Lebende Hunde und ein toter Papagei Fall von Tierquälerei in Bad Lauchstädt weitet sich aus: Verdächtige ist vorbestraft
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24. Januar 2025, 05:00 Uhr
Der Fall mutmaßlicher Tierquälerei in einer Tierpension in Bad Lauchstädt weitet sich aus. Im Dezember sind dort 128 Hunde lebend befreit und auf Tierheime in ganz Deutschland verteilt worden. Die Stadt Bad Lauchstädt spricht zusätzlich von fünf tot gefundenen Hunden. Die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt nun auch gegen den Lebenspartner der Tierpensions-Betreiberin. Immer deutlicher wird dabei: Das Veterinäramt im Saalekreis scheint sogar entgegen selbst verhängter Verbote gehandelt zu haben.
- Die Halterin einer Tierpension in Bad Lauchstädt soll 20.000 Euro Hundesteuer nicht bezahlt haben.
- Zudem hatte das Bauamt ihr offenbar den Betrieb der Tierpension untersagt.
- Unterdessen scheint das Veterinäramt im Saalekreis entgegen selbst verhängter Verbote gehandelt zu haben.
Der Fall mutmaßlicher Tierquälerei in einer Tierpension im Bad Lauchstädter Teilort Delitz am Berge weitet sich aus. Im Zuge der Ermittlungen durchsuchten Beamte in Salzatal die Wohnung der Betreiberin Silvia S. und ihres Lebensgefährten Rainer J., der als Geschäftsführer der Tierpension in Bad Lauchstädt fungierte. "Dabei sind mehrere Hunde und ein toter Papagei gefunden worden", so Staatsanwältin Kirsten Golinski. Seither richteten sich wegen des Anfangsverdachts der Tierquälerei auch Ermittlungen gegen den Mann. Währenddessen wird bekannt: Silvia S. ist seit zwei Jahren vorbestraft wegen Betrugs.
Sie wurde zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 18 Euro verurteilt, wie Karsten Kolbig, Pressesprecher und Richter am Amtsgericht Halle, MDR SACHSEN-ANHALT mitteilte. "Konkret wurde ihr vorgeworfen einen Privatdarlehensvertrag abgeschlossen zu haben, obwohl sie zu dieser Zeit schon wusste, dass sie weder das Darlehen zurückzahlen kann, noch die entsprechenden Zinszahlungen", so Kolbig weiter. Demnach hatte sie bereits im August 2021 einen Privatinsolvenzantrag gestellt.
Beschuldigte soll 20.000 Euro Hundesteuer nicht gezahlt haben
Neu ist auch: Die Staatsanwältin ermittelt neben Tierquälerei auch wegen eines Verstoßes gegen die kommunale Abgabenordnung. Konkret geht es um Hundesteuer, die die Frau nicht bezahlt haben soll. Einer ersten Hochrechnung zufolge beläuft sich der Schaden hier auf 20.000 Euro – auch das sei strafbewehrt, so Staatsanwältin Golinski.
Wir standen sprichwörtlich einen halben Meter tief in der Scheiße.
Unterdessen wird klar: Das, was die Beteiligten bei der Rettungsaktion der unzähligen Hunde in Delitz am Berge im Dezember erlebt haben, muss beispiellos gewesen sein. 128 Hunde waren lebend befreit und auf Tierheime in ganz Deutschland verteilt worden. Die Stadt Bad Lauchstädt spricht zusätzlich von fünf tot gefundenen Hunden.
128 Hunde aus Tierpension gerettet
"Wir standen sprichwörtlich einen halben Meter tief in der Scheiße", so ein Feuerwehrmann. Er erinnert sich: In dieser Situation sagte eine Mitarbeiterin des Veterinäramtes des Saalekreises an einen Vertreter der Stadt Bad Lauchstädt gerichtet: "Das nächste Mal sagt ihr früher Bescheid". Hier habe er kurz überlegt, das im Feuerwehrauto mitgeführte Wasser gegen die Verwaltungsmitarbeiterin zu richten.
Schließlich sei zu dem Zeitpunkt in Bad Lauchstädt schon bekannt gewesen, dass Bürgermeister und Ordnungsamtsleiter mit den übergeordneten Behörden im Kreis im Kontakt gestanden haben, weil lange schon klar war – etwa wegen regelmäßig ausgebüxter Tiere – dass auf dem Gelände der Tierpension etwas nicht stimme. Auch beim MDR meldeten sich Zeugen, die nach eigenen Angaben Ende 2022 persönlich beim Veterinäramt des Saalekreises vorgesprochen haben, um auf diverse Missstände auf der Tierpension von Silvia S. hinzuweisen.
Vorwürfe gegen das Veterinäramt
Unnachvollziehbar ist die vom Feuerwehrmann tradierte Aussage auch im Lichte dessen, dass ausgerechnet das Veterinäramt des Saalekreises in einen strafrechtlich relevanten Fall von Tierquälerei durch Silvia S. involviert ist – konkret im wenige Kilometer entfernten Bennstedt in der Gemeinde Salzatal, das ebenso zum Saalekreis und somit auch in den Zuständigkeitsbereich dessen Veterinäramts gehört.
Vor drei Jahren hatte eine Teutschenthaler Tierärztin Alarm geschlagen, so Amtsgerichtssprecher Karsten Kolbig, nachdem Silvia S. einen Hund in sehr schlechtem Zustand vorgestellt hatte. Das Veterinäramt kontrollierte und fand etwa "Baffi" und "Mausi", die gesund in die Pension gingen und mit nässenden Wunden wieder raus kamen. Die Staatsanwaltschaft fordert hier 1.600 Euro Strafe – verhandelt wird Ende März.
E-Mails belegen: Bauamt hatte Betrieb der Tierpension verboten
Dass das Veterinäramt und die Stadt Bad Lauchstädt sehr wohl von Problemen mit der Betreiberin der Tierpension wussten, belegen auch E-Mail-Verläufe, die MDR SACHSEN-ANHALT vorliegen. Hier schreibt eine Mitarbeiterin des Bauamtes Ende 2021 an Silvia S.: "Eine weitere Betreibung der Tierpension, welche mittlerweile seit 2016 ohne Genehmigung betrieben wird, wird es im Jahr 2022 nicht geben".
Dass es Silvia S. verwaltungsrechtlich verboten war mit Hunden zu arbeiten, bestätigt auch Staatsanwältin Golinski. Ziel müsse es sein, dieses Verbot nun auch vor Gericht durchzusetzen, sodass es strafbewehrt wird. "Es ist uns als Behörde echt ein Anliegen, diesen Zustand schnell zu beseitigen, auch mit Blick auf die Tiere, die einem leidtun können", so die Beamtin.
Zündstoff beinhaltet dabei die Aussage von Karsten Kolbig vom Amtsgericht Halle. Dieser schreibt MDR SACHSEN-ANHALT auf Anfrage: "Das verwaltungsrechtliche Verbot dürfte vom Landkreis Saalekreis ausgesprochen worden sein, da vermutlich vom Veterinäramt oder dem Ordnungsamt." Das würde bedeuten, dass das Veterinäramt des Saalekreises selbstverhängte Verbote umgeht, die nun der Tierquälerei verdächtige Frau gewähren ließ.
Ermittlungen gegen Betreiberin der Tierpension laufen
Völlig unklar ist obendrein, weshalb die Frau trotz der seit 2016 fehlenden Genehmigung ihr Gewerbe weiterhin betreiben konnte und weshalb es trotz der Ansage aus dem Amt, wonach es keine weitere "Betreibung" im Jahr 2022 geben würde, sehr wohl für Silvia S. weiterging. Staatsanwältin Kirsten Golinski schüttelt hierüber auch merklich den Kopf: "Es ist unglaublich, dass die Frau in Bad Lauchstädt einfach weitergemacht hat. Das ist ein Nachtatverhalten, das schnellster Aufklärung bedarf".
Es ist unglaublich, dass die Frau in Bad Lauchstädt einfach weitergemacht hat.
Unklar ist auch, weshalb die Behörden im Saalekreis nicht die Zuverlässigkeit des heute tatverdächtigen Paares überprüft haben. Dennoch betont Golinski: "Es gibt aktuell keinen Anfangsverdacht, um Mitarbeitern des Veterinäramtes einen strafrechtlichen Vorwurf zu machen." Das wäre etwa der Fall, wenn jemand durch Unterlassung gegen das Tierschutzgesetz verstoßen und ein Tier deshalb längere Zeit Schmerzen gelitten hätte. Im laufenden Ermittlungserfahren werde aber genau das geprüft. Bisher liegen weder bei der Polizei Anzeigen gegen Mitarbeitende des Veterinäramtes, noch beim Landesverwaltungsamt Dienstaufsichtsbeschwerden vor, erklärten die jeweiligen Sprecher. Anfragen des MDR an den Saalekreis werden unter Hinweis auf das laufende Verfahren nicht beantwortet.
MDR (Marc Weyrich, Fabienne von der Eltz)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. Januar 2025 | 06:30 Uhr