Online-Trauerfeiern in Sachsen-Anhalt ″Der Tod hat wenig Sympathiepunkte″
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23. Mai 2020, 09:56 Uhr
Stefanie Oefth-Geffarth aus Halle ist Geschäftsführerin von Convela. Sie hat das Unternehmen vor drei Jahren gegründet und will besonders emotionale Situationen im Leben online begleiten. In der Corona-Krise hat Oeft-Geffarth zum ersten Mal virtuelle Trauerfeiern organisiert und im Podcast ″digital leben″ bei MDR SACHSEN-ANHALT darüber gesprochen.
So manche mögen in der Vergangenheit den Kopf darüber geschüttelt haben: Trauerfeiern online. Aber die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir für vieles offen sein können – und müssen. Und so hat die Idee einer Online-Trauerfeier von Stefanie Oeft-Geffarth aus Halle neuen Schub bekommen.
″Klar″, sagt Oeft-Geffarth, ″der Tod hat wenig Sympathiepunkte, aber er ist ja da. Und dann ist es besser, sich schön von jemandem zu verabschieden als blöd.″ Mit ihrer Firma Convela arbeitet sie schon länger an der Idee einer Trauerfeier, die nur online stattfindet. ″Denn wir haben schon länger gesehen, dass durch Globalisierung Familien zum Beispiel weiter auseinander wohnen und dass auch neue Freundschafts-Konzepte entstehen, zum Beispiel bei Facebook″, sagt Stefanie Oeft-Geffarth im Podcast ″digital leben″ bei MDR SACHSEN-ANHALT. Solche virtuellen Freunde oder alte Bekannte kommen oft nicht zu klassischen Trauerfeiern. ″Aber mit denen führt man ja trotzdem eine soziale Beziehung.″
Trauern per Videokonferenz
Für sie und für die Hinterbliebenen, die sich (gerade zur Zeit) vielleicht aus Infektionsschutzgründen nicht in großen Gruppen treffen können, hat Oeft-Geffarth das Konzept entwickelt: Die Online-Trauerfeier wird als Videokonferenz mit Chatfunktion veranstaltet. Jeder der Trauernden ist zu sehen. Es gibt eine Trauerrednerin und Musiker. Eines der Videobilder ist für den Verstorbenen vorgesehen: Dort kann ein Foto mit Blumen zu sehen sein, Foto-Collagen oder Videos des Verstorbenen eingeblendet werden.
Man trauert gemeinsam, man gedenkt gemeinsam, man lauscht gemeinsam Musik, man fühlt das Gleiche und man ist weniger angespannt. Das sehe ich in den Menschen, die mir entgegenblicken.
Außerdem hat Oeft-Geffarth eine für Trauerfeiern neue Funktion entwickelt: Einen Moderator. Er verschickt vor der Veranstaltung per E-Mail die Regeln, leitet über und kann auch Texte aus dem Chat vorlesen. ″Ein Moderator kann Musik ankündigen, kann zum Schweigen ermutigen oder auch zu Ritualen auffordern″, sagt Nadine Weske, eine der ersten Rednerinnen, die auf Online-Trauer- und Gedenkfeiern spricht. Der Moderator kann beispielsweise zum Schweigen auffordern oder die Trauernden eine Kerze anzünden oder auf den Verstorbenen anstoßen lassen. Der Ablauf sei ansonsten kaum anders, sagt Weske.
Trauernde können sich wohler fühlen
Trauerednerin Nadine Weske ist aus Hannover und ist vom Konzept begeistert. Vor kurzem hat sie so sogar eine Gedenkfeier des Vereins ″Leere Wiege″ abgehalten, der sich um die Eltern von verstorbenen Kindern kümmert: ″Man trauert gemeinsam, man gedenkt gemeinsam, man lauscht gemeinsam Musik, man fühlt das Gleiche und man ist weniger angespannt. Das sehe ich in den Menschen, die mir entgegenblicken.″ Denn jeder Trauernde sei in seiner vertrauten Umgebung und könne soviel trauern, wie er zulassen möchte, er kann zum Beispiel auch sein Mikrofon stummschalten.
″Das heißt, ich kann überall auf der Welt gedenken und teilhaben. Ich finde, das ist gerade jetzt ein riesengroßer Trost. In einer Zeit, in der die Umarmungen fehlen, ist die Liebe und das Bedürfnis nach zwischenmenschlichem Austausch aber genauso groß″, sagt Weske. Ihr Fazit: ″Ja, man kann auch so die Menschen erreichen und dieselben Emotionen hervorrufen wie in einer Trauerhalle.″
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Emotionen durch Technik
Nach der eigentlichen Trauerfeier bleibt die Videokonferenz bestehen. Und wie beim Leichenschmaus können sich die Trauernden weiter austauschen. ″Trauercafé″ hat Stefanie Oeft-Geffarth diesen offenen Teil genannt. Anders als beim Leichenschmaus müsse man dabei aber nicht neben dem ungeliebten Onkel oder der anstrengenden Cousine sitzen, sagt Oeft-Geffarth: ″Wer bleiben möchte, bleibt. Und wer nicht möchte, der verlässt den Channel. Bei den paar Trauerfeiern bislang sind alle geblieben.″
Oeft-Geffarth glaubt, mit der Online-Trauerfeier ein neues Format entwickelt zu haben – mit einer ganz eigenen Art des Trauerns. Das Besondere: ″Man hat sich untereinander angeguckt. Normalerweise sitzen die Leute in Reih und Glied und sehen sich nicht in die Augen. Das digitale Format bringt schon von Anfang an eine ganz andere Partizipation mit: Also Emotionalität nicht trotz – sondern durch Technik!″
Über den Autor Marcel Roth arbeitet seit 2008 als Redakteur und Reporter bei MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir. Nach seinem Abitur hat der gebürtige Magdeburger Zivildienst im Behindertenwohnheim gemacht, in Bochum studiert, in England unterrichtet und in München die Deutsche Journalistenschule absolviert. Anschließend arbeitete er für den Westdeutschen Rundfunk in Köln. Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er über Sprachassistenten und Virtual Reality, über Künstliche Intelligenz, Breitbandausbau, Fake News und IT-Angriffe. Außerdem ist er Gastgeber des MDR SACHSEN-ANHALT-Podcasts "Digital leben".
Quelle: MDR/mg
MDR SACHSEN-ANHALT
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