Suspendiert und angeklagt Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Fall Wiegand in Halle
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29. August 2024, 09:14 Uhr
Bernd Wiegand wird Ende August in den Ruhestand gehen. Er ist seit 2012 Oberbürgermeister von Halle, seit 2021 allerdings von seinem Amt suspendiert. Im Anschluss wurden weitere Vorwürfe gegen Wiegand laut. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wer ist Bernd Wiegand?
Bernd Wiegand ist der gewählte Oberbürgermeister von Halle an der Saale. Der parteilose Politiker trat sein Amt im Dezember 2012 an. Zuvor hatte er als städtischer Beigeordneter für Sicherheit, Gesundheit und Sport gearbeitet. Im Oktober 2019 wurde der gebürtige Braunschweiger Wiegand für sieben weitere Jahre als Oberbürgermeister wiedergewählt. In einer Stichwahl erhielt er gut 61 Prozent der Stimmen.
Was wird Wiegand vorgeworfen?
Impfaffäre
Erste Vorwürfe gegen den Oberbürgermeister wurden zu Beginn des Jahres 2021 laut, in der Hochphase der Corona-Pandemie. Damals war bekannt geworden, dass das Stadtoberhaupt sich gegen Corona hatte impfen lassen, noch bevor Wiegand eigentlich an der Reihe gewesen wäre. Auch mehrere Stadträte und Mitglieder des städtischen Katastrophenstabs waren geimpft worden, obwohl sie laut der damals geltenden Priorisierung noch nicht an der Reihe gewesen waren. Nur wegen der Impfung der Stadträte hatte auch die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Wiegand erhoben.
Das Landgericht Halle lehnte im März 2023 ein Verfahren gegen Wiegand ab. Die Vorwürfe gegen ihn hätten nicht den Straftatbestand der Untreue erfüllt. Auch die Veränderung eines Protokolls sei nicht als Fälschung strafbar. Das Oberlandesgericht in Naumburg hat dieses Urteil im Juni 2023 bestätigt.
Verletzung von Dienstpflichten?
Hat der Oberbürgermeister im Streit um eine Personalie Anweisungen gegeben, Technik aus Büroräumen zu schaffen und das Passwort einer beurlaubten Mitarbeiterin zurücksetzen zu lassen? Mit diesen Vorwürfen hatte das Landesverwaltungsamt sein Disziplinarverfahren gegen Wiegand 2021 ausgeweitet. Konkret ging es in dem Fall um die Abberufung des Geschäftsführers der Entwicklungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH (EVG) in Halle. Wiegand soll in diesem Zusammenhang im Stadtrat nicht die Wahrheit gesagt haben.
Ausspähen von Daten?
Wie im Juli 2022 bekannt wurde, soll Wiegand der beurlaubten Mitarbeiterin einer kommunalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft auch weiter Zugriff auf das Datennetz der Gesellschaft ermöglicht haben. Die Staatsanwaltschaft warf Wiegand und seiner früheren Büroleiterin daraufhin das Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten vor. Im Januar 2024 teilte das Landgericht mit, man könne Wiegand nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass er an der Beschaffung des Datenzugangs mitgewirkt oder später davon erfahren und nichts veranlasst habe.
Falsche Aussagen?
Das Landesverwaltungsamt hat das Disziplinarverfahren gegen Wiegand im März 2023 weiter ausgedehnt. An den Stadtrat schrieb die Behörde, Wiegand stehe im Verdacht, durch weitere "Handlungen ein Dienstvergehen begangen zu haben". Ihm werde vorgeworfen, vor dem Landgericht bewusst falsche Aussagen gemacht zu haben. In dieser Angelegenheit muss sich Wiegand nun vor Gericht verantworten. Der beurlaubte Oberbürgermeister muss sich wegen uneidlicher Falschaussage vor Gericht verantworten.
In diesem Fall verurteilte das Landgericht Halle Wiegand im April 2024 zu einer Geldstrafe in Höhe von 16.800 Euro. Der suspendierte OB legte kurze Zeit später Revision gegen das Urteil ein.
Was sagt der Oberbürgermeister selbst dazu?
Er hat die Vorwürfe immer zurückgewiesen und tut das bis heute. Zu seiner vorzeitigen Impfung gegen das Coronavirus erklärte Wiegand, der seinerzeit noch knappe Impfstoff wäre verfallen, hätte er ihn nicht bekommen. Eine andere Person, die die Impfung hätte bekommen können, sei nicht auffindbar gewesen. Dass auch Mitglieder des Katastrophenschutzstabes vorzeitig geimpft worden waren, hatte Wiegand seinerzeit damit begründet, diese seien wichtig für die Bewältigung der Pandemie und für wichtige Entscheidungen in der Stadt.
Auch später bekannt gewordene Vorwürfe wies Wiegand "entschieden zurück". Wiegand erklärte mehrfach, aus seiner Sicht werde mit allen Mitteln versucht, "einen parteilosen und von den Bürgern wiedergewählten Oberbürgermeister aus dem Amt zu entfernen".
Nachdem das Landgericht Halle mitgeteilt hat, dass kein Gerichtsverfahren gegen Wiegand eröffnet werde, forderte Wiegand die sofortige Aufhebung seiner Suspendierung.
Wer hat Bernd Wiegand suspendiert?
Der Stadtrat von Halle. Und zwar im April 2021 – wegen der vorzeitigen Impfung. Die anderen Vorwürfe waren erst später bekannt geworden. Für die Suspendierung hatten seinerzeit 34 der anwesenden 48 Stadträte gestimmt – bei 13 Gegenstimmen und einer Enthaltung. Ziel des Stadtrates war es seinerzeit gewesen, den Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Landesverwaltungsamt Zeit zu verschaffen. Die Antragsteller hatten eine Einflussnahme Wiegands auf die Ermittlungen sowie Verdunklungsgefahr befürchtet.
Wenig später hatte auch das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt Wiegand vorläufig seines Amtes enthoben, wegen eines laufenden Disziplinarverfahrens. Im Zuge dessen wurden auch die Bezüge Wiegands um die Hälfte gekürzt. Er erhält seitdem 4.400 Euro netto pro Monat. Insgesamt geht es in dem Disziplinarverfahren um 16 Einzelvorwürfe gegen den OB.
Wer nimmt aktuell die Aufgaben von Bernd Wiegand wahr?
Seit Wiegand als Oberbürgermeister von Halle suspendiert ist, führt der hallesche Bürgermeister Egbert Geier (SPD) die Amtsgeschäfte.
Wie geht es weiter?
Nach seiner Verurteilung wegen Falschaussage hat Wiegand Ende April 2024 Revision eingelegt. Im Juli 2024 wurde bekannt, dass Wiegand sich zum 31. August in den Ruhestand versetzen lassen will. Wiegand hatte ein entsprechendes Schreiben an den Stadtratsvorsitzenden Jan Riedel verfasst. Für Halle bedeutet dies vorgezogene OB-Wahlen, denn Wiegands Amtszeit geht eigentlich noch bis 2026.
Ende August 2024 hat der Stadtrat dem Rücktritt von Wiegand zugestimmt.
MDR (Luca Deutschländer, Kalina Bunk)