit 2018 mehrfach gescheiterten Wahl. Man habe nicht nur das Amt, sondern auch die Kandidaten persönlich beschädigt, sagte Striegel. Die Grünen hatten im Vorfeld erklärt, nicht für Cohaus stimmen zu wollen.

Diese Koalition gestaltet nichts mehr. Ihre Mehrheit reicht nur noch zum Nein.

Sebastian Striegel (Grüne) Parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer

CDU stellt sich nicht hinter Koalitionsfavoriten Cohaus

CDU-Fraktionschef Guido Heuer kündigte an, gemeinsam mit beiden Koalitionspartnern schnellstmöglich eine Lösung für ein neues Verfahren finden zu wollen. "Offensichtlich war keiner der bisherigen Kandidaten mehrheitsfähig", so Heuer. Weder das Amt noch die Kandidaten hätten aber die derzeitige Situation verdient.

Heuer verteidigte aber, dass die CDU-Fraktion trotz monatelanger Diskussion erst am Mittwochnachmittag die Abstimmung freigegeben und sich vorher auf keinen Kandidaten geeinigt hatte. "Das hat die Fraktion so entschieden." Damit gab es keine offizielle Empfehlung für Cohaus, obwohl sich sowohl Heuer als auch sein Vorgänger an der Fraktions-Spitze, Siegfried Borgwardt, öffentlich für ihn ausgesprochen hatten.

Auch die SPD will nun schnell eine Lösung. Fraktionschefin Katja Pähle nannte den Vorgang ein "Trauerspiel" und ein "Desaster". An SPD und FDP habe es aber nicht gelegen, so Pähle. Beide Fraktionen haben sich in der Vergangenheit öffentlich für Cohaus ausgesprochen und hielten daran auch zuletzt fest.

Cohaus führt als stellvertretender Datenschutzbeauftragter seit 2021 interimsmäßig die Behörde und wurde von SPD und FDP unterstützt. Ob er sich bei einer erneuten Ausschreibung bewerben wird, ist unklar. MDR SACHSEN-ANHALT sagte Cohaus nach der erneut gescheiterten Wahl im Landtag: "Ich habe mich noch nicht entschieden."

Bei erneuter Wahl ohne Sieger kann Verfahren neu starten

Seit 2018 wurde in Sachsen-Anhalt kein neuer Landesdatenschutzbeauftrager gewählt, weder in Zeiten der schwarz-rot-grünen Koalition noch seit dem Antritt vom Schwarz-Rot-Gelb. Die Wahl scheiterte mehrfach, zuletzt wurde ein angesetzter Wahlgang im Juni dieses Jahres vertagt. Innerhalb und außerhalb Sachsen-Anhalts sorgte der Umstand wiederholt für scharfe Kritik.

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MDR (Thomas Vorreyer, Cornelia Winkler, Thomas Tasler)/dpa | Erstmals veröffentlicht am 10. Oktober 2022 16:27

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 13. Oktober 2022 | 12:00 Uhr

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