3.-6. Juni: Die Katastrophe wird Normalzustand

3. Juni (Montag): Katastrophenalarm im Land

Tausende Menschen im Land haben wegen des Hochwassers ihre Wohnungen verlassen. Die Bundeswehr stellt Feldbetten bereit, Freiwillige und Feuerwehrleute arbeiten pausenlos an der Sicherung der Deiche. Erste offizielle Einschätzungen sagen ein schlimmeres Hochwasser als 2002 voraus.

In Halle wird am Nachmittag Katastrophenalarm ausgerufen. Dort hat der Wettlauf mit der Zeit begonnen. Deiche werden mit Sandsäcken und einem mobilen System verstärkt, um Teile der Altstadt, der Plattenbausiedlung Halle-Neustadt und die Bundesstraße 80 vor Überflutung zu schützen. Es wird mit einem Wasserstand von 7,50 Meter für die Saale gerechnet. Normal sind knapp zwei Meter.

Etwa 80 Kilometer flussabwärts wird das Pretziener Wehr südlich von Magdeburg gezogen, um die Landeshauptstadt vom drohenden Hochwasser zu entlasten.

Katastrophenalarm gilt auch im Burgenlandkreis, dem Kreis Anhalt-Bitterfeld und in der Stadt Dessau-Roßlau.

4. Juni (Dienstag): Krisenstab tritt zusammen

Die Landesregierung ruft einen Krisenstab zusammen. Auch im Landkreis Stendal findet die erste Krisensitzung statt. Die Landeshauptstadt ruft Katastrophenalarm aus.

Der kleine Ort Altjeßnitz mit rund 500 Einwohnern im Landkreis Anhalt-Bitterfeld wird von den Fluten überspült, nachdem auf sächsischem Gebiet Deiche der Mulde im Bereich von Roitzschjora versagt hatten und in Sachsen-Anhalt unsanierte Deichabschnitte überströmt worden waren. Hunderte Menschen wurden zuvor in Sicherheit gebracht worden.

Wegen des weiter steigenden Hochwassers muss Bitterfeld östlich der Bahnlinie evakuiert werden. Am Abend wird am Seelhausener See ein Stück Deich gesprengt. Dadurch soll verhindert werden, dass der Damm bricht – und eine erhebliche Menge an Wasser in die Stadt Bitterfeld fließt. Der Chemiepark, in dem mehr als 12 000 Menschen arbeiten, wird mit einem zusätzlichen Deich gesichert, dabei hilft die Bundeswehr.

5. Juni (Mittwoch): Rekordstand der Saale

In Halle steigt das Wasser der Saale auf den höchsten Stand seit 400 Jahren. Der Pegelstand beträgt mehr als acht Meter. Am Abend fällt der Wasserstand aber wieder darunter. Teile der Altstadt sind überschwemmt. 30.000 Menschen müssen ihre Wohnungen verlassen, auch in Halle-Neustadt. Das Trinkwasser wird vorsichtshalber gechlort, zum Schutz vor Keimen. 400.000 Sandsäcke wurden bereits verbaut, weitere sind angefordert. In Halle-Neustadt bleiben bis alle Schulen geschlossen.

Erster Todesfall im Zusammenhang mit dem Hochwasser: In Aderstedt erleidet eine Frau während der Evakuierung einen Herzinfarkt und stirbt.

Katastrophenalarm gilt nun auch im Jerichower Land sowie, vorsorglich, im Landkreis Stendal.

In vielen Kommunen und Gemeinden drücken die Behörden indes bei Falschparkern wegen des Hochwassers ein Auge zu. In Halle und Naumburg werden mit Rücksicht auf freiwillige Helfer und vom Hochwasser betroffene Anwohner keine Knöllchen verteilt. In Merseburg dürfen Autofahrer, deren Straßen und Häuser gefluteten sind, kostenfrei sonst gebührenpflichtige Parkplätze der Stadt nutzen. In Magdeburg werden die Bußgelder hingegen weiter kassiert – um wichtige Zufahrtswege freizuhalten.

Am Abend wird am Seelhauser See bei Bitterfeld-Wolfen zum zweiten Mal ein Deich gesprengt, um den Druck auf die Dämme zu mindern.

Bei Premsendorf an der Schwarzen Elster bricht ein Deich.

6. Juni (Donnerstag): Weiterer Dammbruch bei Jessen

An der Schwarzen Elster bricht auf 30 Metern Länge ein weiterer Damm bei Jessen. In Zahna-Elster werden Notdeiche von den Elbefluten überströmt.

Ein Rückstau des Hochwassers am Zusammenfluss von Saale und Elbe in Groß Rosenburg verschärft die Lage im Salzlandkreis. Gottesgnaden, ein Ortsteil von Calbe, ist von den Fluten besonders schwer betroffen. In der Talstadt Bernburg strömen braune Fluten ein. Dazu gibt es den zweiten Hochwasser-Todesfall im Salzlandkreis: Beim Sandsack-Füllen bricht in Barby an der Elbe ein Helfer zusammen und stirbt.

Angela Merkel besucht am Nachmittag Bitterfeld und sichert den Hochwasseropfern ihre Hilfe zu.

Wegen einer drohenden Überflutung der Gleise wird ein Streckenabschnitt bei Wittenberg gesperrt. Die Fernzüge auf der ICE-Strecke Hamburg-München werden über Dessau umgeleitet.

Ministerpräsident Reiner Haseloff und Finanzminister Jens Bullerjahn vereinbaren ein Soforthilfe-Programm. Aus dem laufenden Landeshaushalt sollen 20 Millionen Euro für betroffene Privatleute, Gemeinden und Gewerbetreibende zur Verfügung gestellt werden.  

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