Katastrophenschutz Nach Helme-Hochwasser: "Fast wäre halb Oberröblingen abgesoffen"
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09. Februar 2024, 05:00 Uhr
Das Hochwasser an der Helme hat in Oberröblingen und Martinsrieth einen tiefen Schock hinterlassen. Die Menschen sind dankbar für die viele Hilfe und loben die Arbeit des Katastrophenschutzes. Gleichzeitig fordern sie, aus der Situation zu lernen und den Hochwasserschutz langfristig zu verbessern.
- In Oberröblingen hat das Hochwasser Spuren hinterlassen. Die Anwohner sind insgesamt erleichtert.
- In Martinsrieth sind die Menschen begeistert von der vielen Hilfe und mahnen, die richtigen Lehren aus dem Hochwasser zu ziehen.
- Auch in Oberröblingen loben die Menschen den Zusammenhalt und fordern langfristig besseren Schutz.
In seinem Garten, wo sonst sein Grill steht und Blumen wachsen, schwimmen Laufenten durch einen kleinen See – ein Überbleibsel des Hochwassers. Ein paar Meter weiter hinten ist Bundeskanzler Olaf Scholz am selbstgebauten Deich entlanggelaufen. "Den habe ich aber nicht gesehen, ich war gerade woanders helfen", meint André Esnault.
Der Schreck sitzt dem freiwilligen Feuerwehrmann auch einige Wochen nach dem Hochwasser noch in den Knochen. André Esnault lebt schon seit vielen Jahren in Oberröblingen. "Ich bin einiges gewohnt, aber das habe ich noch nie erlebt. Und das will ich auch nicht noch mal erleben", sagt er.
Vor allen Türen auf dem Grundstück liegen noch Sandsäcke. Hier hat Esnault gemeinsam mit THW, Bundeswehr und zahlreichen Freiwilligen um sein Grundstück gekämpft. Seit Weihnachten im Dauereinsatz. Vorne stieg das Wasser im Mühlgraben, hinten drückte das Wasser der Helme gegen den Schutzwall. Es war knapp. Ein Kampf um Zentimeter. "Geschlafen habe ich in der Zeit kaum", meint Esnault.
Martinsrieth: Berührt durch die Hilfe
Ein paar Kilometer weiter stapeln sich auf dem Betriebshof der Firma "Henne Nutzfahrzeuge" in Martinsrieth noch die Sandsäcke. Andreas Wittau hat das Hochwasser von hier aus miterlebt. "Das sah hier aus wie auf der Mecklenburgischen Seenplatte", sagt der Betriebsleiter. "Der Hof war praktisch eine Insel."
Mit seinen Kollegen versuchte Wittau, die Einsatzkräfte bestmöglich zu unterstützen. Er stellte Mitarbeiter frei, besorgte Fahrzeuge, bot den Betriebshof zur Lagerung der Sandsäcke an. Nach den langen Tagen im Ausnahmezustand ist Wittau sehr dankbar über die Hilfsbereitschaft.
"Der Zusammenhalt der Leute, dass so viele aus den Nachbarorten gekommen sind, mit angepackt haben, die Feuerwehr, das THW aus ganz unterschiedlichen Landesteilen. Leute sind gekommen und haben Essen und Trinken gebracht. Das war wirklich eine klasse Situation und das macht Mut zu sehen, wie die Leute zusammenhalten. Gerade jetzt."
Lehren aus dem Hochwasser ziehen
Trotz der Dankbarkeit über die viele Hilfsbereitschaft blickt Wittau durchaus besorgt in die Zukunft. "Im Harz gibt es durch die Borkenkäfer keine Bäume mehr, der kann kaum noch Wasser aufnehmen. Wir haben eine Tendenz, so etwas schnell wieder zu vergessen. Aber es ist wichtig, daraus zu lernen", sagt Wittau. "Es wird so viel Geld für irgendwelchen Mist ausgegeben. Aber hier muss man wirklich einen Fokus legen."
Wittau ist froh, dass nach früheren Hochwassern eine Schutzmauer an der Helme gebaut wurde, die Martinsrieth in diesem Jahr wesentlich vor den Fluten geschützt hat. Ein wichtiger Fortschritt. Aber er übt auch Kritik. "Die Gräben, die normalerweise Flutgräben an den Äckern sind, sind in einem desolaten Zustand, die Durchläufe waren nicht gewährleistet. Ich wünsche mir, dass da mehr Augenmerk drauf gelegt wird, dass auch ein Fokus darauf gelegt wird, die Deiche in Ordnung zu halten."
In Stellungnahmen haben Politiker und Rettungsdienste eine Bilanz zum Hochwasser- und Katastrophenschutz in Sachsen-Anhalt und Mansfeld-Südharz gezogen. Insgesamt fällt das Fazit positiv aus. Den ausführlichen Artikel lesen sie hier.
Großer Zusammenhalt
Auch in Oberröblingen ist viel Erleichterung zu spüren. André Esnault schläft inzwischen wieder besser. "Wichtig ist, dass wir mit einem dunkelblauen Auge davongekommen sind. Wir haben sehr, sehr viel Glück gehabt", sagt er und ist dankbar für die Hilfsbereitschaft. "Rückblickend gab es einen sehr guten Zusammenhalt innerhalb der Bevölkerung und zwischen den einzelnen Hilfsorganisationen. Wenn das nicht geklappt hätte, wäre halb Oberröblingen auf deutsch gesagt abgesoffen."
Insgesamt habe der Katastrophenschutz sehr gut funktioniert. Die viele Hilfe durch das THW, das DRK und die vielen Freiwilligen und Unternehmen sei entscheidend gewesen. "Das war toll. Die kamen von überall her. Es waren auch viele da, denen wir früher selbst geholfen haben." Auch die Organisation durch die verschiedenen Ebenen habe gut geklappt.
Verbesserter Schutz essentiell
Trotzdem braucht es auch laut Esnault langfristig Nachbesserungen. Die Dämme, die gebaut wurden, seien nur Erdwälle. Die alten Wassergräben für das Hochwassermanagement müssten wieder flott gemacht werden. Und auch die Überschwemmungswiesen müssten wieder als solche genutzt werden.
Politisch gesehen wünscht sich Esnault, dass sich Hilfe einfacher und schneller zuschalten lässt, beispielsweise durch die Bundeswehr. "Man muss nicht immer erst ans Finanzielle denken. Es gibt Sachen, die gehen vor."
MDR (Leonard Schubert)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. Februar 2024 | 06:20 Uhr
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