Diskussion nach Hochwasser Welche Alternative zur Pflichtversicherung gegen Elementarschäden vorgeschlagen wird
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04. Februar 2024, 18:08 Uhr
Die Versicherungswirtschaft spricht sich auch in Sachsen-Anhalt gegen eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden aus. ÖSA-Vertreter Martin Ansorge erklärt, warum und wie eine mögliche Alternative aussehen könnte.
- Die Versicherer stellen sich auch in Sachsen-Anhalt gegen eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden.
- Alternativ wird eine sogenannte Versichererpflicht vorgeschlagen.
- Auch den Staat sieht die Versicherungswirtschaft weiterhin in der Pflicht.
Nach dem Hochwasser ist vor der Diskussion – und zwar um eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Seit Jahren wird darüber im Bund und den Ländern debattiert.
Sachsen-Anhalts Umweltminister Armin Willingmann (SPD) wirbt bereits seit Längerem für die Einführung einer solidarischen Pflichtversicherung. Denn: Noch immer ist nur die Hälfte der Haushalte in Sachsen-Anhalt gegen Schäden durch Starkregen und Hochwasser versichert.
"Ich bedauere es sehr, dass der Bundesjustizminister hier aufgrund juristischer Bedenken auf Zeit spielt. Obwohl sich auch die Ministerpräsidentenkonferenz vor mehr als einem Jahr für die Einführung einer Versicherungspflicht ausgesprochen hat, liegt noch immer kein Vorschlag der Bundesregierung auf dem Tisch", so Willingmann. "Wir müssen hier vorankommen, denn hundertprozentigen Hochwasserschutz wird es auch künftig nicht geben."
Versicherer gegen Pflichtversicherung
Die deutschen Versicherer stellten sich zuletzt strikt gegen eine solche Pflichtversicherung. "Eine Pflichtversicherung kommt einer Steuer gleich, die alle Bürger, Hausbesitzer und indirekt auch Mieter, zu tragen hätten", sagte Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) kürzlich in einer Online-Pressekonferenz.
Auch aus Sachsen-Anhalt gibt es Unterstützung für diese Position. Martin Ansorge, Abteilungsleiter Sachschaden bei den Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt (ÖSA), sagt MDR SACHSEN-ANHALT: "Wir kennen das ja vom Kfz. Da hat auch jeder eine Pflichtversicherung. Allerdings geht es dabei darum, das Risiko von einem anderen Geschädigten abzusichern."
Anders wäre es bei einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Dadurch werde der Bürger verpflichtet, sein eigenes Eigentum abzusichern. "Das ist ein Grundrechtseingriff, der nicht so einfach ist", sagt Ansorge. "Eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden würde nur eine Basisabsicherung mit sehr hohen Selbstbehalten bedeuten."
Pflichtversicherung mit großem Aufwand verbunden
Der Abteilungsleiter nennt ein Beispiel: "Wenn man ein Wohngebäude im Wert von 400.000 Euro absichern würde, würde das vielleicht bedeuten, dass ich 80.000 oder 100.000 Euro im Selbstbehalt tragen muss. Auch das kann existenzbedrohend sein. Das heißt, dieses Samariterdilemma, was die Regierung eigentlich auflösen möchte, würde trotzdem weiter bestehen, weil die Leute zwar einen Teil abgesichert hätten, aber immer noch der Selbstbehalt offen bliebe."
Ein weiterer Nachteil aus Sicht von Ansorge: der Verwaltungsaufwand, der mit der Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden verbunden wäre. "Bei der Kfz-Haftpflicht haben wir die Kennzeichen und Zulassungsstellen, durch die eine Einhaltung kontrolliert wird. Nun müsste man aber für etwa 19 Millionen Gebäude deutschlandweit eine Pflichtversicherung prüfen und umsetzen. Das wäre ein wahnsinniger organisatorischer Aufwand in den Kommunen." Der ÖSA-Vertreter sagt: "Uns fehlt die Fantasie, wie so etwas umgesetzt werden kann." Die ÖSA sei aus den genannten Gründen gegen eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden.
Alternativvorschlag der Versicherungswirtschaft
Stattdessen schlägt der GDV eine Versichererpflicht vor, wie Martin Ansorge erzählt. Die Idee: "Das Ganze wird umgedreht. Das heißt: Die Pflicht liegt nicht beim Kunden, sondern beim Versicherer. Jeder, der sein Gebäude neu versichert, bekommt eine normale Wohngebäudeversicherung und automatisch eine Elementarschadenversicherung angeboten. Dann aber mit deutlich niederigeren Selbstbehalten und auch deutlich besserem Versicherungsschutzumfang als bei einer Pflichtversicherung."
Der Unterschied zur Pflichtversicherung: Der Kunde kann sich weiterhin gegen eine Elementarschutzversicherung entscheiden. "Dann aber nur gegen eine Art Haftungsfreistellung gegenüber dem Bund. Er kann dann im Schadensfall kein Geld von der Regierung für sein kaputtes Haus verlangen." Bestandskunden müssten angeschrieben und der Versicherungsschutz automatisch umgestellt werden. Möchte der Kunde das nicht, müsste er aktiv widersprechen.
Ansorge sagt: "Die Kontrolle wäre deutlich einfacher, weil dann nur die Versicherungsunternehmen kontrolliert werden müssten, ob sie ihrer Beratungspflicht nachgekommen sind." Und: "Dann wäre die Zielsetzung der Politik aus unserer Sicht auch erreicht, allerdings die Absicherung für den Kunden deutlich besser und die demokratischen Hürden deutlich geringer."
Prävention wichtig
Gleichzeitig würden die Versicherer allerdings auch großen Wert auf die Präventivmaßnahmen legen. Der ÖSA-Vertreter erklärt: "Deichausbau, Regenrückhaltebecken, Entsiegelung der Stadtflächen – die Kommunen, der Bund und die Länder sind gefragt, solche Maßnahmen weiter voranzutreiben." Denn: "Durch den Klimawandel ist mit einer Verstärkung der Schäden zu rechnen. Und das wird nicht allein auf die Versicherungsunternehmen abzuwälzen sein."
Ansorge erklärt den Zusammenhang: "Wenn präventiv nichts unternommen wird, würden die Versicherungen zwar die Schäden bezahlen, aber das Kollektiv würde dadurch auch steigend belastet und damit die Beiträge immer höher werden. Steigende Schäden sorgen langfristig für steigende Beiträge."
Versicherer sehen Politik in der Pflicht
Deshalb sehen die Versicherer auch die Politik in der Pflicht. Das Risiko für die Versicherungsunternehmen müsse in gewissen Fällen begrenzt werden, so Ansorge. "Wenn man die Naturkatastrophen in die Zukunft prognostiziert, ist es durchaus auch denkbar, dass Ereignisse kommen, die noch viel schlimmer sind als das Ahrtal."
Zum Beispiel: "Nehmen wir mal an, ganz Hamburg wird überflutet. Das wären Schäden, die von der Versicherungswirtschaft kaum zu stemmen wären", sagt Ansorge. "Da wäre es wünschenswert, dass auch der Staat und der Bund und die Länder eine Bereitschaft zeigen würden, ab einem gewissen Volumen, und da reden wir von Szenarien, die das Hochwasser im Ahrtal von 2021 deutlich übersteigen, bei solchen Extremereignissen einen gewissen Schutzschirm für die Versicherungsunternehmen bereitzustellen."
Das würde sich dann wieder positiv auf die Beiträge auswirken, erklärt der ÖSA-Vertreter, denn: "Die Versicherungsunternehmen würden wissen, dass der Staat bei solchen Extremereignissen einspringt und müssten dieses Risiko nicht selber kalkulieren. Außerdem wäre es ein Anreiz für den Staat, Prävention zu betreiben, weil er ab einem gewissen Punkt selbst gefordert wäre."
MDR (Daniel George)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 04. Februar 2024 | 19:00 Uhr
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