Politische Aufarbeitung Untersuchungsausschuss zum Anschlag in Magdeburg legt Zeitplan vor
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04. März 2025, 14:06 Uhr
Im Landtag von Sachsen-Anhalt hat der Untersuchungsausschuss mit seiner Arbeit begonnen: der Aufarbeitung des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Ziel ist, die Ereignisse, Umstände und Hintergründe zu untersuchen – und auch die Schuldfrage. Dafür werden voraussichtlich mehr als 100 Zeugen befragt. Ergebnisse sollen noch vor der nächsten Landtagswahl im Sommer 2026 vorliegen. Am Montag trafen sich die Mitglieder zur zweiten Sitzung.
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg hat sich am Montag bei seiner zweiten Sitzung über Beweisanträge, zu ladende Zeugen und den Zeitplan der Aufarbeitung verständigt. Zuerst würden sich die Mitglieder nun mit dem Tatgeschehen sowie dem Sicherheitskonzept für den Weihnachtsmarkt beschäftigen, sagte die Ausschussvorsitzende Karin Tschernich-Weiske (CDU) nach der nicht-öffentlichen Sitzung. Letzteres sei insbesondere wichtig mit Blick auf den nächsten Weihnachtsmarkt.
Bis Jahresende sind 20 Sitzungstermine anberaumt, bei denen laut Tschernich-Weiske am Ende 120 bis 150 Zeugen aufgerufen werden könnten – darunter auch Mitarbeiter von Bundes- und Landesbehörden sowie von ausländischen Institutionen. Danach soll ein Abschlussbericht entstehen.
Untersuchungsausschuss plant Vor-Ort-Besuch des Tatorts
Bei der kommenden Sitzung am 24. März wollen die Ausschuss-Mitglieder den Tatort in Magdeburg besuchen. Ziel sei, dass alle Ausschussmitglieder die örtlichen Gegebenheiten kennen. Zudem sollen die beiden Opferbeauftragten von Bund und Land gehört werden. Auch der Rettungseinsatz soll nach MDR-Informationen zeitnah ausgewertet werden.
Kritik am mehrheitlich beschlossenen Verfahren übte im Nachgang die AfD. "Das Pferd wird von hinten aufgezäumt, wir beginnen mit den Opfern", sagte Matthias Büttner aus Staßfurt MDR SACHSEN-ANHALT. Zwar seien die Opfer auch wichtig, für ihn stünden aber die Dinge im Zentrum, die vor dem Anschlag von Sicherheitsbehörden sowie dem ehemaligen Arbeitgeber des Attentäters, der landeseigenen Salus gGmbH, versäumt worden seien. "Wir haben die Sorge, dass der Abschlussbericht dort nicht umfassend genug ist am Ende."
Kosmehl: "Gesamtgeschehen in Blick nehmen"
"Wir werden zum Täter Taleb A. und seinem Anstellungsverhältnis in der Salus gGmbH kommen, aber wir wollen in einer gewissen Reihenfolge die Themenkomplexe abarbeiten", reagierte Guido Kosmehl (FDP) gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT auf die Kritik.
Wichtig sei, das Gesamtgeschehen in den Blick zu nehmen, angefangen mit dem Veranstaltungsort, den Sicherheitskonzepten, dem Tatgeschehen, der Kommunikation "und dann kommen wir zum Täter, zu Behörden und zum Arbeitgeber". Zudem seien die vom Ausschuss beantragten Akten noch nicht vorhanden. Man wolle aber starten, so Kosmehl, und bei den benannten Punkten sei das möglich.
Sebastian Striegel (Grüne) sprach nach der Sitzung am Montag von einem guten, ambitionierten Arbeitsprogramm, das die Grundlage bilde für eine umfassende Aufarbeitung. Eva von Angern (Linke) sagte, man wolle nun zügig, aber auch sorgfältig voran kommen. Mitte Februar hatte im Landtag von Sachsen-Anhalt der Untersuchungsausschuss mit seiner Arbeit begonnen. Die nächsten Sitzungen sollen öffentlich stattfinden.
Ausschuss soll Hintergründe des Anschlags in Magdeburg aufklären
Der Landtag hatte den parlamentarischen Untersuchungsausschuss in seiner Sitzung am 22. Januar eingesetzt und die 13 Mitglieder benannt. Der Untersuchungsausschuss soll unter anderem die Sicherheits- und Einsatzkonzepte für den Weihnachtsmarkt und deren Umsetzung beleuchten. Außerdem wird es um die Informationslage zum Täter gehen, der 50-Jährige stand vor der Tat bei Ermittlungsverfahren immer wieder in Kontakt mit den Behörden.
Der Antrag dafür kam von den Koalitionsfraktionen CDU, SPD und FDP. Sowohl Koalition als auch Opposition hatten im Vorfeld Anträge zur Besetzung des Ausschusses eingereicht. Der Untersuchungsausschuss soll laut Antrag das Geschehen, die Umstände und die Hintergründe des Anschlags untersuchen. Zunächst soll laut der Ausschuss-Vorsitzenden Tschernich-Weiske vor allem das Tatgeschehen selbst beleuchtet werden. In der Folge könnte es stärker um bestehende Strukturen und die Frage gehen, wie diese reformiert werden müssen.
Klärung der Schuldfrage
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa hat das Innenministerium bereits die Unterlagen für das Sicherheitskonzept zur Verfügung gestellt. Zugleich laufe die juristische Aufarbeitung des Falls. Aber auch der Ausschuss soll zur Klärung der Frage beitragen, welche Verantwortung Sicherheitsbehörden und Arbeitgeber des Attentäters tragen.
Die Schuldfrage muss geklärt werden, sagte der Fraktionsvorsitzende der CDU, Guido Heuer, vorab. Aus dem Untersuchungsausschuss könnten personelle Konsequenzen folgen. Das schließt auch die Ausschuss-Vorsitzende Tschernich-Weiske nicht aus.
Stichwort: Das ist ein Untersuchungsausschuss
Wenn ein Viertel der Abgeordneten einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss beantragt, muss der Landtag von Sachsen-Anhalt einen solchen bilden. Besonders Oppositionsfraktionen haben damit die Möglichkeit, mögliche Missstände der Landesregierung aufzudecken. In der Wahlperiode 7 von 2016 bis 2021 gab es mit sechs Untersuchungsausschüssen in der Geschichte von Sachsen-Anhalt bislang die meisten – darunter zum Anschlag von Halle. Die Ausschüsse haben den Auftrag, zu einem für die Öffentlichkeit wichtigen Thema aufzuklären.
Dafür können sie Zeugen und Sachverständige vernehmen und sich Akten vorlegen lassen. Das Ergebnis fasst der Untersuchungsausschuss in einem Bericht für das Landtagsplenum zusammen. Die Abgeordneten in einem Untersuchungsausschuss arbeiten dabei unabhängig von der Landesregierung. Der Untersuchungsausschuss zum Anschlag von Magdeburg ist der erste in dieser Wahlperiode und der 21. insgesamt in der Geschichte von Sachsen-Anhalt seit 1990. Die Beratungen können sowohl öffentlich als auch nicht-öffentlich stattfinden.
Untersuchungsausschuss zu Magdeburg soll Endbericht bis Anfang 2026 vorlegen
Bis zur Landtagswahl im Sommer 2026 muss der Untersuchungsausschuss die Arbeit abschließen. Die Landtagsfraktionen in Sachsen-Anhalt hatten noch vor Einsatz und Beginn der Arbeit im Ausschuss ein zügiges Tempo bei der politischen Aufklärung des Anschlags in Magdeburg gefordert. Im Frühjahr 2026 solle der parlamentarische Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht vorlegen, hieß es von den Fraktionschefs. Damit solle verhindert werden, dass das Thema im Landtagswahlkampf zu viel Raum einnimmt. "Alles andere würde tatsächlich nur zu einem Missbrauch im Rahmen des Wahlkampfes führen", sagte von Angern.
CDU-Fraktionschef Heuer sagte, es werde kein Ausschuss sein, der nur einmal im Monat tage. Das Interesse sei, dass der Ausschuss zügig zum Arbeiten komme und nicht als politisches Instrument ausgenutzt werden könne, betonte die Fraktionschefin der mitregierenden Partei SPD, Katja Pähle.
Regierungserklärung zum Anschlag
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte Ende Januar im Landtag eine Regierungserklärung zum Anschlag abgegeben, über die anschließend diskutiert wurde. Er erklärte, dass alle Tatumstände konsequent aufgeklärt werden und Betroffene gezielt unterstützt werden müssen. Die Landesregierung fühle sich den Opfern gegenüber verpflichtet, ähnliche Taten in Zukunft zu verhindern.
Mehrere Hinweise zum Täter bei Bundesländern und Bundesbehörden
Bereits Mitte Januar war bekannt geworden, dass sich Deutschlands Sicherheitsbehörden mit dem späteren Attentäter von Magdeburg etliche Male auseinandergesetzt hatten. Ein Bericht des Bundesinnenministeriums listet auf 16 Seiten insgesamt 110 Vorfälle auf. Demnach waren Stellen in sechs Bundesländern mit dem Täter beschäftigt, hinzu kämen etliche Bundesbehörden. Hinweise auf mögliche Straftaten habe es unter anderem auch aus Großbritannien gegeben. Bei dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt waren sechs Menschen getötet und knapp 300 verletzt worden.
Generalbundesanwalt ermittelt nicht zum Anschlag
Generalbundesanwalt Jens Rommel sieht nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt keinen Grund für eigene Ermittlungen. Rommel sagte dem SWR, es fehle ein Staatsschutzhintergrund. Es sei kein Angriff auf den Gesamtstaat. Der Täter habe zwar viele staatlichen Stellen bedroht, diese Drohungen jedoch nie umgesetzt. Zudem habe er mit ganz vielen anderen Stellen und Personen im Clinch gelegen.
Rommel erklärte, bei den Anschlägen in Solingen und Mannheim habe man die Täter klar einer terroristischen Organisation zuordnen können. Das sei in Magdeburg nicht der Fall. Rommel sagte, die Tat dürfte eher den Charakter einer "Amokfahrt aus persönlicher Frustration" haben als den Charakter einer terroristischen Tat gegen die Bundesrepublik oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung.
dpa, MDR (Christoph Dziedo, Susanne Ahrens, Lars Frohmüller, Maren Wilczek, Engin Haupt, Manuel Mohr, Daniel Salpius) | Zuerst veröffentlicht am 21. Januar 2025
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 03. März 2025 | 06:00 Uhr
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