27. Januar Kommentar zur Absage des Holocaust-Gedenkens: Der Landtag sendet ein fatales Signal
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27. Januar 2024, 17:37 Uhr
Der Präsident des Landtags von Sachsen-Anhalt hat das Holocaust-Gedenken wegen der angekündigten Bauerndemonstration verschoben, als sei der Gedenktag beliebig. Und das, obwohl die Bauern ihre Demonstration inzwischen extra verschoben haben. Ein fatales Signal. Der Landtag muss der Verantwortung des Gedenkens gerecht werden – gerade jetzt. Ein Kommentar.
Die Absage des Holocaust-Gedenkens durch Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) und den Ältestenrat ist ein fatales Signal, das so nicht passieren dürfte. Am 27. Januar ist der 79. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz und gesetzlich verankerter Gedenktag für die Opfer des Holocausts, der durch ein deutsches Herrschaftssystem durchgeführt wurde. Als deutscher Landtag trägt das sachsen-anhaltische Parlament deshalb eine besondere Verantwortung, das Gedenken an diesem Tag würdig zu gestalten – gerade jetzt.
Genau das tun der Landtagspräsident und der Ältestenrat mit der Absage des Gedenktags nicht – auch wenn sie sich die Entscheidung nach eigenen Angaben nicht leicht gemacht haben. Dass der Bauernverband die Proteste nun eigenständig verschoben hat, ist nur ein weiterer Beleg dafür, dass es offenbar möglich gewesen wäre, eine Lösung zu finden. Doch während der Bauernverband flexibel genug ist, den Protest zu verschieben, bleibt man im Landtag bei seiner Entscheidung. Inzwischen seien alle Gäste schon ausgeladen.
Diese Vorgänge sind höchstproblematisch. Das Gedenken auf ein anderes Datum zu verschieben, als habe der Gedenktag keine große Bedeutung, wird dem Tag nicht gerecht. Es zeigt, dass die Entscheider die Bedeutung des Gedenktags nicht ausreichend ernst nehmen – denn sonst hätten sie sich rechtzeitig stärker dafür eingesetzt.
Begründung unzureichend
Die Begründung, dass eine würdige Durchführung des Gedenkens durch die angemeldeten Proteste der Bauern nicht möglich gewesen sei, ist unzureichend und schwer zu glauben. Der Gedenktag kommt nicht überraschend. Wenn die Versammlungsbehörde davon ausgeht, dass die angemeldeten Bauernproteste den schon lange feststehenden Gedenktag stören könnten, sind auch sie in der Pflicht, Lösungen zu finden, wie etwa die Bauernproteste um ein paar Stunden zu verschieben oder an einem anderen Ort stattfinden zu lassen. Der Landtag hätte sich vehement für eine solche Lösung einsetzen können, statt klein beizugeben und das Gedenken zu verschieben.
Dazu kommt, dass die Organisatoren der Bauernproteste sofort ihre Bereitschaft zur Kooperation zugesagt hatten. Eine gemeinsame Schweigeminute, ein Verzicht auf lautes Hupen und Proteste während des Gedenkens, ein späterer Beginn, eine Verschiebung der Proteste – zu all dem seien die protestierenden Bauern laut dem Präsidenten des Bauernbundes in Sachsen-Anhalt, Martin Dippe, bereit gewesen.
Statt diese Optionen im Landtag zu kommunizieren und sich für Lösungen einzusetzen, haben hingegen viele Fraktionen im Landtag erst durch die Presse von der Absage der Gedenkveranstaltung am Holocaustgedenktag erfahren. All das zeugt nicht von dem Einsatz für ein Gedenken, den man vom Landtagspräsidenten hätte erwarten müssen.
Gerade jetzt ein fatales Signal
Dass diese Vorgänge in einer Zeit stattfinden, in der gerade erst eine Correctiv-Recherche enthüllt hat, dass Teile der AfD mit "Remigration" genannten Deportationsplänen liebäugeln und Antisemitismus und Rechtsextremismus in Deutschland zunehmen, macht die scheinbar leichtfertige Absage besonders schlimm.
Während bundesweit Menschen auf die Straßen gehen, um gegen den steigenden Rechtsextremismus zu protestieren und der Landtag über die Teilnahme des AfD-Co-Vorsitzenden Ulrich Siegmund an dem Geheimtreffen diskutiert, verpassen Landtagspräsident Schellenberger und der Ältestenrat es hier, ein wichtiges und eigentlich selbstverständliches Zeichen zu setzen.
Gerade jetzt ist es wichtig, dass der Landtag Verantwortung und Haltung zeigt, um die Millionen Opfer des Holocausts am offiziellen Gedenktag angemessen zu würdigen. Und es liegt in der Verantwortung der Gesellschaft, dies einzufordern und sich dafür einzusetzen. Gerade am 27. Januar, der noch 2017 unter dem Motto "Wider das Vergessen" stand. Das Motto darf kein Lippenbekenntnis bleiben.
MDR (Leonard Schubert)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 25. Januar 2024 | 07:40 Uhr
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