Die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Halle/Saale (Sachsen-Anhalt)
Die Synagoge in Halle ist eine von drei aktiv genutzten Synagogen im Land. Bildrechte: picture alliance / dpa | Jan Woitas

Neue Synagoge Dessau Wo Sie in Sachsen-Anhalt jüdische Kultur und Geschichte entdecken können

21. Oktober 2023, 14:51 Uhr

In drei Synagogen in Sachsen-Anhalt leben Jüdinnen und Juden ihre Religion. Aber es gibt noch weitere Synagogen im Land, die nicht mehr aktiv genutzt werden. Sie werden für Kultur und Aufklärung genutzt. Diese Vereine und Engagierte pflegen jüdische Kultur und Geschichte in Sachsen-Anhalt.

Dessau: Erste neugebaute Synagoge in Sachsen-Anhalt seit 1945

In Dessau wird am Sonntag die neue Synagoge eingeweiht. Der Grundstein wurde im November 2019 gelegt: Auf dem Grundstück, auf dem auch die alte Synagoge stand. Das neue Gebäude soll an eine Tora-Rolle erinnern, die Heilige Schrift der Juden und Jüdinnen. Das Richtfest wurde am 21. Februar 2022 gefeiert. Die Fertigstellung hatte sich immer wieder verzögert, unter anderem wegen Materialmangels und Problemen bei Transporten.

Bisher hatte es in Dessau nur einen kleinen Gebetsraum für die dortige jüdische Gemeinde gegeben. Für größere Feste musste die Gemeinde auf einen Saal in einer Kirche ausweichen. Seit 1945 wurden auf dem Gebiet von Sachsen-Anhalt keine neuen Synagogen errichtet. Nun ist in Dessau eine neue entstanden, in Magdeburg ist ebenfalls ein Neubau geplant.

Doch auch an vielen anderen Orten in Sachsen-Anhalt wird jüdische Kultur und Geschichte präsentiert, geteilt und erklärt.

Diese Synagogen gibt es in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt gibt es neben dem Neubau in Dessau Synagogen in Halle, Magdeburg, Gröbzig, Halberstadt, Eisleben und Haldensleben. Nur in Halle, Magdeburg und Dessau werden die Synagogen noch als solche genutzt.

Die neue Synagoge in Dessau ist nach Kurt Weill benannt, dem Komponisten, der in Dessau geboren ist und unter anderem für die Dreigroschenoper bekannt ist. Die derzeitige jüdische Gemeinde in Dessau wurde 1994 gegründet.

Die Synagoge in Halle wurde 1953 geweiht. Das Gebäude diente zuvor der Leichenwaschung jüdischer Menschen und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zur Synagoge umgebaut, weil die ursprüngliche Synagoge in Halle in der NS-Zeit zerstört wurde.

2019 versuchte ein rechtsextremer, antisemitischer Attentäter in hallesche Synagoge einzudringen, während die Gemeinde im Inneren Jom Kippur feierte.

In Magdeburg wird bald eine neue Synagoge eingeweiht. Die ehemalige Synagoge wurde 1938 in der Pogromnacht zerstört. Ein Verein hatte sich mehr als zwanzig Jahre für den Neubau in der Stadt eingesetzt.

Ehemalige Synagogen als Denkmal und Kulturhaus

In Gröbzig im Landkreis Anhalt-Bitterfeld gibt es eine Synagoge, die während des Zweiten Weltkriegs als Heimatmuseum genutzt wurde. Seit 1988 gibt es in Gröbzig wieder eine Synagoge, eine jüdische Schule und einen jüdischen Friedhof. In Wörlitz wird eine Synagoge aus dem 18. Jahrhundert nicht mehr in ihrer ursprünglichen Funktion genutzt. Im Gebäude wird die Geschichte der Juden in Anhalt ausgestellt.

Die Synagoge, errichtet auf einem künstlichen Hügel, im Wörlitzer Park.
Die Synagoge Wörlitz. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Endig

Die Synagoge in Halberstadt wurde im 18 Jahrhundert erbaut, wurde in der Pogromnacht 1938 geplündert und kurz darauf abgerissen. Heute gibt es ein grünes Denkmal am ehemaligen Standort. Die Synagoge in Haldensleben gehört zum Museum der Stadt und wurde 2007 als Begegnungsort genutzt.

In Eisleben wurde die Synagoge in der Pogromnacht 1938 enteignet, entweiht und geschändet. Seit 2010 kümmert sich ein Verein um das verfallene Gebäude, es gibt Veranstaltungen und Ausstellungen.

Aufklärung und jüdische Geschichte in Sachsen-Anhalt

Jüdisches Leben und jüdische Geschichte in Sachsen-Anhalt machen Engagierte zum Beispiel bei Stadtführungen sichtbar. Die Volkshochschule Magdeburg, die Fachstelle "Hallianz für Vielfalt" in Halle und das Stadtmarketing Dessau bieten zum Beispiel spezielle Rundgänge an.

Für einen digitalen Stadtrundgang wurde die Projektgruppe "Jüdisches Halle – gestern und heute" 2022 mit dem Ehrenamtspreis für jüdisches Leben ausgezeichnet.

In Halle können Interessierte sich zur Synagogenführung anmelden. In Halberstadt gibt es das Berend Lehmann Museum für jüdische Geschichte und Kultur. In mehreren Synagogen und ehemaligen Synagogen gibt es Ausstellungen, Führungen und Lernangebote rund um jüdische Kultur.

Mehrere Vereine im Land engagieren sich für Kultur und Bildung rund um jüdisches Leben. In Dessau gibt es die Moses-Mendelssohn-Gesellschaft, die wissenschaftliche und bildungspolitische Arbeit im Bereich der deutsch-jüdischen Geschichte und Kultur fördert und koordiniert. In Gröbzig bietet das Museum Synagoge auch Workshops an.

Die Jüdischen Kulturtage werden in Sachsen-Anhalt in mehreren Städten gefeiert, etwa in Magdeburg, Aschersleben und Halle.

Juden in Sachsen-Anhalt und Antisemitismus

Für viele Jüdinnen und Juden in Sachsen-Anhalt sind antisemitische Vorfälle und Straftaten Teil ihres Alltags. In Sachsen-Anhalt ist die Zahl der antisemitischen Straftaten in den vergangenen Jahre angestiegen. 2021 wurden 111 Fälle bei der Polizei erfasst, davon vor allem Fälle von Volksverhetzungen, Propagandadelikte oder Sachbeschädigungen mit antisemitischem Hintergrund.

Viermal wurde Gewalt mit antisemitischem Hintergrund angezeigt. Im Mai 2021 war ein Fall bekannt geworden, bei dem einem Mann in Magdeburg gewaltsam die Kippa geraubt wurde. 2020 war die Zahl der antisemitischen Straftaten auf 87 angestiegen.

2019 waren es 70 Straftaten gewesen, darunter der Anschlag auf die Synagoge in Halle. Ein Attentäter war an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, nach Halle gefahren, um bewaffnet die Synagoge zu stürmen. Er konnte die Tür nicht öffnen und erschoss zwei Menschen auf offener Straße.

Bei der Meldestelle Antisemitismus Rias Sachsen-Anhalt werden laut einem Bericht der Einrichtung vor allem Fälle aus den größeren Städten, Halle, Magdeburg und Dessau, gemeldet. Dazu zählen vor allem Beleidigungen und Sachbeschädigungen, wie herausgerissene Stolpersteine.

In Sachsen-Anhalt sind in den vergangenen Jahren zudem mehrere Fälle von antisemitischen Äußerungen von Polizistinnen und Polizisten öffentlich geworden, etwa in Chats.

MDR (Julia Heundorf)

Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | 22. Oktober 2023 | 19:00 Uhr

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