Kohleausstieg Strukturwandel im Süden: Es fehlt an Gewerbeflächen – oder doch nicht?
Hauptinhalt
08. Februar 2023, 10:55 Uhr
Im Jahr 2038 sollen die letzten Kohlekraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Der Kohleausstieg und damit einhergehende Strukturwandel beschäftigt vor allem die Menschen im Süden Sachsen-Anhalts. Hier enstehen derzeit mehrere Industrieparks auf dem Reißbrett oder sind bereits im Entstehen. Ein Überblick.
Bislang ist geplant, die letzten Kohlekraftwerke in Deutschland bis ins Jahr 2038 vom Netz zu nehmen. Das "Wie-Weiter" mit Strukturwandel und Kohleausstieg beschäftigt vor allem die Regionen im Süden Sachsen-Anhalts. Hier sind derzeit mehrere Industrieparks geplant oder im Entstehen.
Mansfeld-Südharz setzt auf zwei große Industrieflächen
Wer mit dem Auto durch Mansfeld-Südharz fährt, sieht die imposanten Pyramiden: die Abraumhalden als Zeugnisse des fast acht Jahrhunderte währenden Kupferschieferbergbaus in der Region um Sangerhausen, Eisleben und Mansfeld. Mit der Wende wurde der Kupferbergbau eingestellt. Die Folgen des Strukturbruchs und der De-Industrialisierug sind heute noch spürbar. Nun erlebt der Landkreis einen weiteren Strukturwandel.
Neue Gewerbeflächen werden gebraucht
"Alle Wirtschaftsprognosen der vergangenen Jahre, die die Zeit der Großansiedlungen in Deutschland schon für beendet erklärt haben, haben sich geirrt," sagt André Schröder, der Landrat von Mansfeld-Südharz. Er verweist auf Tesla in Brandenburg oder die Ansiedlungspläne von Intel bei Magdeburg. Auch habe der Landkreis Mansfeld-Südharz selbst über 5.000 Betriebe, davon 88 Industriebetriebe. Diese müssten wachsen können. Es sei nicht nur die bloße Hoffnung auf die Zukunft. Die Flächenentwicklung helfe auch, die Entwicklungs-Potenziale der vorhandenen Industrie zu nutzen. Oft werde der Landkreis als strukturschwach stigmatisiert, dabei sei zum Beispiel mittlerweile sogar die Abwanderung gestoppt. "Wir haben vieles auf der Haben-Seite," sagt Landrat Schröder. "Deswegen sind wir ziemlich trotzig und sagen ja, stempelt uns mal schön ab, wir werden unseren Weg gehen."
Neuer Anlauf für Industriepark in Sangerhausen
In der Berg- und Rosenstadt sollte der Industriepark Mitteldeutschland entstehen. Seit den 2000er Jahren wurde geplant, eine Hamsterpopulation hatte das Projekt immer wieder verzögert. Letztendlich wurden die Pläne fallen gelassen. Nun wird eine neue Industriegroßfläche, 139 Hektar groß, westlich vom Martinsriether Weg geplant.
Wir haben vieles auf der Haben-Seite, und deswegen sind wir ziemlich trotzig und sagen ja, stempelt uns mal schön ab, wir werden unseren Weg gehen.
Wer soll sich dort ansiedeln?
Auch das ist ein Ergebnis einer Machbarkeitsstudie. So könnte ein Schwerpunkt auf der Metallverarbeitung und der Nahrungsmittelwirtschaft liegen. Diese Wirtschaftszweige sind bereits entlang der Autobahnen und im Landkreis stark vertreten. Nach der Beschlussfassung zum Bebauungsplan soll der erste Bauabschnitt bis 2027 erschlossen sein.
Die Industriegroßfläche Sangerhausen soll als nachhaltiger Industriestandort entwickelt werden. Als Demonstrationsvorhaben für intelligente Energienutzung und -speicherung. So stünde die Nutzung grünen Wasserstoffs zur Bereitstellung von Wasserstoffgas, Strom und Wärme im Mittelpunkt der Flächenentwicklung. Das teilt der Sangerhäuser Oberbürgermeister Sven Strauß mit.
Eisleben arbeitet an Gewerbegebiet Rothenschirmbach
Am Rande des Neujahrsempfanges der Lutherstadt Eisleben sagte Bürgermeister Carsten Staub MDR SACHSEN-ANHALT, man sei mit potentiellen Investoren im Gespräch um mögliche Ansiedlungen. Zu den Interessenten wolle man sich im Rathaus derzeit nicht äußern. Erste Ergebnisse der Gespräche könnte es bis April geben.
"Wir planen Erweiterungen, wir haben auch Flächen, die wir noch entwickeln wollen. Allerdings muss immer erst eine belegt sein, bevor man eine andere entwickeln kann." Arbeitsplätze im dreistelligen Bereich stelle er sich vor, denn in der Region fehlten gut bezahlte Industriearbeitsplätze, so Staub.
Gewerbeflächen sind in Zeitz Mangelware
Zeitz und die umliegenden Ortschaften verfügen derzeit über keine freien Gewerbeflächen ab einem Hektar Größe. Lediglich das Gewerbegebiet "Radeland" ist mit 8,44 Hektar als Gewerbegebiet ausgewiesen, allerdings noch nicht entwickelt. Die Stadt hat deshalb kürzlich einen Fördermittelbescheid von 109.000 Euro von Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) bekommen. Mit der Summe soll eine Machbarkeits-Studie für das geplante Gewerbegebiet im Norden der Stadt in Auftrag gegeben werden. Die Gesamtkosten: Rund 145.000 Euro.
Die Studie soll die Erweiterungspotentiale am Standort ausleuchten, sie unter Klimaschutzbedingungen und ökologischen Aspekten bewerten – für die Gewerbegebietsentwicklung auf 50 Hektar und perspektivisch auf 100 Hektar, heißt es aus dem Rathaus. "Mit einem circa 50 Hektar großen Gewerbegebiet und einer grünen Wasserstoffanbindung könnten wir die besten Voraussetzungen für nachhaltige und zukunftssichere Ansiedlungen bieten", so Oberbürgermeister Christian Thieme.
Halle und der Saalekreis wollen den Star-Park II um jeden Preis
Gleich drei Gemeinden bewerben sich um den Industriepark, der aber nicht mehr Star-Park II heißen soll. Zusammengetan haben sich für die Realisierung des von Kabelsketal abgelehnten Standortes Bad Lauchstädt, Merseburg und Schkopau. Dabei wolle man eine Fläche von ca. 350 Hektar Land ausbauen, so der Bürgermeister von Bad Lauchstädt, Christian Runkel. In einem Ortsteil der Goethestadt, in Milzau, sei bereits seit 20 Jahren ein Industriegebiet vorgesehen.
Der Oberbürgermeister des Verwaltungssitzes des Saalekreises Sebastian Müller-Bahr bestätigt: Auch die Domstadt habe mit dem Airpark, einem ehemaligen Militärgelände, eine große Fläche, auf der man sich sehr gut produzierende Gewerbeansiedlungen vorstellen könne. Hinzu kommt: Der Airpark ist durch seine ehemalige Nutzung nicht für eine Wohnbebauung geeignet. Eine Versiegelung im Rahmen einer Industrieansiedlung wäre vielmehr ökologisch geboten. Für 200 Hektar des Geländes, welches bis nach Schkopau reicht, gäbe es bereits Investoren.
Teutschenthal hat ein Konkurrenzangebot
Der Bürgermeister der Flächengemeinde Tilo Eigendorf wünscht sich den Star-Park auch auf seinem Gebiet. "Das Angebot aus der Gemeinde Teutschenthal liegt schon seit Sommer letzten Jahres vor. Die Gemeinde hat entschieden, ein Gebiet entlang der A143 zu entwickeln." Zunächst plane man rund 50 Hektar zu bebauen.
Das Angebot aus der Gemeinde Teutschenthal liegt schon seit Sommer letzten Jahres vor. Die Gemeinde hat entschieden, ein Gebiet entlang der A143 zu entwickeln.
Eigendorf fügt weitere Vorteile seines Angebotes hinzu: Demnach werde es bald eine Anbindung an die A14 Richtung Norden geben. Darüber hinaus gäbe es eine Strahlungskraft Richtung Mansfeld-Südharz, wo lokale Arbeitskräfte gebunden werden könnten. Das kann ein Industriegebiet im Osten von Halle nicht bieten, so Eigendorf. Dass die Bevölkerung bei seiner ambitionierten Idee nicht mitspielt, befürchtet Eigendorf auch nicht. Die Lieferfahrzeuge würden direkt von der Fläche auf die Autobahn gelangen. Lärmbelästigung gebe es daher nicht.
MDR (Cornelia Müller, Anne Sailer)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 03. Februar 2023 | 14:30 Uhr