Balkonrede vor 35 Jahren Landtag richtet Gedenken in Prag aus: Opposition kritisiert "exklusive Party"
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30. September 2024, 11:02 Uhr
Vor 35 Jahren hielt Hans-Dietrich Genscher seine berühmte Rede auf dem Balkon der deutschen Botschaft in Prag. Die Gedenk-Feierlichkeiten richtet Sachsen-Anhalts Landtag mit aus. Die Kosten dafür sorgen angesichts klammer Landeskassen jedoch für Kritik. Die Opposition bleibt den Veranstaltungen fern.
- Sachsen-Anhalt richtet zusammen mit der Prager Botschaft das Gedenken an Hans-Dietricht Genschers Balkonrede aus.
- Die Opposition im Landtag stört sich an Ausgestaltung und Kosten der Feierlichkeiten.
- Der Bund der Steuerzahler mahnt angesichts klammer Kassen.
Es ist der berühmteste Halbsatz der Geschichte – als der westdeutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher in der Prager Botschaft Tausenden Geflüchteten aus der DDR mitteilte, dass ihre Ausreise ermöglicht worden sei – und seine Worte im Jubel untergingen. An dieses Ereignis heute vor 35 Jahren wird in Prag erinnert. Der Landtag von Sachsen-Anhalt richtet in diesem Jahr die Feierlichkeiten gemeinsam mit der dortigen Botschaft aus.
Das Gedenken beginnt am Montag mit einem Tag der offenen Tür in der Prager Botschaft. Für die Veranstaltung haben sich Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus Sachsen-Anhalt angekündigt. Auch zahlreiche Schulklassen aus ganz Deutschland werden erwartet, zudem Vertreter der Landesregierung und fünfzehn Landtagsabgeordnete. Johannes Beleitis, Sachsen-Anhalts Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, wird in der Prager Botschaft eine Sonderausstellung eröffnen.
Horrende Kosten: Geldverschwendung oder würdige Erinnerung?
Zwei Tage später, am 2. Oktober, haben dann nur geladene Gäste Zutritt zu dem geschichtsträchtigen Gebäude. Es wird einen Festakt geben. Die Kosten für das Gedenken sollen nach Angaben mehrerer Fraktionen über 100.000 Euro betragen. Während die Regierungsparteien von einer würdigen Erinnerung sprechen, werfen die Oppositionsparteien der Landesregierung und dem Landtag Geldverschwendung vor.
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Guido Heuer, sagte: "Die CDU steht komplett hinter dieser Reise." Der 30. September 1989 mit der berühmten Rede Hans-Dietrich Genschers sei ein Meilenstein hin zum 9. November, dem Mauerfall, gewesen. Außerdem hätte die Rede des in Halle geborenen Politikers den Weg zur Währungsunion und zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 geebnet. Es sei richtig, die Erinnerung an das Ereignis beizubehalten. Es werden neun CDU-Abgeordnete nach Prag reisen.
Die SPD sieht die Feierlichkeiten ähnlich. Diese seien eine würdige Erinnerung an die friedliche Revolution. Drei Abgeordnete der SPD fahren nach Prag, weitere drei werden von der FDP dabei sein.
Oppositionspartien bleiben Reise fern
Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Andreas Silbersack, sagte, die Balkonrede Genschers erinnere daran, dass die Freiheit hart erkämpft und durch mutige politische Entscheidungen und einen starken Freiheitswillen ermöglicht worden sei. "Daher freue ich mich mit meinen Fraktionskollegen auf das Fest der Freiheit und die Begegnungen in und rund um die Prager Botschaft. Wir sehen es als einen positiven Beitrag, dass sich auch der Landtag hier entsprechend einbringt und engagiert.“
Die Oppositionsparteien unterstützen die Reise hingegen nicht. So fahren weder von der AfD noch von Linken oder Grünen Abgeordnete nach Prag. Die AfD sieht in der Balkonrede zwar ebenfalls einen "Meilenstein der Geschichte", teilt aber mit: "Unsummen an Steuergeld für einen Festakt in Prag mit exklusiven Gästen auszugeben, steht dazu in keinem Verhältnis."
"Finanziell und ökologisch nicht verantwortungsvoll"
Die Linke kritisiert die Feierlichkeiten ebenfalls als "extrem teuer" und "exklusiv". Die Fraktionsvorsitzende Eva von Angern erklärte: "Wer die Einheit feiern will, soll das in Sachsen-Anhalt mit den Menschen vor Ort machen, statt in die Botschaft nach Prag zu reisen, um dort in ausgewählten Kreisen die Sektkorken knallen zu lassen." Die Einheitsfeier solle eher eine Mahnung sein, endlich für gleiche Löhne und Renten in Ost und West zu sorgen.
Ähnlich äußerte sich die Fraktion B'90/Die Grünen: Die Feierlichkeiten zum Gedenken an die Wiedervereinigung in Prag abzuhalten sei sowohl in finanzieller als auch in ökologischer Hinsicht nicht verantwortungsvoll.
"Inakzeptable Party auf Steuerzahlerkosten"
Auch Sachsen-Anhalts Bund der Steuerzahler kritisiert die Kosten der Feierlichkeiten, die Sachsen-Anhalt teilweise trägt. Der BdS-Vorsitzende Ralf Seibicke sagte: "Dass man dieses Jubiläum würdigt, ist nachvollziehbar. Die Frage ist, wie man es würdigt. Und es zeichnet sich hier ja eine aus unserer Sicht inakzeptable Party auf Steuerzahlerkosten ab. Da muss man sich die Frage stellen, ob das noch ein verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeld ist." Der Bund der Steuerzahler kritisert die Reisetätigkeiten des Landtags generell als "außenpolitisch ambitioniert". Für Außenpolitik sei das Landesparlament aber nicht zuständig.
"Letztlich muss man auch die Frage stellen, gerade in Sachsen-Anhalt, wie wir finanziell aufgestellt sind. Wir zählen zu den am höchsten verschuldeten Bundesländern in der ganzen Bundesrepublik." Allein der Haushaltsplan des Landtages sei in den letzten drei Jahren um zehn Millionen Euro angewachsen. In Zeiten gestiegener Zinsen und zurückgehender Steuereinnahmen sollte ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob man sich so einen Festakt noch leisten könne.
Der Bund der Steuerzahler hält andere Formen des Gedenkens an die Ereignisse in der Prager Botschaft für verantwortungsvoller – wie es sie auch bereits gab: Am 3. September kamen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der Friedlichen Revolution im Landtag mit Vertretern der Fraktionen zusammen.
MDR (Roland Jäger, Daniel Salpius)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Heute | 30. September 2024 | 19:00 Uhr
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