Gieroska im Wahlkampf Aus Sorge vor Übergriffen: Grüne Europa-Kandidatin hält sich zurück
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02. Juni 2024, 11:41 Uhr
Die Magdeburgerin Thea-Helene Gieroska kandidiert für die Grünen zur Europawahl. Sie steht auf Listenplatz 25. Chancen auf einen Einzug ins Europäische Parlament hat sie damit kaum. Trotzdem bemüht sie sich um Stimmen – auch, wenn sie sich dabei teilweise um ihre eigene Sicherheit sorgt. MDR SACHSEN-ANHALT hat sie im Wahlkampf in Wittenberg begleitet.
- Thea-Helene Gieroska kandidiert für die Grünen zur Europawahl. Ihre Chancen auf einen Sitz im EU-Parlament sind jedoch gering.
- In Wittenberg verteilt sie Flyer von sich, kommt aber selten ins Gespräch. Aus Sorge vor Angriffen hält sie sich manchmal zurück.
- Gieroska unterstützt ihre Parteikollegen im Wahlkampf. Europa- und Kommunalpolitik gehören für sie zusammen.
Thea-Helene Gieroska will die erste grüne Europa-Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt werden. Für ihre Partei kandidiert sie jedoch auf dem nicht sonderlich aussichtsreichen Listenplatz 25. Trotzdem macht sie Wahlkampf, verteilt Flyer und versucht, mit den Menschen in Gespräch zu kommen.
Über Thea-Helene Gieroska Die 30-Jährige hat in Magdeburg Bildungswissenschaften an der Otto-von-Guericke-Universität studiert. 2018 trat sie den Grünen bei. In der Partei ist sie unter anderem Vorsitzende des Kreisverbandes Magdeburg und Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Sport. Außerdem arbeitet sie als Wahlkreisreferentin für die Bundestagsabgeordnete und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen).
Seit Angriffen auf andere Politiker und Wahlkampfhelfer merkt Gieroska allerdings, dass sie anders auf Menschen zugeht und sich bei manchen Themen zurückhält. Denn auch nach der Europawahl am 9. Juni möchte sie gefahrlos mit der Straßenbahn fahren können.
Listenplatz 25 wird kaum reichen
Als die Grünen im November auf ihrem Bundesparteitag in Karlsruhe darüber abstimmten, welche Kandidatinnen und Kandidaten sie für das Europäische Parlament zur Wahl stellen, war auch Thea-Helene Gieroska dabei. Die Magdeburgerin wollte einen aussichtsreichen Listenplatz ergattern, um die erste grüne Europa-Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt zu werden. Listenplatz 17 sollte es werden – wiederholen die Grünen ihr Ergebnis der Europawahl 2019, wäre das der sichere Einzug ins Europäische Parlament.
Doch es kam anders. Statt Gieroska wählten die Grünen Anna Deparnay-Grunenberg aus Baden-Württemberg auf den besagten Listenplatz. Die Kandidatin aus Sachsen-Anhalt wurde erst spät in der Nacht von ihren Parteikollegen auf die Europa-Liste gewählt. Statt auf 17, kandidiert Gieroska nun also auf Listenplatz 25, was ihre Erfolgschancen deutlich sinken lässt. Selbst mit dem guten Wahlergebnis aus 2019 – damals holten die Grünen mehr als 20 Prozent und stellen seitdem 21 Europa-Abgeordnete – würde Gieroska keinen Sitz im EU-Parlament erhalten.
Vorhaben aus dem Europa-Wahlprogramm der Grünen Die Grünen wollen den Ausbau erneuerbarer Energien europaweit vorantreiben. Zudem möchten sie Mindestlohnerhöhungen in den EU-Mitgliedsstaaten erreichen. In puncto Verteidigungspolitik sollen die Streitkräfte vermehrt zusammenarbeiten – beispielsweise in dauerhaften EU-Einheiten.
In einer aktuellen Umfrage des ARD-DeutschlandTrends zur Europawahl kommen die Grünen zudem nur auf 15 Prozent. Das ist weit weg von dem Ergebnis, das Gieroska bräuchte, um tatsächlich die erste grüne Europa-Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt zu werden.
Gieroska übt sich in Zweckoptimismus
"Wenn man jetzt sagen würde, mit meinem Listenplatz komme ich am Ende des Tages sowieso nicht rein, dann muss man nicht kandidieren", gibt sich Gieroska kämpferisch. Sie steht auf dem Marktplatz der Lutherstadt Wittenberg und drückt den Menschen, die vorbeilaufen, Flyer in die Hand. Auf der Vorderseite ist sie selbst abgedruckt, eine EU-Fahne schwenkend. Auf der Rückseite stehen einige Sätze über sie und ihre politischen Positionen.
Ins Gespräch kommt sie an diesem Tag jedoch mit den Wenigsten. Immer wieder laufen Leute an ihr vorbei, lehnen einen Flyer entweder ab oder nehmen ihn nur schnell entgegen. Gieroska glaubt dennoch, im Straßenwahlkampf etwas bewirken zu können, nämlich dann, wenn die Leute merkten: "Die Grünen, das ist auch eine junge Frau, die ich mal gesehen habe." Einen Fyler von einer Person in die Hand zu nehmen sei einerseits sympatischer und andererseits nicht so anonym.
Allerdings merke man, erklärt Gieroska, dass Wittenberg eine Pendlerstadt sei, in der zwar viele Menschen lebten, aber woanders arbeiteten. Da sei es schwierig, die Leute zu erreichen. So zieht Gieroska das Fazit: "Wahrscheinlich war heute einfach nicht der richtige Tag für Wahlkampf."
Zurückhaltung aus Sorge vor Angriffen
Gieroska geht inzwischen aber auch nicht mehr auf jeden zu, den sie auf der Straße sieht. "Wo man beim letzten Bundestagswahlkampf erst mal jedem einen Flyer in die Hand gegeben hat, ist es jetzt so, dass man sich bei Personen unsicher ist", schildert sie. Die Übergriffe auf Politiker und Wahlkampfhelfer wie vor einigen Wochen in Dresden, wo SPD-Politiker Matthias Ecke schwer verletzt wurde, sind weiterhin präsent.
Hoffentlich ist das Schlimmste eine Beleidigung und nichts darüber hinaus.
Gieroska beschreibt ihre Gedanken: "Hoffentlich ist das Schlimmste, das heute passiert, eine Beleidigung und nichts darüber hinaus." Die Sorge vor Übergriffen geht bei Gieroska sogar soweit, dass sie sich zu manchen Themen weniger äußert, wie sie sagt. "Ich möchte auch noch in Magdeburg mit der Straßenbahn fahren, wenn der Wahlkampf vorbei ist", so die junge Politikerin.
Wahlkampf für alle Grünen
Doch bis dahin ist es noch eine Woche. Solange macht Gieroska nicht nur Wahlkampf für sich selbst, sondern unterstützt auch andere Grüne. In Wittenberg besucht sie nach dem Straßenwahlkampf zusammen mit Kommunalwahl-Kandidaten noch eine Kleingartenanlage. "Ich mache den Wahlkampf ja nicht nur für mich", betont Gieroska, "ich mache ihn hier in Sachsen-Anhalt vor allem für die ganzen kommunal Kandidierenden."
Habeck fordert härteres Durchgreifen bei Angriffen
Am Samstagabend besuchten Robert Habeck sowie die beiden grünen Europa-Spitzenkandidaten Terry Reintke und Sergey Lagodinsky die Festung Mark in Magdeburg und traten zusammen mit Thea-Helene Gieroska auf.
Angesprochen auf die Sorge von Kandidierenden, angegriffen zu werden, erklärte Robert Habeck im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT: "Die Sicherheitskräfte und die Rechtsstaatlichkeit müssen hart dagegen vorgehen. Die Strafe muss auf dem Fuße folgen. Aber am Ende brauchen wir auch die Kraft der Zivilgesellschaft, wo Leute dann einschreiten."
Der Bundeswirtschaftsminister forderte zudem, dass Politikerinnen und Politiker zusammenstehen und klar betonen müssten, dass diese Angriffe keine Privatprobleme seien. "Hier soll der Raum der öffentlichen Meinungsäußerung zerstört werden", warnt Habeck.
Denn europäische und kommunale Politik sind sich oft näher als gedacht. "Unsere Stadtratskandidatin möchte sich für gutes Kita-Essen einsetzen. Das kann sie aber nur, wenn sie Geld dafür hat – und dafür brauchen wir Europa", erklärt Gieroska. Gerne würde sie nach der Wahl dabei helfen.
Einen Plan für nach der Europawahl am 9. Juni hat sie schon: "Am 10. Juni habe ich einen Zahnarzttermin und am 11. Juni steht die Fraktionssitzung im Europäischen Parlament in meinem Kalender." Da ist er wieder, Gieroskas Optimismus, es entgegen der Erwartungen doch in die europäische Politik zu schaffen – als erste Grüne aus Sachsen-Anhalt.
MDR (Engin Haupt, Laura Sinem Hönes)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 02. Juni 2024 | 19:00 Uhr
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