Nach Notlage-Erklärung 150 Millionen Euro extra: Landtag beschließt Nachtragshaushalt für 2023

Von Felix Fahnert, MDR SACHSEN-ANHALT

14. Dezember 2023, 15:40 Uhr

Sachsen-Anhalts Landtag hat für 2023 einen Nachtragshaushalt beschlossen – er umfasst neue Kredite über 150 Millionen Euro. Am Montag hatte das Parlament hierfür per Notlagen-Beschluss die Vorgaben der Schuldenbremse ausgesetzt. Das Geld sollte eigentlich aus einem Corona-Sonderfonds kommen. Der ist allerdings nicht verfassungskonform. Am Nachmittag will der Landtag auch für 2024 die Notlage erklären und den Haushalt beschließen.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr beschlossen. Die Koalitionsfraktionen CDU, SPD und FDP stimmten für den Zusatz-Etat, der 150 Millionen Euro neue Kredite für das laufende Jahr ermöglicht. Bereits am Montag hatte das Parlament hierfür beschlossen, dass sich das Land auch 2023 in einer "außergewöhnlichen Notsituation" befindet. Damit sind die Vorgaben der Schuldenbremse ausgesetzt – und neue Kredite möglich. AfD und Grüne votierten dagegen, die Linken-Fraktion enthielt sich.

Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt 1 min
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Der Landtag in Sachsen-Anhalt darf eigentlich keine Schulden machen – dank der Schuldenbremse. Doch mit einem Trick sollen weitere Gelder möglich gemacht werden.

Do 14.12.2023 14:16Uhr 01:00 min

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Was ist die Schuldenbremse? Die Schuldenbremse schreibt vor, dass der Staat grundsätzlich nicht mehr Geld ausgegeben darf, als er einnimmt – damit also einen ausgeglichen Haushalt vorlegen muss. Auf Bundesebene gilt die Regelung, dass neue Schulden von maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gemacht werden dürfen. Für die Bundesländer ist die Aufnahme von Krediten im Normalfall nicht erlaubt. Die Vorgaben der Schuldenbremse können allerdings außer Kraft gesetzt werden, wenn etwa Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen wie eine Pandemie auftreteten. Wird eine entsprechende Notlage vom Parlament festgestellt, dürfen neue Kredite aufgenommen werden.

Das zusätzliche Geld soll dazu dienen, Investitionen infolge der Corona-Pandemie zu bezahlen. Eigentlich war dafür das sogenannte Corona-Sondervermögen – ein Fonds aus dem Jahr 2021 – vorgesehen. Nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die geplante Praxis allerdings nicht verfassungsgemäß. Die Landesregierung will die Corona-Investitionen deshalb nun auf eine neue, rechtssichere Grundlage stellen.

Geld unter anderem für Bildungs- und Gesundheitssektor

Finanzminister Michael Richter (CDU) erklärte am Montag im Landtag, das Verfassungsgericht in Karlsruhe habe klargestellt, dass Notlagen-Kredite im selben Jahr ausgegeben werden müssen, in dem sie aufgenommen wurden. "Es dürfen keine Schulden auf Vorrat gemacht werden", sagte Richter. In Sachsen-Anhalt ergebe sich deshalb Handlungsbedarf, und zwar für das sogenannte Corona-Sondervermögen aus dem 2021.

Aus dem Fonds über zwei Milliarden Euro sollten eigentlich noch über mehrere Jahre verschiedene Investitionen infolge der Corona-Pandemie bezahlt werden. Da dies wegen des Karlsruher Urteils nicht mehr möglich sei, soll das Geld aus einem Nachtragshaushalt von 150 Millionen Euro kommen. Richter zufolge geht es etwa um Investitionen im Gesundheitssektor oder um Geld für Schulen, damit Rückstände beim Lernen infolge der Pandemie aufgeholt werden könnten.

Nach Angaben des Finanzministeriums erhöhen sich die Gesamtschulden des Landes trotz der neuen Kredite nicht. So sollen die Rücklagen des Corona-Fonds aufgelöst und dazu eingesetzt werden, den 2021 aufgenommenen Kredit wieder zu tilgen.

AfD wirft Landesregierung Verfassungsbruch vor

Heftige Kritik an dem Vorgehen kam aus der Opposition. Der AfD-Abgeordnete Jan Moldenhauer erklärte, es existiere keine Notlage mit Bezug zur "sogenannten Corona-Pandemie". Die Landesregierung versuche, einen nachgewiesenen Verfassungsbruch mit einem erneuten Verfassungsbruch zu heilen. Der CDU warf er vor, sich im Bund vehement gegen neue Schulden auszusprechen, in Sachsen-Anhalt allerdings die Notlage erklären und neue Kredite aufnehmen zu wollen. Er kündigte an, dass die AfD das Vorgehen rechtlich prüfen lassen wolle.

Der Grünen-Finanzpolitiker Olaf Meister erklärte, es könne nicht sein, dass Notlagen zum politischen Normalzustand würden. Zudem seien die geplanten Vorhaben unkonkret formuliert und hätten häufig keinen Bezug zur Corona-Pandemie. Unter anderem sollen demnach Smartphones für die Polizei finanziert werden. Das an sich sei zwar richtig, sagte Meister. Die Finanzierung kritisierte er aber. Die Beschaffung gehört Meister zufolge zum "regulären Geschäft" der Regierung. Es dränge sich der Verdacht auf, dass "der große Haufen Geld" vor allem der Entlastung des Haushalts dienen solle. Einige Vorhaben erinnerten mit Blick auf Corona gar an "Realsatire" – etwa ein geplanter Laser-Schießstand für die Polizei.

Linke spricht von "Zukunftsbremse"

Eva von Angern
Die Linken-Fraktionsvorsitzende Eva von Angern Bildrechte: IMAGO / Christian Schroedter

Die Linken-Fraktion forderte, die Schuldenbremse in der jetzigen Form abzuschaffen. Fraktionschefin Eva von Angern sprach von einer "Zukunftsbremse", die wichtige Investitionen etwa für die heranwachsende Generation verhindere. Viele Familien lebten in Armut, Schulen seien in schlechtem Zustand, der Gesundheitssektor oder die Bahn bräuchten dringend Geld. Es gehe auch um den sozialen Frieden im Land. Daher brauche es ein grundsätzliches Umdenken in der Haushalts- und Steuerpolitik.

Der SPD-Abgeordnete Andreas Schmidt erklärte, er sehe bei der Schuldenbremse Reformbedarf. Die öffentliche Debatte um das Karlsruher Haushaltsurteil verdecke, dass möglicherweise das Grundgesetz in diesem Punkt zu unkonkret sei. Schmidt regte an, etwa klarer auszuformulieren, was genau unter einer außergewöhnlichen Notlage zu verstehen ist.

Haushalt für 2024 soll am Nachmittag beschlossen werden

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Guido Kosmehl, stellte sich unterdessen klar hinter die derzeitigen Regelungen. Er betonte, indem man eine Notlage erkläre, wende man ja eine vorgesehene Regelung der Schuldenbremse an. Es gebe auch 2023 noch Aufgaben, die infolge der Corona-Pandemie finanziert werden müssten. Er prognostizierte allerdings, dass man insgesamt weniger als die im Corona-Fonds von 2021 veranschlagten zwei Milliarden Euro benötigen werde.

Am Nachmittag soll der Landtag auch den Haushalt für das Jahr 2024 beschließen. Er umfasst rund 15,2 Milliarden Euro. Auch für 2024 soll das Parlament dabei zunächst eine "außergewöhnliche Notsituation" feststellen, um die geplanten Corona-Investitionen zu ermöglichen.

MDR (Felix Fahnert) | zuerst veröffentlicht am 6. Dezember 2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. Dezember 2023 | 06:00 Uhr

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